Die Islamkonferenz im Schatten der Salafisten

Im Umspannwerk

Die übliche Pressekonferenz fiel diesmal aus. Bei der Deutschen Islamkonferenz trat Bundesinnenminister Friedrich nur kurz vor die Kameras. Offenbar wollte er ein Debakel wie im Vorjahr vermeiden, als sich alles nur um sein Diktum "Der Islam ist nicht Teil von Deutschland" drehte. Dabei konnte er diesmal durchaus Erfolge vorweisen.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Hierzu mag auch gehören, dass die von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) wiederholte Provokation diesmal beim Treffen der Vertreter des Staates und der vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime offenbar nicht verfing. Selbst Integrationsministerin Maria Böhmer (CDU) zeigte sich erstaunt und widersprach Kauder.



In das 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufene Dialogforum ist inzwischen geschäftige Normalität eingekehrt. Entsprechend flacht auch das mediale Interesse ab. So stand vor allem die Koran-Verteilaktion der radikalislamischen Salafisten im Mittelpunkt des Medieninteresses. Der Minister hatte sich erst in letzter Minute entschieden, die Aktivitäten der nach Aufmerksamkeit gierenden Gruppe in der Islamkonferenz zu thematisieren. Dabei wird auch eine Rolle gespielt haben, dass die Hoheit der CSU über das Thema Innere Sicherheit gewahrt bleibt.



Erklärung gegen häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung

"Wir sind uns alle einig, dass salafistischer Extremismus nicht akzeptabel ist und nicht in eine freie Gesellschaft passt, wie wir sie in Deutschland haben", so der CSU-Politiker. Dieser Aussage konnten sicherlich alle DIK-Mitglieder beipflichten. Ebenso der Feststellung: "Religion darf nicht für ideologische Machtansprüche missbraucht werden". Dennoch waren nicht alle glücklich, dass die Salafisten somit in der Berichterstattung über die Konferenz zu einem dominierenden Thema wurden.



Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, mahnte, diese Gruppe nicht überzubewerten. Auf die Frage nach einer Stellungnahme verwies er auf die Erklärungen der DIK gegen Islamismus und Extremismus von 2009 und 2011. Gewalt müsse durch den Rechtsstaat beantwortet werden. Die Verbandsvertreter fürchten, dass die öffentliche Aufwertung der Extremisten, Fortschritte bei der Integration des Islam zunichtemacht.



Zu diesen Fortschritten gehört die Erklärung gegen häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung. Ausdrücklich betonen die Muslime darin, "dass der Islam häusliche Gewalt und gegen den Willen eines Ehepartners zustande gekommene Ehen ablehnt". Ihr Ursprung liege "nicht in einer bestimmten Religion, sondern in bestimmten traditionell-patriarchalischen Strukturen". Die DIK rief dazu auf, "diese Praktiken über die schon bestehende Strafbarkeit hinaus nicht zu billigen und Gewalt zu ächten".



Pragmatischen Linie

Auf einen gemeinsamen Leitfaden für Rollenbilder und Rollenkonflikte im Islam konnte sich die zuständige Arbeitsgruppe allerdings noch nicht einigen. Er soll im kommenden Jahr veröffentlicht werden. Dennoch äußerten mehrere Teilnehmer übereinstimmend, dass ein sachliches und konstruktives Gespräch wie bei diesem Treffen zum Hauptthema "Geschlechtergerechtigkeit als gemeinsamen Wert leben" vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen sei.



Seitdem hat die DIK viele Grundfragen diskutiert, wie das Verhältnis zwischen Islam und Demokratie oder Fragen von Gewalt und Extremismus. Der frühere Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) hatte dann 2010 darauf gedrungen, zu praktischen Folgerungen zu kommen. Dazu gehört etwa die Ausbildung von Imamen oder der Religionsunterricht an staatlichen Schulen.



Friedrich folgt dieser pragmatischen Linie. Die Integration muss nach seinen Worten "vor Ort, in den Gemeinden und Kommunen stattfinden", bekräftigte er am Donnerstag im "Umspannwerk" in Berlin-Kreuzberg - kein zufälliger Ort. Denn die Arbeitsgruppen der DIK bieten Impulse, die Arbeit findet aber inzwischen auf der Ebene der Länder und Kommunen statt. So macht die Islamkonferenz in ihrem bisherigen Format inzwischen einen etwas ausgezehrten Eindruck. Vielleicht wird sie Opfer ihres eigenen Erfolgs. Das wäre nicht das schlechteste Ergebnis.