Die Koalition will über eine verbesserte Familienförderung beraten

Mehr Kindergeld oder mehr Kindergärtnerinnen?

Die fehlenden Zahlen boten Union und SPD monatelang einen guten Vorwand: Weil der neue Existenzminimumbericht noch abgewartet werden müsse, könne die Koalition nicht über eine Kindergelderhöhung entscheiden. Das Zahlenwerk aus dem Bundesfinanzministerium wird voraussichtlich in der zweiten Oktoberhälfte endlich vorliegen - der politische Beschluss, wie Familien gefördert werden sollen, lässt sich damit nicht länger vertagen. Im Koalitionsausschuss an diesem Sonntag wollen die Partei- und Fraktionsspitzen sondieren, ob sich ihre unterschiedlichen Vorstellungen einander annähern lassen.

Autor/in:
Jutta Wagemann
 (DR)

Das Bundesverfassungsgericht hat vorgegeben, dass jedem steuerpflichtigen Bürger nach Zahlung seiner Einkommenssteuer so viel Geld übrig bleiben muss, wie es zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts bedarf. Das Existenzminimum muss also steuerfrei sein, was über Steuerfreibeträge gewährleistet wird. Für Eltern bedeutet das, dass ihr Einkommen auch in Höhe des Mindestbedarfs des Kindes steuerfrei sein muss, so dass es auch Steuerfreibeträge für Kinder und das Kindergeld gibt. Steigen die Lebenshaltungskosten, müssen die Freibeträge angepasst werden.

Bislang wurde gemeinsam mit der Anhebung der Steuerfreibeträge auch stets das Kindergeld erhöht. Dahinter steht der Gedanke, dass nur Gutverdienende von den Steuerfreibeträgen profitieren, etwa ab einem Jahreseinkommen von 62.000 Euro im Jahr. Wenn diese Gruppe begünstigt wird, sollte auch die Mittelschicht berücksichtigt werden in Form höherer Kindergeldbeträge.

Die Koalition hat verabredet, dass schon zum 1. Januar 2009 das Kindergeld und die Steuerfreibeträge erhöht werden sollen. Schließlich wird im September 2009 ein neuer Bundestag gewählt - da wollen Union und SPD gerne Familienfreundlichkeit demonstrieren.

Merkel: Zehn Euro mehr im Monat pro Kind
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bereits signalisiert: Zehn Euro mehr im Monat pro Kind. Damit erhielten Eltern künftig für ihre ersten drei Kinder jeweils 164 Euro und für jedes weitere Kind 189 Euro. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die dem Koalitionsausschuss nicht angehört, schwebt darüber hinaus vor, das Kindergeld zu staffeln. Die Mittelschicht soll einen Anreiz bekommen, mehr als zwei Kinder in die Welt zu setzen. Außerdem steigen für kinderreiche Familien die Fixkosten. "Sie brauchen die größere Wohnung, mehr Schulmaterial, die Waschmaschine läuft häufiger", sagte von der Leyen kürzlich in der Haushaltsdebatte im Bundestag. Sollte neben der pauschalen Erhöhung des Kindergeldes noch finanzieller Spielraum vorhanden sein, will die Union die Staffelung nächstes Jahr verwirklichen. Dann gibt es ab dem dritten Kind deutlich mehr Kindergeld.

Die SPD befürwortet ebenfalls eine Erhöhung des Kindergeldes.
Obwohl der neue Existenzminimumbericht am Sonntag noch nicht vorliegen wird, ist daher davon auszugehen, dass sich die Koalition auf diesen populären Schritt verständigen wird. Wie jedoch die Kindergelderhöhung flankiert wird - darüber hat die SPD ganz andere Vorstellungen als CDU und CSU. Seit längerem verfolgt die SPD das Ziel, auch zusätzliches Geld in Infrastruktur für Familien zu investieren. Voraussetzung ist, dass die höheren Einkommensschichten weniger gefördert werden als bislang. Denn nach dem geltenden Modell können Gutverdienende eine Entlastung von bis zu 230 Euro im Monat erreichen.

Steinbrück: Grundfreibetrag für Kinder
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat daher einen Grundfreibetrag für Kinder ins Gespräch gebracht. Die Entlastung der Eltern solle nicht von der Höhe des Steuersatzes abhängen, sondern jeder solle eine gleich hohe Summe pro Kind von der Steuerschuld abziehen können, schlägt Steinbrück vor. Die frei werdenden Mittel könnten dann, heißt es in der SPD, auch in Infrastruktur fließen. Mit der gleichen Summe, die für zehn Euro mehr Kindergeld notwendig sei, nämlich zwei Milliarden Euro im Jahr, ließen sich auch 25.000 neue Kindergärtnerinnen finanzieren, erklärt Steinbrück. Bei einer Umfrage hätten sich 80 Prozent der Bürger für die Kindergärtnerinnen entschieden.

Die Union lehnt diese Vorschläge bislang ab. Durch die Steuerprogression führe der Kindergrundfreibetrag dazu, dass steuerpflichtige Eltern mit mittlerem Einkommen in höhere Tarife rutschten und dadurch mehr Steuern zahlen müssten als ohne Kindergrundfreibetrag, erläutert das Familienministerium. Auch die SPD-Idee, lieber Kindergärtnerinnen zu bezahlen, als den Familien noch mehr Geld zufließen zu lassen, stößt bei der Union auf wenig Gegenliebe.

Das bedeute, dass die Kindergeldempfänger, also die Mittelschicht, diese Maßnahmen alleine finanziere, hieß es im Familienministerium. Die Partei- und Fraktionsspitzen von Union und SPD stehen am Sonntag vor der Aufgabe, aus diesen Vorschlägen einen Kompromiss zu schmieden. Vielleicht ist das leichter, so lange die konkreten Zahlen des Existenzminimumberichts noch nicht bekannt sind.