Weihbischof Bentz warnt vor Gewöhnung an den Nahostkonflikt

"Die Dinge deutlicher beim Namen nennen"

Der Mainzer Weihbischof Udo Bentz sieht "eine gewisse Enthemmung" Israels bei der Siedlungspolitik. Der Weihbischof nahm in den vergangenen Tagen am internationalen Bischofstreffen im Heiligen Land teil.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Udo Markus Bentz, Weihbischof in Mainz / © Harald Oppitz (KNA)
Udo Markus Bentz, Weihbischof in Mainz / © Harald Oppitz ( KNA )

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Weihbischof, junge Christen standen im Fokus des Bischofsbesuchs im Heiligen Land. Was haben Sie vor Ort erlebt?

Udo Bentz (Weihbischof in Mainz, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz): Bei der Begegnung mit Jugendlichen in Gaza konnten wir sehen, dass dieses "Internationale Bischofstreffen zur Solidarität mit den Christen im Heiligen Land" konkrete Früchte trägt.

Bei einem Besuch vor zwei Jahren sagten die Jugendlichen, sie sähen ihre Perspektive außerhalb des Landes. Aufgrund dieses Treffens gab es die Initiative zum Aufbau des Thomas von Aquin-Zentrums, in dem Jugendliche qualifiziert werden, in dem neben fachlichen Kompetenzen ihr Selbstvertrauen und ihre Persönlichkeit gestärkt und sie auf die Übernahme von Verantwortung vorbereitet werden. Die Leistungen dieses Zentrums, das von Deutschland mitfinanziert wird, sind beeindruckend.

KNA: Aber?

Bentz: Was geschieht danach? Welche Gelegenheit haben die Jugendlichen, das umzusetzen, was sie sich angeeignet haben? Viele Jugendliche sehen kaum Chancen, ordentliche Berufe zu finden und ein nachhaltiges, gesichertes Einkommen zu haben. Es braucht diese Qualifizierungsprogramme, aber es braucht auch langfristige Perspektiven für junge Menschen.

KNA: Eine neue Studie zeigt auch eine große Unzufriedenheit junger Christen in Jerusalem mit der Kirche, namentlich mit ihren Möglichkeiten zur Partizipation. Können die Bischöfe hier Anregungen geben?

Bentz: Bei allen ortsspezifischen Aspekten gibt es grundsätzliche Themen, die alle Ortskirchen betreffen: Wie nah ist die Kirche an den Lebensthemen der Jugendlichen dran? Die Jugendstudie zeigt einen deutlichen Wunsch der jungen Menschen, beteiligt zu werden an dem, was die Kirche für sie tut. Das Thema Teilhabe ist auch bei uns wichtig. Hier können wir etwa aus den Erfahrungen der Jugendpastoral in den deutschen Bistümern viel Unterstützung leisten.

KNA: Konkret?

Bentz: Ich könnte mir Begegnungs- und Austauschprogramme mit Jugendlichen vorstellen, die in der Jugendpastoral engagiert sind, um von den gegenseitigen Erfahrungen zu lernen und Jugendlichen hier zu zeigen, wie man sich organisieren kann. Solche Programme sind sehr wichtig. Die Studie weist zudem auf den Wert der Freiwilligenarbeit. Auch da können Begegnungen geschaffen werden mit deutschen Freiwilligen, um sich in der Lebenssituation auszutauschen und voneinander zu lernen.

KNA: Zu dieser Lebenssituation im Heiligen Land gehört der ungelöste Konflikt, dessen Auswirkungen ein weiterer Schwerpunkt des Treffens waren. Welche Erkenntnisse gab es hier?

Bentz: Man spürt, wie sehr diese Siedlungs- und Separationsstrategie auf verschiedenen Ebenen abläuft. Sie ist sehr viel komplexer als "nur" der Bau von Wohnungen. Der Eindruck entsteht, dass es durch eine veränderte Politik der USA eine gewisse Enthemmung in der Dynamik des Abtrennens geschaffen hat.

Es heißt immer, es werden schleichend Fakten geschaffen, aber dies geschieht längst nicht mehr schleichend, sondern immer offensiver und lässt uns hinter bereits Erreichtes zurückfallen. Die Gefahr ist zudem, dass man sich über die langen Jahre des Konflikts daran immer mehr gewöhnt hat.

KNA: Oft wird in diesem Zusammenhang das Argument der Sicherheit gebracht.

Bentz: Beide Seiten haben dieses Bedürfnis nach Sicherheit. Sie wird aber nur dort möglich, wo alles unterlassen wird, was die Spannungen verschärft und alles getan wird, was Vertrauen schafft und die Würde der Menschen achtet. Mauern und Sicherheitskräfte wollen Stärke demonstrieren, sind aber letztlich ein Zeichen von Hilfslosigkeit. Schikanen am Checkpoint, Einschränkungen bei Reiseerlaubnissen und andere derartige Maßnahmen schaffen weder Sicherheit noch Frieden, sondern verschärfen die Situation, das Misstrauen, die Spannungen.

Sehr froh bin ich daher, dass Deutschland erst vor kurzem erneut und sehr deutlich die Siedlungspolitik kritisiert hat. Unsere Gesprächspartner haben wiederholt diese deutlichen Stimmen vor allem aus Europa gefordert.

KNA: Haben sich die Bischöfe davon in ihrer Abschlussbotschaft inspirieren lassen?

Bentz: Ein Grundanliegen unseres Treffens war, die Dinge deutlicher beim Namen zu nennen. Reine Appelle gab es in den vergangenen Jahren immer wieder.

KNA: Wo sehen Sie die Rolle der Kirche?

Bentz: An Orten, an denen keiner mehr sein will und an denen es schwierig wird, muss Kirche bleiben, weil Menschen zurückbleiben, die keine Chancen haben und um die sich keiner kümmert. Das passiert hier etwa in Gaza, aber auch in Bethanien. Da wird diese Mauer über das Gelände des Kindergartens der Comboni-Schwestern gebaut und zerreißt gewachsene Strukturen. Und die Schwestern gehen nicht weg, im Gegenteil: Sie erkennen eine neue Berufung, die eine der Schwestern so formulierte: Wir müssen auf beiden Seiten der Mauer leben und einen Raum der Hoffnung schaffen. Das Wort sitzt und das nehme ich mit, weil es gedeckt ist durch das, was ich erlebt habe.


Quelle:
KNA