Die Bonner Ausstellung "Visite" startet

Deutschland anders

Wenn Deutschland eine Visitenkarte drucken müsste, was wäre darauf wohl zu sehen? Reichstag, Brandenburger Tor oder Bratwurst? Bilder, die einen tieferen Einblick gewähren, wagen seit jeher Künstler, die selbst im Land wohnen. Ihre Sicht der Dinge steht im Mittelpunkt der Ausstellung "Visite".

 (DR)

Rund sechzig Objekte von 53 zeitgenössischen Künstlern werden ab Freitag in der Bundeskunsthalle in Bonn gezeigt, darunter Joseph Beuys, Gerhard Richter und Rebecca Horn. Die Kuratoren haben sich den Werken thematisch genähert. Die Oberbegriffe Existenz, Raum und Geschichte sollen jedoch nicht für sich allein stehen. So kann Raum in dieser Ausstellung vieles meinen: U-Bahn-Schächte, Treppenhäuser oder verwinkelte Gassen.

Ein Stück Zeitgeschichte dokumentiert beispielsweise Thomas Struth in seinen Fotografien, die kurz nach der Wende entstanden sind. Ein Platz in Berlin, Sophiengemeinde 1, schwarz-weiß: Ein Bild, das nostalgisch anmutet. Nichts verrät, dass es sich um eine Szene aus dem 20. Jahrhundert handelt. Bei dem Blick auf die Häuserzeilen der Scherlstraße in Leipzig verweisen zumindest große Mülltonnen auf die Moderne.

"Deutschland wird deutscher"
Wesentlich anonymer zeigt sich Raum in den Detailaufnahmen von Heidi
Specker: Betonrosen, Fensterbretter, Hochhausfassaden. Sie könnten überall sein und sind doch jedem vertraut - und damit ein Stück deutscher Heimat. "Deutschland wird deutscher" titelt so auch ein Plakat von Katharina Sieverding.

Visitenkarte und Einladung zugleich soll die Ausstellung nach den Worten von Kuratorin Annette Hösch sein. 2007 wurde "Visite" zunächst in der belgischen Hauptstadt Brüssel gezeigt. Die Ausstellung sollte die Besucher in das Nachbarland einladen - ohne auf ironische Untertöne zu verzichten. "Visite" versammelt Künstler, die selbstkritisch auf ihr Land und die Marotten der Bewohner blicken - etwa in der Fotoserie "Die Deutschen Sonntagsneurosen" von Jürgen Klauke -, die aber auch den Fortschritt und Wandel der Bundesrepublik seit dem Krieg darstellen.

Die Werke stammen aus der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1970 kauft eine unabhängige Kommission von Fachleuten die Werke deutscher oder in Deutschland lebender Künstler an. Fast 1.200 Gemälde, Skulpturen, Installationen und Fotografien sind so im Laufe der Jahre zusammengekommen. Die Ausstellung in Bonn stehe nicht repräsentativ für die gesamte Sammlung, betont darum auch Kuratorin Hüsch. Und doch repräsentiert "Visite" zumindest eines: die Vielfalt von Kunst in und aus Deutschland. Und so ist jedes Werk für sich eine kleine, eigene Visitenkarte.

Von Martina Gnad (KNA)