Dem Konzertpublikum im Kölner Dom ist Pichon mit der Aufführung des Oratoriums "Die Schöpfung" von Joseph Haydn mit dem Jugendchor am Kölner Dom und dem Gürzenichorchester Köln in bester Erinnerung geblieben. Er führte die jungen Sängerinnen und Sänger inspirierend durch das gewaltige Werk.
Mit dem von ihm gegründeten Vokal- und Instrumentalensemble Pygmalion hat der gebürtige Pariser die Matthäuspassion nun aufgenommmen - mit dem deutschen Tenor Julian Pregardien ist auf der CD einer der Solisten dabei, der auch beim Konzert im Herbst im Kölner Dom begeisterte.
Matthäuspassion vergegenwärtigt den Kreuzestod
Die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach gehört zweifellos zu den bedeutendsten Musikwerken der Menschheitsgeschichte. Ihre dramatische Wucht verbunden mit einer tiefen, religiösen Innerlichkeit rührt und fasziniert die Menschen bis heute. Die Erzählung um das Letzte Abendmahl, die Verhaftung von Jesus Christus und sein Tod am Kreuz wird bei Bach durch viele Arien, Choräle und Rezitativen lebendig und ergreifend zugleich musikalisch geschildert.
Auf der neuen CD lässt Pichon sehr differenziert vor allem den Doppelchor singen, an besonderen Stellen auch ohne Orchester, die Vorhalte werden oft lange gehalten und unterstreichen so an einigen Stellen den Passionscharakter der Musik. Besonders diese durchdachte musikalische Gestaltung hebt die Aufnahme weit über den Durchschnitt. Und doch bleibt die Musik direkt, sinnlich, ohne Gefahr zu laufen, zu intellektuell-verkopft daher zu kommen.
Grandiose Aufnahmen mit tollen Ausführenden
Ein absolutes Highlight der Aufnahme ist ohne Frage der deutsche Tenor Julian Pregardien als Evangelist – seit über 10 Jahren gehört der in Limburg an der Lahn aufgewachsene Sänger zu den führenden lyrischen Tenören. Seine Gestaltung als Erzähler ist überragend: ausdrucksstark, präsent, mit einer grandiosen Diktion, nicht kühl-beobachtend, sondern immer mittendrin nimmt er Anteil an dem dramatischen Geschehen und gestaltet seine Rolle entsprechend.
Der mit 33 Personen besetzte Chor gefällt mit differenzierter Gestaltung und einem weitgehend ausgewogenen Gesang der verschiedenen Stimmgruppen. Nur manchmal lässt Pichon den Chor so leise singen, dass der ein oder andere Einsatz eher zu erahnen als zu hören ist.
Flottes Tempo, aber auch Momente der Ruhe
Die Tempi sind nie überhastet, aber durchaus flott, was vielleicht nicht alle unbedingt mögen. Doch Pichon nimmt sich bei der ein oder anderen Stelle durchaus Zeit, etwa bei den Chorälen - wunderbar gesungen beispielsweise der Choral "Wenn ich einmal soll scheiden". Dort lässt Pichon sogar das Orchester weg, um den Moment von Jesu Tod besonders eindringlich zu gestalten.
Das Orchester spielt zupackend, farbig und immer im Dienst der Musik. Die Orgel der Continuo-Gruppe gefällt mit einem besonderen Klang.
Auch die anderen Solisten neben dem überragenden Tenor Julian Pregardien sind von Raphael Pichon sehr gut ausgewählt, darunter so profilierte Könner ihres Faches wie die Sopranistin Hana Blažíková oder der Alt Tim Mead.
Und so ist diese Neueinspielung eine eindeutige Empfehlung; Raphaël Pichon gelingt eine eindringliche, durchdachte, aber auch sinnliche Aufnahme der Matthäuspassion. Unter den zahllosen Einspielungen dieses großartigen Werkes ragt diese Aufnahme aufgrund ihrer hohen musikalischen Qualität und der überzeugenden künstlerischen Gestaltung hervor.
In der Sendung "Musica" am Sonntagabend wird die CD mit Musikbeispielen ab 20 Uhr vorgestellt.
INFO:
J. S.: Bach: Matthäuspassion BWV 244
Ensemble Pygmalion, Leitung: Raphaël Pichon
3 CDs, erschienen bei harmonia mundi
