Die Debatte um Afghanistan bleibt vielstimmig

Rückendeckung und deutliche Kritik

Auch in der dritten Woche nach der Afghanistan-Predigt von Margot Käßmann geht die Debatte über den Bundeswehr-Einsatz weiter. Der Fokus verlagert sich von der politischen auf die inner- beziehungsweise zwischenkirchliche Ebene. Die Argumentation ist dabei nicht weniger vielstimmig als in der Politik.

Autor/in:
Norbert Zonker
 (DR)

Am Wochenende meldete sich erstmals der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zu Wort. Der Freiburger Erzbischof forderte in der "Frankfurter Rundschau" eine Neubewertung der Lage am Hindukusch und "neue Entscheidungen". "Heute müssen wir eine bittere Bilanz ziehen", betonte Zollitsch. In weiten Teilen Afghanistans herrschten kriegsähnliche Zustände. Die katholische Kirche vertrete in der Debatte eine "ebenso realistische wie gewaltkritische Perspektive".

Der rheinische Präses und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sah in dieser Äußerung das "erwartete Wort der Solidarität" mit Käßmann. Auch der Präsident der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen, forderte die Bundesregierung zu einem Kurswechsel in der Afghanistanpolitik auf. "Gerade wer den deutschen Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan den Rücken stärken will, muss den Mut zur Wahrheit haben und das Scheitern des bisherigen Afghanistan-Einsatzes offen benennen", so Algermissen.

Dagegen meinte der Hamburger katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke in einem Interview, er wolle "nicht von der Kanzel hören, in welche Richtung die Entscheidung über den Afghanistan-Einsatz gehen soll". Das geistliche Amt solle sich nicht in den tagespolitischen Kampf einmischen. Im Konkreten plädierte Jaschke für Zurückhaltung.

Meisner: Verteidigung unser aller Freiheit
Auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner ging auf Distanz zu Käßmann und kritisierte den Satz aus ihrer Predigt: "Nichts ist gut in Afghanistan". In Afghanistan gehe es nicht um einen Angriffskrieg der Bundeswehr, sondern "um die Verteidigung unser aller Freiheit", betonte der Kardinal.

In der evangelischen Kirche überwog bisher neben einzelnen kritischen Stimmen etwa des Berliner Theologen Richard Schröder oder des Vizepräses der EKD-Synode, des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günter Beckstein (CSU), die Unterstützung für Käßmann. Andere Positionen wurden vor allem aus der evangelischen Militärseelsorge laut. So griff Militärdekan Karsten Wächter die Ratsvorsitzende in einem öffentlich gewordenen Brief scharf an. So hielt er der Bischöfin vor, sie polarisiere auf Kosten der Soldaten zwischen militärischen und zivilen Optionen. Der evangelische Militärdekan in Masar-i-Sharif, Hartwig von Schubert, warf Käßmann vor, die Soldaten mit ihren Worten verletzt und ihnen die Solidarität aufgekündigt zu haben.

"Innerkirchliche Diskussion muss sein"
Die evangelische Militärseelsorge kritisierte ihrerseits die Veröffentlichung des "privaten" Briefes an Käßmann. Auch Präses Schneider nannte die Veröffentlichung "stillos". Er betonte zugleich: "Innerkirchliche Diskussion muss sein, auch mit der Militärseelsorge, aber in dieser Art ist sie der nötigen Debatte abträglich." Schubert selbst verteidigte in einem KNA-Interview den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan, wollte aber seine Kritik an Käßmann so nicht wiederholen.

Käßmann selbst beklagte am Sonntag in Berlin "massive" persönliche Angriffe. Zugleich bekräftigte die Bischöfin, sie würde ihre Neujahrspredigt "genauso wieder halten". Bis zu 95 Prozent der Briefe und Mails, die sie erreichten, hätten ihrer Kritik zugestimmt oder ihr sogar dafür gedankt.

Rückendeckung erhielt die Ratsvorsitzende am Montag aus Leipzig:
Erstmals seit vielen Monaten befasste sich ein Friedensgebet in der Nikolaikirche mit dem "Kriegseinsatz" in Afghanistan. Dabei gehe es um ein "deutliches Zeichen der Solidarität" mit Käßmann, erklärte die "Stiftung Friedliche Revolution".