Die Gesundheitspolitik und die Parteien vor der Wahl

Wer kuriert den Patienten Gesundheitswesen?

Wer kuriert den Patienten Gesundheitswesen? Dass die alternde Gesellschaft steigende Kosten verursacht und neue Strukturen erfordert, bezweifelt niemand. Auch der medizinische Fortschritt dürfte die Kosten in die Höhe treiben.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Die Zukunft des Gesundheitswesens ist einer der wenigen klar abgegrenzten Streitpunkte zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün vor der Bundestagswahl. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück spricht von einem Top-Thema und will mit Gerechtigkeit punkten. Dazu kommt, dass das Gesundheitswesen ein riesiger Wirtschaftsfaktor ist: Bei 300 Milliarden Euro lagen die Ausgaben für Gesundheit 2011. Das entspricht 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Einheitliche "Bürgerversicherung" gegen Festhalten am zweigliedrigen System von privater und gesetzlicher Krankenversicherung, so lautet die zentrale Alternative im Streit der Lager. Und während Union und FDP mehr Elemente von Eigenverantwortung einführen wollen, setzen SPD, Grüne und die Linke auf den Sozialstaat.

Bislang sind neun Millionen Bundesbürger privat versichert, rund 70 Millionen werden von einer gesetzlichen Kasse versorgt. Union und FDP, die in diesem Jahr die Praxisgebühr abgeschafft haben, wollen an diesem Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenkassen festhalten und kritisieren die Bürgerversicherung als "Einheitsversicherung".

Mit Blick auf die zuletzt gewaltigen Überschüsse fordert die Union, dass Krankenkassen, deren Rücklagen die gesetzliche Mindestreserve um ein Mehrfaches übersteigen, zur Prämienrückerstattung an ihre Mitglieder verpflichtet werden. Die FDP sieht sich als Verfechterin eines freiheitlichen Gesundheitssystems, das auch starke private Krankenversicherungen kennt. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung will die FDP das Kostenerstattungsprinzip einführen. Danach erhalten Patienten wie bei einer privaten Versicherung eine Arztrechnung, die sie zunächst selbst bezahlen.

Die Idee der Bürgerversicherung

Außerdem möchten die Liberalen eine stärkere Abkopplung der Krankenversicherungsbeiträge von Löhnen und Gehältern. Alle künftigen Ausgabensteigerungen sollen über lohnunabhängige Beiträge oder Zusatzprämien finanziert werden. Steuermittel sollen denjenigen helfen, die ihre Beiträge nicht bezahlen könnten.

Dem steht die "Bürgerversicherung" gegenüber. Das von SPD, Grünen und der Linkspartei befürwortete Konzept soll laut Wahlprogrammen die "Zweiklassenmedizin" beenden. Alle Bürger zahlen dabei einen einkommensabhängigen Anteil ihres Gehaltes ein. Die Arbeitgeber sollen wieder genau die Hälfte der Kosten übernehmen.

Die Pläne der SPD sehen auf lange Sicht ein Ende der privaten Vollversicherung vor, da neue Versicherte automatisch in die Bürgerversicherung integriert werden. Noch-Privatversicherte sollen allerdings zunächst die Wahl haben, ob sie wechseln wollen. Die Sozialdemokraten wollen zudem eine stärkere Finanzierung durch Steuern.

Grüne und Linke gehen über dieses Konzept hinaus. Sie fordern die Einbeziehung aller Arten von Einkommen, also auch von Kapitalerträgen und Mieten. Auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige sollen Mitglied der Bürgerversicherung werden. Während die Grünen die private Versicherung erhalten wollen, wenn sie den Leistungsumfang der gesetzlichen Bürgerversicherung garantiert, will die Linke die private Krankenversicherung ganz abschaffen.

Ein weiteres drängendes Problem ist der sich abzeichnende Mangel von Ärzten in ländlichen Gebieten. Die Union will deshalb die Attraktivität der Gesundheitsberufe steigern. Um die Versorgung in dünn besiedelten Gebieten sicherzustellen, soll die Telemedizin ausgebaut werden. Die SPD will, besonders in strukturschwachen Gebieten, die flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung sowie die Vernetzung zwischen verschiedenen Gesundheitsberufen stärken.

Auch die Grünen wollen das Berufsbild und die Bezahlung für Pflege und Hausärzte aufwerten. So soll die Zusammenarbeit der Krankenhäuser untereinander sowie mit den ambulanten Strukturen vor Ort verbessert werden. Geplant ist ein einheitliches Vergütungssystem für alle fachärztlichen Leistungen.


Streikrecht auch für Ärzte? (dpa)
Streikrecht auch für Ärzte? / ( dpa )
Quelle:
KNA