Farbenrausch & verliebte Spaziergänge: Holi-Fest der Hindus

Die Lust am Leben feiern

Bunt, nass und laut – Holi ist das Frühlingsfest der Hindus. Damit heißen die Hindus den Neustart der Natur willkommen. Ebenso feiern sie den Sieg des Guten über das Böse und die Liebe des Gottes Krishna zu den Menschen.

Autor/in:
Christian Feldmann
Holi-Fest in Indien / © Monojit Kumar Saha (dpa)
Holi-Fest in Indien / © Monojit Kumar Saha ( dpa )

Da gibt es so einen aus Indien stammenden Event, da bewirft man sich mit Pulver in allen Regenbogenfarben und tanzt und macht Musik und niemand stört sich dran – voll geil! "Du fühlst die Gemeinschaft", heißt es in der Werbung für das nächste "Holi-Festival" in deutschen Großstädten, "du tauchst ein in ein buntes Meer, vergisst die Außenwelt und erlebst – den Farbrausch! … Alle Schranken der Gesellschaft scheinen aufgehoben, jeder ist bunt, jeder ist gleich. Erlebe in deiner Stadt einen Tag voller Farbe, voll abwechslungsreicher Musik angesagter DJs, indischen Live-Künstlern und eine atemberaubende Bühnenshow. Wenn dir mal gerade nicht nach Farbeschmeißen zu Mute ist, kannst du im Chill-Out-Bereich einen kühlen Drink genießen oder an unseren Action-Stationen dein Geschick unter Beweis stellen. Worauf wartest du noch? Happy Holi!"

Peinlich genug, so mit fremden Kulturen und uralten religiösen Traditionen umzuspringen. Wie zur Strafe zocken die Festival-Veranstalter ihr junges Publikum auch kräftig ab: Zwischen 22 und 55 Euro kostet ein Holi-Ticket; dafür gibt es Farbbeutel, T-Shirt, Sonnenbrille und Handy-Schutz, alles vom Billigsten. Woher das Holi-Fest genau kommt, wofür die Farben und die anderen Bräuche stehen, wissen die Teilnehmer kaum. Ahnen freilich mögen sie es schon.

Der sanfte Gott Krishna

Denn wie viele Frühlingsfeste auf der ganzen Welt feiert das „Holi“ der Hindus die Fruchtbarkeit der Natur, die Verbindung zwischen Götterwelt und Erde, die leidenschaftliche Liebe zwischen den Menschen – und, kurz gesagt, das Leben, das schöne und wunderbare.

Im Mittelpunkt der Legenden und Geschichten, die das Fest umgeben, steht der menschenfreundliche, sanfte Gott Krishna, der als Kuhhirte im Norden Indiens lebte, die Menschen einen fröhlichen und liebevollen Umgang miteinander lehrte, aber auch boshaften Dämonen den Garaus machte. Man kennt ihn von Bildern als schönen jungen Mann in einem goldgelben Gewand, mit Blüten hinter den Ohren und einer bunten Blumengirlande um den Hals. Mit seinem zarten Flötenspiel entzückte er die Hirtinnen, die mit ihm tanzten und die alle in Liebe zu ihm entbrannten.

Die blaue Gesichtsfarbe, mit der Krishna meist dargestellt wird, steht allerdings für eine deutliche Distanz zwischen Menschen- und Götterwelt. Die Hirtinnen wiederum bemalten ihre Haut in alten Zeiten gern rot; wenn sie am Bach einander und den zärtlich geliebten Krishna mit Wasser bespritzten, färbte sich das Wasser rot – vielleicht der Ausgangspunkt der Farbenspiele.

Auch das Wort „Holi“ geht auf die alten Legenden zurück. Einem grausamen König namens Kangsa hatte man prophezeit, ein von den Göttern auserwähltes Kind werde ihn töten. Daraufhin befahl er der Dämonin Holika (auch Putana genannt), alle neugeborenen Knäblein in jener Gegend umzubringen. (Ein Motiv, wie man es auch aus der Kindheitsgeschichte Jesu kennt.) Holika verwandelte sich in eine bildschöne junge Frau, begab sich zu Krishna und dessen Pflegemutter, nahm den Säugling auf den Schoß und reichte ihm die Brust – die sie allerdings mit einem todbringenden Gift eingerieben hatte. Der kluge kleine Krishna jedoch biss voller Zorn hinein und saugte der Hexe zusammen mit dem Gift die Lebenskraft aus dem Körper. Während Holika starb, erbebten Himmel und Erde unter Blitz und Donner …

Schlachten mit Farbe und Wasser

Nach einer anderen Legende soll die Hexe verbrannt sein. Deshalb beginnt das Holi-Fest bei den Hindus mit einem Feueropfer am Vorabend; man verbrennt eine Strohpuppe, lässt alte Möbel mit Heu und Kuhfladen in Flammen aufgehen, feiert den Sieg der guten Mächte und gleichzeitig die eingebrachte Kornernte und das Ende des Winters. Im Feuer werden Kokosnüsse heiß gemacht und als Zeichen göttlichen Segens unter den Feiernden verteilt.

Am ersten Tag des Festes pilgern zahllose Menschen zum Tempel von Barsana, wo Krishna einst seine Geliebte Radha getroffen haben soll. Die Priester zeigen ihnen die Götterstatuen, indem sie die Vorhänge im Heiligtum für einen Moment öffnen. Krishna und Radha bestimmen auch die Inhalte des zweiten Festtags, an dem verliebte Paare, als Krishna und Radha verkleidet, händchenhaltend, Flöte spielend und Lieder singend die Wege des Hirtengottes nachgehen. Am Nachmittag ist dann in den Dörfern und Stadtzentren die Hölle los: Kinder, Jugendliche, ganze Familien und unternehmungslustige Alte veranstalten Schlachten mit Farbpulver und buntgefärbtem Wasser, sie spritzen aus Wasserpistolen und Spülmittelflaschen, was das Zeug hält, sie tanzen, singen, vollführen Luftsprünge, am Ende sind Menschen, Tiere, Autos, Fahrräder und Hauswände nass und voller Farbe. Rot dominiert!

Stockschläge für die Männer

Natürlich gibt es auch ganz spezielle kulinarische Köstlichkeiten zum Fest: Dahi Wada, Linsenpastete mit Joghurtsauce, und süße Malpua-Pfannkuchen mit Zucker und Trockenfrüchten. Jahrmärkte werden veranstaltet und Straßentheater. Auf den großen Plätzen und in den Innenhöfen der Tempel wird eine Bühne aufgebaut, wo Krishna und Radha – meist ein Paar im Kindesalter – prächtig mit Gold und Girlanden geschmückt und raffiniert geschminkt thronen und sich verliebt in die Augen schauen. Irgendwann regnet es auch hier Blumen, Blüten und farbiges Wasser von Hausdächern und Tempelbaldachinen.

Interessant sind die emanzipatorischen Elemente der Holi-Feier: Am Abend, wenn die meisten Festteilnehmer schon ein wenig berauscht sind, fallen resolute Frauen – die Radha darstellen – mit Bambusstöcken über die scheinbar nichtsahnenden, Gott Krishna verkörpernden Männer her, unter Trommelwirbel und Trompetengeschmetter. Bisweilen gelingt es den Männern, sich mit Schilden zu schützen, und ihre Schmerzensschreie sind oft nur gespielt, manchmal müssen sie aber auch mit bösen blauen Flecken das Weite suchen.

Und immer wieder wird darauf hingewiesen, dass an diesen Festtagen die traditionellen Kastenschranken keine Geltung haben. Im Lauf der Jahrhunderte haben sich in Indien aus den unterschiedlichen Ständen der Frühzeit – dunkelhäutige Ureinwohner und hellhäutige Einwanderer, "Arier", auf denen die Nazis ihre abstrusen Rassentheorien aufbauten – mehr als dreitausend Kasten herausgebildet. Offiziell wurde die Kastenordnung 1949/50 abgeschafft, was an den diskriminierenden Mechanismen des Alltags wenig änderte. Am schlimmsten sind die „Unberührbaren“ dran, die Parias, die "unreine" Berufe wie das Fleischer- oder Straßenfegerhandwerk ausüben oder als Hebammen arbeiten. Die an "Holi" zelebrierte Verbrüderung der Kasten hält meist nur wenige Tage.