Die King James Bible wird 400 Jahre alt

Amerikas englischste Wurzel

Erst gab es die königliche Hochzeit, die live zu verfolgen es mehreren Millionen Amerikanern wert war, mitten in der Nacht aufzustehen. Dann kam der Besuch des US-Präsidenten bei der Queen - und nun würdigt man die königliche Bibel: die King James Bible, die in diesem Jahr 400 Jahre alt wird.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Es war US-Präsident Theodore Roosevelt (1901-1909), der feststellte, dass kein anderes Einzelwerk diese Nation - oder irgendeine Nation auf der Welt - so geprägt habe wie jene Übersetzung der Bibel, die König James (deutsch: Jakob) I. 1604 in Auftrag gab und die 1611 vollendet wurde. Zwar ist weder die Dominanz des Christentums noch die Religiosität im Allgemeinen in den USA heute mehr so ausgeprägt wie zu Roosevelts Zeiten; doch sind sich zum Jubiläum viele Kommentatoren einig, dass der kulturelle und sprachliche Einfluss der KJV beträchtlich ist. Oft klingt gar Bedauern an, dass neuere Übersetzungen die Prägnanz, die Großartigkeit und oft auch die Eindeutigkeit der King James Bible vermissen lassen.



Zahlreiche Formulierungen, die die sprachgewaltige King James Bible einführte, haben inzwischen einen festen Platz in der englischen und amerikanischen Umgangssprache wie der "drop in the bucket" (Tropfen im Eimer), der "thorn in the flesh" (Stachel im Fleisch) bis hin zum "bite the dust", dem Ins-Gras-Beißen, das auch die Rockgruppe Queen zu einem Titel inspirierte. "Die reiche, alte englische Sprache", meint Pastor T.D. Jakes aus Dallas, "bringt uns den ursprünglichen Wert der Texte zu Bewusstsein."



Hohe Anhänglichkeit an das Original

Auch wenn die KJV heute weitgehend verdrängt ist - ein Segment der US-Bevölkerung zeigt eine hohe Anhänglichkeit an das Original: Amerikaner afrikanischer Abstammung. "Die Erhabenheit der Sprache", so Reverend Cheryl Sanders von der Howard University School of Divinity in Washington, "hat eine ganz besonders starke Wirkung auf Menschen gehabt, denen immer wieder gesagt wurde: Ihr zählt nicht. Ihr seid niemand. Ihr steht auf der untersten Sprosse der Leiter." Einer Umfrage zufolge haben nur 14 Prozent der schwarzen Amerikaner nie die KJV gelesen. Unter den US-Bürgern insgesamt sind es 27 Prozent.



In Fernsehdokumentationen und Sonderseiten der Tageszeitungen wird der Jubilar derzeit gewürdigt. Das politische Magazin "Harpers" - im linksliberalern Spektrum angesiedelt - widmet der Bibel sogar eine Titelgeschichte, illustriert mit einem Bild von König Jakob I. (1566-1625), der sichtlich entspannt dem Leser ein Exemplar des Werkes unter die Nase hält. Im Juni-Heft von "Harpers" erfährt man, dass nur noch ein anderes englisches Buch einen vergleichbaren Einfluss auf die Entwicklung der angelsächsischen Menschheit gehabt habe, nämlich Charles Darwins "Origin of Species" (Über die Entstehung der Arten).



In der Ausstellung der University of South Carolina in Columbia kann man bis Ende August ein Original der King James Bible bewundern. Dem Folio von 1611 ist eine Bibel aus der ersten amerikanischen Auflage aus dem Jahr 1782 zur Seite gestellt. Was König Jakob kaum geahnt haben dürfte: Zusammen mit Hollywood-Verfilmungen der Bibel hat sein Projekt entscheidend dazu beigetragen, dass nicht wenige Amerikaner heute der Meinung sind, Jesus habe Englisch gesprochen.