Die meisten Fälle von Kirchenasyl finden ein Happy End

"Barmherzigkeit muss möglich sein"

Mindestens 359 Personen, darunter 109 Kinder, erhalten zurzeit in Deutschland Kirchenasyl. Die Gemeinden sehen es als ihre Pflicht an, zu helfen. Die Organisation des Asyls ist schwierig, doch die Mühe lohnt sich.

Autor/in:
Samuel Dekempe und Paula Konersmann
Familie im Kirchenasyl (dpa)
Familie im Kirchenasyl / ( dpa )

Endlich ist es soweit: Mercy Amiosonor kann ihren Asylantrag stellen. Nach sechs Monaten Kirchenasyl in Köln hat sie den erlösenden Anruf bekommen. Die 26-Jährige hat einen langen Weg hinter sich: Von Nigeria über Libyen flieht sie auf die "Flüchtlingsinsel" Lampedusa. Dort soll sie zur Prostitution gezwungen werden, um die 20.000 Euro Fluchtgeld an die Schleuser zurückzuzahlen. Sie kann aber nach Berlin fliehen, wo ihr Sohn Prince auf die Welt kommt. Der Weg geht weiter nach Köln. Am Rhein erreicht sie die nächste Hiobsbotschaft: Sie kann kein Asyl beantragen und soll abgeschoben werden. Verzweifelt kommt sie in die Kölner Thomaskirche. Dort gewährt ihr Pfarrer Christoph Rollbühler Kirchenasyl. "Endlich kann ich wieder ruhig schlafen", sagt sie.

Deutschlandweit gibt es momentan laut der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG) 200 Fälle. 359 Personen haben demnach Unterschlupf erhalten, davon 109 Kinder Das ist der Stand vom 9. Januar. In dieser Woche werden neue Zahlen erwartet. Sie sind im vergangenen Jahr kontinuierlich angestiegen.

Bundesinnenminister lehnt Kirchenasyl prinzipiell ab

Allein im Januar wurden 34 Fälle bekannt, was eine Debatte auslöste. So lehnt Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) das Kirchenasyl "prinzipiell und fundamental" ab; momentan werde es durch eine "systematische Verhinderung von Überstellungen" missbraucht.

Das sehen Kirchenvertreter anders. "Unser Engagement für Flüchtlinge ist biblisch geboten und wird durch die Verfassung gestützt", betont der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Christoph Pistorius. Der Rechtsstaat sei nicht unfehlbar und auf eine "ethische Unruhe der Grundgesetze" angewiesen. "Kirchenasyl gibt noch einmal eine neue Gelegenheit und Chance einer Prüfung, um so gegebenenfalls den Rechtsstaat davor zu bewahren, in einem Grenzfall Unrecht zu tun und seine eigenen Prinzipien zu verletzen." Deswegen helfe das Kirchenasyl dem Rechtsstaat und stehe nicht gegen ihn, so Pistorius.

Pfarrer: Es ist unsere Pflicht zu helfen

"Es ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern sogar unsere Pflicht, denen Schutz zu geben, die ihn brauchen", sagt Pfarrer Rollbühler, der Mercy Amiosonor aufgenommen hat. "Das Kirchenasyl ist aufwendig, denn wir leben mit den Menschen zusammen und lernen sie persönlich kennen." Nach seinen Worten ist es sehr schwer, mit den Behörden zu kooperieren. Die Mühe habe sich aber gelohnt: Amiosonors zweijähriger Sohn Prince kann ab August in den Kindergarten neben der Kirche gehen - und seine Mutter dann hoffentlich eine Ausbildung machen.

Auch Fatih Husseini hat soeben ein Happy End erlebt. Vor anderthalb Jahren ist der syrisch-katholische Christ, studierter Anglist mit guten Deutschkenntnissen und Familie in Köln, aus der irakischen Stadt Karakosch geflüchtet - vor den Terroristen des Islamischen Staats (IS). Frankreich war das erste europäische Land, das er erreichte. Und dorthin sollte er - abgedeckt durch die europäische Dublin-III-Verordnung - abgeschoben werden, nachdem er im Bergischen Land Fuß gefasst hatte.

Die Kirchengemeinde Altenberg schritt ein, und so wohnte Husseini ab Ostern in einem Appartement im Martin-Luther-Haus. Nichts Besonderes, ähnlich wie ein Pensionszimmer, aber mit eigenem Bad und einem Fernseher, sagt Pastorin Claudia Posche. Mit ihrem katholischen Kollegen Johannes Börsch und ehrenamtlichen Helfern setzte sie sich für den jungen Mann ein - und vor wenigen Tagen hat er seinen Duldungsbescheid erhalten.

"Barmherzigkeit muss möglich sein"

Ähnlich verlief der Fall einer jungen Eritreerin, die die Gemeinde vor ein paar Jahren aufgenommen hatte. Insgesamt dürfen am Ende 80 bis 90 Prozent derjenigen bleiben, die in Deutschland Kirchenasyl erhalten haben. Das ist für das Altenberger Team aber nicht entscheidend. "Barmherzigkeit muss möglich sein", sagt Börsch. Die Gemeinde steht hinter dem Pfarrer - ein Fahrer für Arztbesuche findet sich genauso wie ein pensionierter Lehrer für Sprachkurse oder Spenden für den Unterhalt. "Es ist leicht, über Flüchtlinge zu reden", meint Pastorin Posche, "wir reden mit ihnen."

 

Quelle:
KNA