Westfälische Ordensfrau ist Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz

Die "Chefin der Bischöfe"

Schwester Anna Mirijam Kaschner ist Generalsekretärin der "nordischen" Bischöfe. Sie verwaltet die Geschäfte der Katholiken in Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island. Also dort, wo es "mehr Eisbären als Katholiken" gibt. 

Sr. Anna Mirijam Kaschner cps / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Sr. Anna Mirijam Kaschner cps / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

DOMRADIO.DE: Sie sind evangelisch geboren, in Westfalen aufgewachsen und leben heute in Kopenhagen als Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz. Einfach ausgedrückt: Sie sind die "Chefin" der Bischöfe von Skandinavien, Finnland und Island. Kann man das so sagen?

Sr. Anna Mirijam Kaschner CPS (Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz): Zumindest sagen das meine Bischöfe immer sehr gerne. (lacht). Gerade auf den Bischofskonferenzen erlebe ich es oft, dass einer der Bischöfe kommt und fragt: "Schwester Anna Mirijam, was müssen wir jetzt machen?" Von daher ist da ein bisschen was dran. Ich bin dabei ein wenig in einer Sonderposition. Es gibt weltweit nur drei Frauen, die dieses Amt innehaben. Eine Mitschwester von mir in Südafrika, und eine Frau bei der holländischen Bischofskonferenz. Insofern stimmt das. Es ist etwas Besonderes, macht aber auch riesig Spaß.

DOMRADIO.DE: Die große Frage: Wie kommt das? Wie kommt man als evangelisch geborene Ordensschwester nach Skandinavien?

Sr. Anna Mirijam: Ich bin auf ein katholisches Gymnasium gegangen, in meiner Heimatstadt Werl. Dort habe ich die katholische Kirche kennengelernt, und auch die ersten Ordensschwestern. Mit 16 oder 17 Jahren habe ich das erste Mal mit dem Gedanken gespielt, selbst in eine Gemeinschaft einzutreten. Auch mit aller Abwehr und allem Erschrecken, dass einem dann begegnet. Den Gedanken habe ich dann sechs oder sieben Jahre mit mir getragen. Nach einem Jahresaufenthalt als "Missionarin auf Zeit" in Simbabwe habe ich mich dann entschieden, in eine Ordensgemeinschaft einzutreten. Das war der größte Schritt in meinem Leben. Dann bin ich nach der Ausbildung einige Jahre im Sauerland tätig gewesen, in der Gemeindearbeit. Dann kam meine Provinzoberin, und fragte mich eines Tages, ob ich mir vorstellen könnte, nach Dänemark zu gehen.

DOMRADIO.DE: Aber das erst einmal in der Gemeindearbeit, nicht in Leitungsfunktion?

Sr. Anna Mirijam: Genau. Wir haben dort eine internationale Gemeinschaft aufgebaut, zusammen mit fünf Mitschwestern aus Österreich, die bereits dort waren. Mit vier Schwestern aus Tansania, Simbabwe, Korea, und mit mir, sind wir dann dazu gekommen.

DOMRADIO.DE: Heute sind sie Generalsekretärin, Pressesprecherin und leisten die ganze Organisationsarbeit. Das alles auch nur als halbe Stelle, nebenher betreuen Sie einen Kurs für Taufbewerber und Konvertiten. Wie sind sie an diese ungewöhnliche Position gekommen?

Sr. Anna Mirijam: Ich bin erst mal langsam in die kirchliche Arbeit in Dänemark hineingewachsen. Das hat auch ein oder zwei Jahre gedauert. Eines Tages kam der Bischof in mein Büro, Schloss die Tür hinter sich, und sagte: "Schwester Anna Mirijam, ich habe eine Frage." Er sagte mir dann, dass die derzeitige Sekretärin der Bischofskonferenz mit ihrer Ordensgemeinschaft Schweden verlassen würde, wo damals das Generalsekretariat ansässig war. Sie suchten eine Nachfolgerin und fragten, ob ich mir vorstellen könnte, das zu machen. Ich habe dann relativ schnell ja gesagt, das mit meinen Vorgesetzten abgesprochen und dann im Jahr 2008 die erste Bischofskonferenz miterlebt. Ein Jahr später, 2009, hat der damalige Generalsekretär, Bischof Georg Müller aus Trondheim, seinen Rücktritt verkündet. Eine eher unschöne Geschichte. Dann war die Frage. Was machen wir jetzt? Die Bischöfe haben dann einstimmig beschlossen: Wir wollen Schwester Anna Mirijam als Generalsekretärin haben. So bin ich in dieses Amt reingekommen. Ein Jahr später, 2010, kam dann noch die Ernennung zur Pressesprecherin. Und nebenher betreue ich eben noch mit den anderen 50 Prozent meiner Stelle einen Kurs für Taufbewerber.

DOMRADIO.DE: Wie gehen denn Sie denn mit den Bischöfen um – und die Bischöfe mit Ihnen? Muss man da auch mal auf den Tisch hauen? Wie kommt man da an als Ordensschwester?

Sr. Anna Mirijam: (Lacht) Nein, auf den Tisch hauen, glaube ich nicht. Ich erlebe unsere Bischöfe als sehr einfache Menschen. Dieses "Amtsgehabe", das den Bischöfen manchmal nachgesagt wird, kenne ich überhaupt nicht von uns. Skandinavien erinnert mich da mehr an die Situation, die ich in Simbabwe erlebt habe. Es gibt eine große Einfachheit. Keiner unserer Bischöfe hat beispielsweise einen eigenen Fahrer angestellt. Das sind meist Menschen, die sowieso im Bistum arbeiten. Und diesen Job dann noch nebenbei übernehmen. Der Bischof von Kopenhagen kommt bei gutem Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit. Das sind ganz andere Verhältnisse. Die Katholikenzahl ist so gering, dass der Bischof auch alle Gläubigen kennt in seinem Bistum, mehr oder weniger. Wenn man ihm auf der Straße begegnet, sagt er: "Komm, wir gehen Kaffee trinken." Das ist ganz normal bei uns. Von daher: Nein, auf den Tisch hauen, nicht. Ich mische mich aber durchaus in Diskussionen ein, bei den Versammlungen der Bischöfe. Wenn es Hirtenbriefe von 30 Seiten gibt, dann komme ich von der Basis und sage: Liebe Bischöfe, das wird kein Mensch lesen. Lassen Sie uns das ein bisschen herunterbrechen auf ein oder zwei Seiten, und dann haben Sie auch die Chance, dass das bei den Gläubigen ankommt. 

DOMRADIO.DE: Die Definition im Lexikon sagt: Ein Generalsekretär ist "Verwaltungschef einer größeren Organisation." Trifft das bei Ihnen zu? Wie genau sieht ihr Alltag aus in dieser Funktion?

Sr. Anna Mirijam: Beim Begriff "größere Organisation" muss ich leider passen. Wir sind zwar flächenmäßig eine der größten Bischofskonferenzen der Welt, da auch Grönland zu unserem Bereich gehört, dort gibt es aber wohl doch mehr Eisbären als Katholiken. Es gibt dort genau eine Gemeinde mit rund fünfzig Katholiken. Wir sind allgemein im Norden in einer extremen Diaspora-Situation, mit sehr wenigen Katholiken. Das schlägt sich auch in unserer Bischofskonferenz nieder. Wir haben fünf Bistümer und sechs Bischöfe.

DOMRADIO.DE: Pro Land ein Bistum also?

Sr. Anna Mirijam: Das kann man ungefähr sagen, außer Norwegen. Da haben wir ein Bistum und zwei Prälaturen. Eine Prälatur, Trondheim, ist zur Zeit nicht besetzt, das wird vom Bischof von Oslo mitverwaltet.

DOMRADIO.DE: Ihre Arbeit muss da sicher viele Reisen beinhalten, oder? Man muss ja auch vor Ort sein.

Sr. Anna Mirijam: Das ist richtig. Ich bin längst noch nicht mit allen Bistümern so vertraut, wie ich es gerne wäre. Das Reisen nimmt tatsächlich sehr, sehr viel Zeit in Anspruch. Dazu kommen aber auch noch Termine außerhalb unseres Territoriums, wie beispielsweise das jährliche Treffen der Generalsekretäre Europas, aber auch verschiedene Presseveranstaltungen oder Kongresse, wo ich auch teilnehme. Ich würde eigentlich gerne mal einen Monat in jedem Bistum verbringen, das schaffe ich aber leider zeitlich nicht.

DOMRADIO.DE: Was können wir lernen von einer Frau, einer Ordensschwester als Generalsekretärin der Bischofskonferenz? Was denken Sie, wann wird das in Deutschland so aussehen?

Sr. Anna Mirijam: Ich habe mit meinem guten Kollegen Hans Langendörfer, dem Generalsekretär der deutschen Bischofskonferenz, darüber gesprochen. Der sagt ganz locker: Diese Aufgabe ist nicht an das Weiheamt gebunden. In Zukunft wird sich das auch in Deutschland öffnen, denke ich. Da sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten. Wenn es jemanden mit Qualifikation gibt, sollte das Ausschlag geben. Nun kann man Skandinavien nicht mit Deutschland vergleichen. Sieben Bischöfe im Norden gegen 27 Bistümer in Deutschland, das ist ein viel größerer Organisationsaufwand. Da habe ich es einfacher, als Alleinverwalter. Ich kann mir meine Arbeit und meine Zeit einteilen. Aber warum sollte das in Deutschland nicht gehen?

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch

Im zweiten Teil des Interviews spricht Schwester Anna Mirijam über die Herausforderungen der Diaspora, wo Katholiken stundenlange Autofahrten auf sich nehmen, um zum Gottesdienst zu kommen.


Quelle:
DR
Mehr zum Thema