Die Gotik beeinflusst die Architektur bis heute

"Den Blick auf den Dom nicht verdecken!"

Seit 700 Jahren prägt der Gotische Chor des Kölner Domes die Stadt. Auch der Gebäudekomplex von Philharmonie und Museum Ludwig wurde davon inspiriert. Architekt Peter Busmann erzählt, wie er Elemente des Domes für den Neubau aufgriff.

Autor/in:
Mathias Peter
Kölner Philharmonie vor dem Kölner Dom / © manfredxy (shutterstock)
Kölner Philharmonie vor dem Kölner Dom / © manfredxy ( shutterstock )

Fast wäre es zum heutigen Bau, der 1986 eingeweiht wurde, gar nicht gekommen, erzählt Peter Busmann. Mit seinem Architekturpartner Godfrid Haberer zögerte er lange, ob sie beim Wettbewerb für den Neubau an der Ostseite des Domes überhaupt mitmachten sollten: "Wir hatten viel zu viel Respekt und Ehrfurcht vor der Aufgabe", erzählt der mittlerweile fast 90jährige Architekt. Erst anderthalb Wochen vor Bewerbungsschluss entschieden sie sich, einen Entwurf einzureichen - und gewannen den ersten Platz!

Dabei hatten sie bei ihrem Entwurf vor allem ein Ziel:  "Wir meinten, was auch immer an Gebäuden dort gebaut werden soll: Der Blick auf diesen herrlichen Domchor vom Rhein, von da, wo früher immer die Pilger zum Dom hochgekommen sind, der muss erhalten bleiben."

Doch das war gar nicht so leicht, zwei Museen und die ursprünglich angedachte Mehrzweckhallte in einem Komplex zwischen Rhein und Dom zu vereinen, der dann nicht die Kathedrale verdeckt.

Blick auf Museum Ludwig und Philharmonie mit Gotischem Hochchor / © Claudio Divizia (shutterstock)
Blick auf Museum Ludwig und Philharmonie mit Gotischem Hochchor / © Claudio Divizia ( shutterstock )

Um ihr Ziel zu erreichen, fand das Architekturbüro eine nahezu perfekte Lösung: das Gebäude wurde in zwei oberirdische und einen unterirdischen Teil geteilt, der spätere Konzertsaal der Philharmonie wurde in den Domhügel hineingebaut. Die Oberfläche, das Dach, wurde zum Heinrich-Böll-Platz, der den Blick auf den Dom von der Rheinseite her offenlässt.

Die gebogenen Dächer, die fast schon kleinteiligen Elemente des großen Gebäudekomplexes – die Anleihen beim Gotischen Chor mit seinen großen Fenstern und dem Strebewerk fallen dem Betrachter beim Blick von unten vom Rhein hoch zum Dom vielleicht nicht sofort ins Auge – doch ohne Dom würde der Komplex nicht funktionieren: "Ohne den Dom wäre unser Konzept undenkbar. Das ist nur denkbar zusammen mit dem Dom. Und wir haben das auch so entworfen, dass es als Gesamtwerk wirkt und nicht irgendein Gebäude neben dem Dom ist, sondern mit dem Dom zusammen." 

 © Alexander Foxius (DR)
© Alexander Foxius ( DR )

Schon als Kind faszinierte Peter Busmann der Gotische Chor des Domes, vor allem das mittelalterliche Bibelfenster in der Stephanuskapelle spricht ihn an, weil in dessen Licht der bekannte und von Busmann sehr geschätzte Mystiker Meister Eckhart vor etwa 700 Jahren in Köln predigte. Zu der Zeit befand sich das Fenster noch in der damaligen Dominikanerkirche, in der der Mystiker wirkte.

Doch nicht nur die Gotischen Formen sind in den Gebäudekomplex eingeflossen. An der Ostseite des Gotischen Chores Richtung Rhein stand früher die romanische Kirche St. Maria ad Gradus, Maria zu den Stufen heißt das übersetzt. Sie wurde so genannt, "weil links und rechts von dieser Kirche gingen Stufen hoch, und über diese Stufen sind dann die Pilger vom Rhein zum Dom gelaufen, immer mit dem Blick auf den Chor", erzählt Busmann, der bis heute als Architekt aktiv ist. Der Dom mit den Reliquien der Heiligen Drei Könige war das Ziel der zahlreichen Pilger.

Von unten bleibt der Blick frei hoch zum Dom / © All a Shutter (shutterstock)
Von unten bleibt der Blick frei hoch zum Dom / © All a Shutter ( shutterstock )

Dass die Pilger dafür Stufen hochsteigen mussten, findet sich heute im Gebäudekomplex. "Die Stufen haben uns für die formale Gestaltung inspiriert", überall finde man Stufen, auch im Museum Ludwig und der Philharmonie, erzählt Busmann. "Selbst wenn Sie zum Beispiel das Foyer in der Philharmonie begehen und gucken zur Decke, da sehen Sie lauter Stufen."

Die Faszination von Gotischen Räumen hat den zwischen Bonn und Köln lebenden Architekten nie verlassen. Für das Domjubiläum hat sich nun eine besondere Konstellation ergeben. Der Komponist Helge Burggrabe hat für den 700. Jahrestag extra ein Oratorium über die Heiligen Drei Könige geschrieben, das kurz vor der Uraufführung im Dom steht und die Geschichte der Weisen aus dem Morgenland und ihre Suche nach Gott erzählt.

Blick in das Atelier von Helge Burggrabe mit Glaskunst und harmonikaler Architektur  / © Jannick Mayntz (privat)
Blick in das Atelier von Helge Burggrabe mit Glaskunst und harmonikaler Architektur / © Jannick Mayntz ( privat )

Komponiert hat Burggrabe das Werk für Sprecher, Solisten, Chor und Orchester in seinem neu gestalteten Atelier – das von Peter Busmann geplant und gebaut wurde. "Bei diesem Atelier war der Ansatz, das gotische Raumerleben aus harmonikaler Architektur und Glaskunst in die heutige Zeit zu übertragen in Form eines kleinen Gebäudes", erklärt Burggrabe. Busmann plante, der Glaskünstler Udo Zembok fügte entsprechende Elemente hinzu.

Man sieht in dem Raum gebogene Balken, die Proportionen des Raumes haben eine besondere Wirkung auf die Menschen, wenn sie ihn betreten, erklärt Busmann. So sei das generell in Gotischen Räumen wie dem Hochchor im Kölner Dom oder der gotischen Kathedrale im französischen Chartres, wo sich der Architekt und der Komponist kennenlernten und seitdem befreundet sind. 

Helge Burggrabe im Gespräch mit Peter Busmann / © Jannick Mayntz (privat)
Helge Burggrabe im Gespräch mit Peter Busmann / © Jannick Mayntz ( privat )

"Die Leute hören unwillkürlich auf zu reden, wenn sie den Raum betreten", erklärt Busmann die Wirkung dieser besonderen Architektur. Neben den Proportionen spielt das Licht eine entscheidende Rolle, auch im Gotischen Chor des Kölner Domes: "Das Wichtigste überhaupt ist das Licht, das in diesem Raum durch die Fenster herrscht!"

Und schmunzelnd fügt Busmann hinzu: "Licht ist ja das wichtigste Baumaterial des Architekten. Das steht ihm kostenlos zur Verfügung und nur in dem virtuosen Umgang mit diesem himmlischen Geschenk kann überhaupt wirklich gute Architektur entstehen."

Ein Werk, extra für das Jubiläum des Gotischen Chores des Domes geschrieben, komponiert in einem Atelier, das von gotischen Architekturelementen geprägt ist – klar, dass sich Peter Busmann die Uraufführung nicht entgehen lassen will. Zumal das für ihn auch wieder eine gute Gelegenheit ist, in den Kölner Dom zu kommen und diesen besonderen Raum erneut zu erleben.

INFO: DOMRADIO.DE überträgt die Uraufführung des Dreikönigsoratorium von Helge Burggrabe durch die Kölner Dommusik und das Kölner Kammerorchester am Donnerstag, 15.09.2022, ab 20 Uhr in Ton und Bild im Web-TV, auf Facebook und Youtube.

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Uraufführung eines Auftragswerks zum Kölner Domjubiläum

Das neu geschaffene Oratorium ist eine Hommage an den Kölner Dom und erzählt von der sagenumwobenen Wanderung der Heiligen Drei Könige nach Bethlehem zur Geburt Jesu und der Rückkehr in ihre Heimat. Dafür verknüpfte der Komponist Helge Burggrabe Bibelstellen mit poetischen Texten und vertonte sie zu einer bildreichen Musik für Solisten, Chöre und Orchester.

Der Dreikönigsschrein ganz nah: die Schädel der Heiligen Drei Könige / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Der Dreikönigsschrein ganz nah: die Schädel der Heiligen Drei Könige / © Rolf Vennenbernd ( dpa )
Quelle:
DR