Die Katholiken mussten für ihre Integration in den USA einen langen Weg zurücklegen

Vorbild für Muslime?

Beim Streit um das geplante islamische Kulturzentrum in New York City hat sich ein römisch-katholischer Geistlicher mit einem Rückblick auf lange vergangene - und gerne verdrängte - Ereignisse zu Wort gemeldet: Auch Katholiken seien früher in den mehrheitlich protestantischen USA heftig angefeindet worden.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Muslime hätten heute genauso wie seinerzeit Katholiken ein Recht auf ihre Gotteshäuser, betonte Kevin Madigan, Pfarrer der St. Petrus-Kirche in Manhattan unweit von Ground Zero. St. Petrus, gegründet 1785, ist die älteste römisch-katholische Kirche im Bundesstaat New York.



Der Protest gegen das von dem New Yorker Imam Feisal Abdul Rauf initiierte Zentrum habe Parallelen zum damaligen Angriff auf seine Kirche, sagte Madigan in der "New York Times". Heute schimpfen Gegner, das Zentrum liege zu Nahe bei Ground Zero, wo Selbstmordattentäter am 11. September 2001 Flugzeuge in das World Trade Center steuerten. Bei der Gründung von St. Petrus habe die Stadt durchgesetzt, dass die Kirche nicht im Zentrum gebaut wurde, sondern etwas außerhalb. Auch damals habe es Vorwürfe gegeben, demokratiefeindliche Ausländer finanzierten das Projekt.



In der Debatte um das islamische Kultur- und Gemeinschaftszentrum stehen Konservative wie die Ex-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin auf Seiten der Gegner. Baubefürworter bringen gerne vor, dass die in der US-Verfassung verbürgte Religionsfreiheit keine Diskriminierung erlaubt. Dieser Anspruch wurde allerdings nicht immer in die Realität umgesetzt.



Früher Zorn gegen Katholiken

Die Vereinigten Staaten wurden hauptsächlich von protestantischen Einwanderern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften besiedelt. Diese zeigten sich dann oft selbst intolerant. Es kam auch zu Gewalttätigkeiten, die die Hetze gegen die Ground-Zero-Moschee um ein vielfaches übertreffen. Der Zorn richtete sich besonders gegen Katholiken. Diese seien Anhänger des "papistischen" Irrglaubens, die sich dem Vatikan verschrieben hätten und nicht der amerikanischen Republik, hieß es.



An Weihnachten 1806 versammelte sich geschichtlichen Aufzeichnungen zufolge eine Meute um St. Petrus, um die damals im Protestantismus verpönte Weihnachtsfeier zu stören. Die Katholiken setzten sich zur Wehr. Bei den Schlägereien wurde ein Wachmann erstochen. In den 1830ern und 1840er Jahren kamen Einwanderungsströme bettelarmer irischer Katholiken in die USA. Sie wurden verspottet, diskriminiert und gleichzeitig gefürchtet von protestantischen Bürgern, die sie als ungehobelte und nicht anpassungswillige Ausländer betrachteten.



Im Streit um das Bibellesen in Schulen in der Ostküstenstadt Philadelphia wurden im Mai 1844 zwei katholische Schulen niedergebrannt. Der katholische Bischof von New York, John Hughes, setzte nicht auf die Gewaltlosigkeit der Bergpredigt. Er rief Gläubige zum Gewehr und schrieb hinterher in der Diözesanzeitung, "bis auf die Zähne bewaffnete Männer" hätten jede katholische Kirche in New York geschützt. Der befürchtete Ansturm blieb aus. Und Hughes bekräftigte seinen Auftrag, wie er ihn sah: nämlich den US-Präsidenten und alle Verantwortlichen zum katholischen Glauben zu bekehren.



Jahrhundert bis zur Gleichberechtigung

Es dauerte noch ein Jahrhundert bis zur Gleichberechtigung. So richtig angekommen im amerikanischen Mainstream sind die Katholiken erst 1960, als der Katholik John F. Kennedy zum Präsidenten gewählt wurde. Protestanten stellen heute weiterhin die Mehrheit, aber die römisch-katholische Kirche mit mehr als 60 Millionen Mitgliedern ist die größte Einzelkirche.



Zu den prominenten Katholiken zählen Vizepräsident Joe Biden und die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Die Historiker Scott Appleby und John McGreevy haben sich mit der langen Assimilierung befasst: Katholiken hätten ihre Institutionen zum Nutzen der ganzen Gesellschaft gebaut, sie hätten in Kriegen gekämpft und die römisch-katholische Kirche sei toleranter und offener geworden.



Zur muslimischen Präsenz in den USA heute ließen sich keine exakten Vergleiche ziehen, räumten die beiden Historiker kürzlich im "New York Review of Books" ein. Aber auch die Muslime bauten jetzt Institutionen, die allermeisten distanzierten sich von Extremisten und wollten ihren Patriotismus beweisen.



Die katholische Erfahrung zeige, dass man seine verfassungsmäßigen Rechte geltend machen müsse, erklärte Pfarrer Madigan, ein Augenzeuge der Zerstörung des World Trade Centers, mit Blick auf die Kontroverse um das islamische Zentrum. Die Planung für den Bau scheint fortzuschreiten. Imam Rauf stand laut Medienberichten zeitweilen unter Polizeischutz. Raufs Mitarbeiter haben Anfang Oktober erste Entwürfe vorgelegt. Modernistisch mit viel Glas. Der Gebetsraum wäre im Untergeschoss, eine Gedenkstätte für die Opfer von 9/11 im obersten Stockwerk.