Die katholische Kirche will nach dem Missbrauchsskandal zahlen

Späte Anerkennung für lange verschwiegenes Leid

Gut ein Jahr ist es her, dass an katholischen Schulen in Deutschland die ersten Fälle von sexuellem Missbrauch bekanntwurden. Jetzt machen die Bischöfe und Ordensoberen den Versuch, das geschehene Unrecht auch im Rahmen einer finanziellen Entschädigung anzuerkennen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

Nach mehreren Sitzungen des "Runden Tischs" in Berlin, an dem außer den Kirchen auch andere Institutionen vertreten sind, in denen es zu sexuellen Übergriffen an Minderjährigen kam, hat die katholische Kirche als erste ein umfassendes Konzept vorgelegt.



"Bis zu einem Betrag in Höhe von 5.000 Euro" pro Opfer

Neben der Entschädigung, die in der Regel "bis zu einem Betrag in Höhe von 5.000 Euro" pro Opfer reichen soll, in Härtefällen aber auch deutlich höher liegen kann, will die Kirche außerdem noch die Kosten für Therapien übernehmen und Geld in einen Präventionsfonds einzahlen.



Damit kommen auf die katholische Kirche Summen zu, die vor allem für einige ärmere Bistümer und Ordensgemeinschaften schmerzhaft sein können. Aber Entwicklungen wie in den USA, wo einzelne Diözesen wegen Schadensersatzforderungen Bankrott anmelden mussten, sind wegen der Andersartigkeit des deutschen Rechtssystems nicht zu erwarten.



Bischof Ackermann: Anerkennung für das erlittene Leid

Ohnehin handelt es sich bei den nun beschlossenen Summen nicht um einklagbare Zahlungen. Es geht vielmehr um die vielen Fälle, in denen die Opfer aus Scham so lange geschwiegen haben, bis sie wegen Verjährung nicht mehr vor Gericht ziehen konnten. Die Kirche signalisiert mit der neuen Regelung, dass sie sich nicht hinter dem Schutzwall dieser Verjährung aus der Verantwortung stehlen will. Was sie mit den Zahlungen erreichen will, ist allerdings weder juristisch noch moralisch eindeutig zu fassen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, betont immer wieder, dass weder die Summe von 5.000 Euro noch das Geld für eine Therapie den angerichteten Schaden wieder gut machen könnten. Es gehe um eine "irgendwie geartete Anerkennung für das erlittene Leid" und nicht um ein "Freikaufen von der Schuld".



Entschädigungsdebatte: Vermintes Gelände

Mit der jetzt vorgestellten Lösung hat die Kirche einen Weg auf einem vielfach verminten Gelände beschritten. Auf der einen Seite stand die plakative Forderung von Opferverbänden, dass die Entschädigungssummen der Kirche "richtig weh tun" müsse.



Gleichzeitig galt es, die bei früheren Entschädigungs-Themen in Deutschland gefundenen Summen zu berücksichtigen. Menschen, die als Kinder oder Jugendliche sexuell missbraucht wurden, sollten nicht deutlich mehr Geld beantragen können als solche, die einst als Heimkinder über Jahre geprügelt wurden, oder jene, die im Zweiten Weltkrieg in kirchlichen Einrichtungen Zwangsarbeit verrichteten. Auch die von deutschen Gerichten entschiedenen Schadensersatzsummen für vergleichbare Fälle sexuellen Missbrauchs mussten im Auge behalten werden, um nicht das rechtsstaatliche Gefüge zu sprengen.



Langes Abwarten vs. schnelles Vorpreschen

Und schließlich gab es ein politisches Problem: Mal forderten Regierungsvertreter am Runden Tisch die katholische Kirche auf, endlich ein eigenes Konzept mit Zahlen vorzulegen, mal warnten sie die Kirche davor, die Sache im Alleingang zu regeln. Am Ende sah es so aus, als hätten die Bischöfe nur die Wahl zwischen zu langem Abwarten und zu schnellem Vorpreschen. Nachdem sie die Option des Handelns gewählt haben, sind nun andere Institutionen am Zug, in deren Reihen sich Ähnliches zugetragen hat.