Die Christbaumkunst des Johann Wanner

"Dann beginnt der Baum zu sprechen"

Kugeln, Kunst und Kitsch liegen in Johann Wanners Weihnachtswelt ganz dicht beieinander: klassischer Silberschmuck und trendig gepunktete Kugeln, mundgeblasene Christbaumspitzen aus feinem Glas oder brüllende Gorillas und grüne Gurken gegen "Langeweile am Weihnachtsbaum". Wanner ist einer der führenden Designer und Händler für handgefertigten Christbaumschmuck.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

«95 Prozent ist heute billige Massenware; bei den verbleibenden 5 Prozent handgearbeiteten Schmucks aber sind wir Weltmarktführer», sagt der 70-Jährige Wanner.

Seine beiden Weihnachtsgeschäfte im Herzen der lichtergeschmückten Basler Altstadt tragen nur einen kleinen Teil zum Umsatz des weihnachtlichen Trendsetters bei. Geld verdient Wanner vor allem als Zwischenhändler sowie durch Dekorationsaufträge für Hotels, Veranstaltungen oder prominent-betuchte Kunden. Zur aktuellen Promi-Kundenliste schweigt er diskret; Wanner hängte aber etwa schon im Vatikan und im Weißen Haus Kugeln an den Baum.

Die Trendfarben der aktuellen Saison sind für Wanner - inspiriert von der Damenmode - vor allem Violett- und Fliedertöne sowie ein zartes Hellblau. Verkaufsrenner sind auch die «Pettycoat-Kugeln», weiß gepunktete Baumobjekte, die Farben und Dekor aus den 1960er Jahren aufgreifen. «Die meisten sehnen sich doch irgendwie nach dem Baum ihrer Kindheit. Damit spielen wir hier.»

Seit über 30 Jahren im Geschäft
Seit mehr als 30 Jahren ist Wanner der Weihnacht verfallen. Damals begann er, als Antiquitätenhändler historischen Baumschmuck zu suchen und zu verkaufen. Nach und nach entstanden Kontakte zu den wenigen verbliebenen traditionellen Herstellern. «Glasschmuck für den Baum ist vor allem ein altes deutsches Handwerk. Also fuhr ich in die DDR und besuchte die kleinen Produktionsstätten. Oft wurden die Kugeln in Hausarbeit hergestellt», erinnert sich Wanner, der für sich in Anspruch nimmt, das alte Handwerk vor dem Aussterben gerettet zu haben, indem er den Produzenten neue Absatzmärkte eröffnete.

Wanners Kunst bestand darin, alte Techniken und handgefertigte Qualität mit neuen Designs zu verbinden. Dass Weihnachten heute ein großes Geschäft ist, stört ihn nicht. Deshalb gibt es auch fertig dekorierte Komplettkunstbäume in seinem Angebot, die er - so es der Kunde wünscht - weltweit per Kurier verschickt. Ein solcher Baum kostet mindestens 500 Euro - nach oben gibt es keine Grenze.

Auf den Baum einlassen
«Allerdings ist ein fertig gelieferter Baum nur die zweitbeste Lösung», findet Wanner. «Besser ist es doch, wenn ich mich auf meinen Baum und den im Lauf der Jahre gesammelten Weihnachtsschmuck einlasse. Dann beginnt der Baum zu erzählen. Für mich ist das alljährliche Dekorieren des Christbaums ein spirituelles Erlebnis, bei dem ich mich bei einem Glas Wein und klassischer Musik an meine Kindheit erinnere.»

Nach der trubeligen Hauptgeschäftszeit im Advent und nach stilvoll verbrachter Weihnacht will Wanner zur Erholung nach Davos fahren, wie seine Frau verrät. «Er ist ein sehr passabler Eistänzer.» Dann aber beginnen schon die Planungen der Kollektion des nächsten Jahres. Wohin geht die Damenmode? Welche Trends zeichnen sich im Bereich Tischdekoration ab?

Wanners Geheimtipp
«Ich arbeite mit einem weltweiten Netzwerk von Designern, Trendscouts und Herstellern zusammen, damit wir keine Flops, sondern erfolgreich Trends produzieren», sagt Wanner. «Glanz, Pfeffer, Wärme» seien für neue Kreationen unverzichtbar. Wichtige Hinweise holt sich Wanner auch von den staunenden Betrachtern seines eigenen Schaufensters. «Ich zähle immer, bei welchen Sachen es die meisten Kindernasen-Abdrücke gibt. Denn Kinder haben einen untrüglichen, ehrlichen Geschmack.»

Wanners Geheimtipp für den edel-eleganten Baum sind alle Jahre wieder schwarze oder dunkelbraune Glasobjekte. «Schwarze Kugeln wirken wie matte schwarze Spiegel, die jedes Licht des Raums einfangen.» Als Antwort auf die Wirtschaftskrise will Wanner einen so schwarz dekorierten Baum nicht verstanden wissen. Hier kommt eher seine Kreation «Die neue Bescheidenheit» ins Spiel: einfache Glaskugeln, Strohsterne und halbe Äpfel, die mit Selbstgebasteltem ergänzt werden sollen.