Rückblick auf den ersten Tag der Rumänienreise von Papst Franziskus

"Die Atmosphäre stimmt"

Der Besuch von Franziskus in Rumänien ist von großer Herzlichkeit geprägt, erzählt Journalist Christoph Strack. Nicht nur die Atmosphäre zwischen Papst und orthodoxem Patriarch stimme, sondern auch die bei den Menschen auf der Straße. 

Daniel Ciobotea, Patriarch der rumänisch-orthodoxen Kirche, und Papst Franziskus / © Romano Siciliani (KNA)
Daniel Ciobotea, Patriarch der rumänisch-orthodoxen Kirche, und Papst Franziskus / © Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Im Schloss Cotroceni hat der Papst eine Rede gehalten. Was hat er gesagt?

Christoph Strack (Journalist Deutsche Welle, begleitet die Rumänien-Reise des Papstes): Knapp gesagt, hat der Papst die rumänischen Politiker dazu aufgerufen, sich wieder stärker an den Grundsätzen der Demokratie zu orientieren. Es ist ja bekannt, dass hier während der vergangenen Monate ein Machtkampf zwischen Politikern des sozialdemokratischen Lagers, die in Korruption verstrickt waren, und dem Staatspräsidenten lief.

Nach der Europawahl ist es wieder in die Bahn gekommen. Einer der Spitzenpolitiker geht sogar ins Gefängnis. Das war ein langes Tauziehen. Dem Papst dist dabei die Grundlage der Politik abhandengekommen.

Er hat die Politiker nachdrücklich und mehrmals dazu aufgerufen, sich wieder um das Gemeinwohl ihres Volkes zu kümmern. Spezifische Interessen müssten dabei hinten anstehen. Die Demokratie könne nur funktionieren, wenn man das größere Ganze als klare Marschrichtung vor Augen habe: Dem Volk seine Seele und sein Herz zu sichern und das Gemeinwohl des Volkes im Blick zu haben.

Das war eine herzlich vorgetragene Mahnung – aber auch eine deutliche Mahnung an die Politik in Rumänien, sich wieder auf sich selbst zu besinnen. Immerhin hält der Papst dieses Land für ein ganz wichtiges Land: weil es seinen Dienst innerhalb Europas leiste; weil Millionen Rumänen in Westeuropa seien und dafür sorgten, dass ihre Heimat mit Geldern aus Westeuropa aufgebaut werde; weil es ein wichtiges christlich geprägtes Land sei.

DOMRADIO.DE: 7,4 Prozent der Rumänen sind Katholiken, 87 Prozent der Bevölkerung gehören der rumänisch orthodoxen Kirche an. Nach dieser politischen Rede trafen sich der Papst und der Patriarch der orthodoxen Kirche. Es sollte ein privates Treffen sein. Was ist nach außen gedrungen?

Strack: Ein äußeres Merkmal war zumindest, dass diese Unterredung länger gedauert hat, als es vorgesehen war. Aber schon die ersten Szenen, die man vor der Tür noch mitbekommen konnte machten deutlich, dass es eine sehr herzliche Atmosphäre war. Man muss daran erinnern, dass im Johannes Paul II. im Mai 1999, also vor 20 Jahren, als erster Papst überhaupt in Rumänien war. Das war damals so etwas wie ein Eisbrecher in den Beziehungen der katholischen Kirche zur Orthodoxie. Nicht zur Orthodoxie in Rumänien, sondern zur gesamten Orthodoxie. Das greifen die beiden jetzigen Kirchen Oberhäupter, Papst Franziskus und Patriarch Daniel, auf. Man merkt, dass die Atmosphäre zwischen den beiden stimmt.

Daniel saß auch schon im Präsidentenpalast am Mittag in der ersten Reihe. Als der Papst hereinkam und ihn sah, ging er sofort auf ihn zu drückte ihn. Sie herzten sich richtig. Diese Szenen wiederholten sich am Nachmittag mehrmals. Man spürt, dass Daniel und diese rumänische Orthodoxie, selbstbewusst sind und eine Offenheit besitzen. Sie haben keine Angst vor diesen kleineren religiösen Minderheiten der Katholiken, aber auch der Protestanten. Sie achten darauf, dass die religiösen Minderheiten in Rumänien zusammenhalten und zusammenstehen. Das war bei diesen Begegnungen deutlich zu spüren.

DOMRADIO.DE: Dann ging der Besuch des Papstes weiter: Er hat ein Vaterunser-Gebet in der neuen orthodoxen Kathedrale gehalten, die im November eingeweiht wurde. Damals hatte der Patriarch viele andere orthodoxe Kirchen Oberhäupter eingeladen – lediglich einer war gekommen. Spielen die Schwierigkeiten, die es aktuell innerhalb der orthodoxen Kirche gibt, eine Rolle beim Papstbesuch?

Strack: Das wäre natürlich eine Materie, die ein Papst nicht ausdrücklich ansprechen kann. Ich versuche, diese Szene kurz auszumalen: Diese neue Kathedrale, mit dem Namen "Kathedrale zur Erlösung der Nation", ist die größte orthodoxe Kirche weltweit. Das ist ein sehr imposanter Bau. Dieses Gotteshaus ist so groß, dass der riesige Palast aus den Zeiten von Diktator Ceausescu, der Bukarest prägt, daneben fast klein aussieht. Die Kathedrale ist noch eine Baustelle. Trotzdem ist es eine Kirche, die offen genug war, dass heute schon der Papst dort reden durfte. Zuerst sprach der Papst das Vaterunser mit den Gläubigen auf Italienisch und danach sang der Chor auf Rumänisch. Abwechselnd wurden Osterlieder beider Traditionen gesungen. Es war eine so herzliche Atmosphäre bei dieser Feier, dass der rumänische Patriarch dem Papst auf Latein sagte "ad moltos annos": Dieser Papst solle noch viele Jahre haben.

Der Papst hat das Vater unser in seiner Ansprache kurz ausgelegt. Ein Kernbegriff war, dass es heißt Vater "unser", dass also nicht der eine sagen könne "mein" Vater. Es sei der Vater aller. An mehreren Stellen dieser Vaterunser-Exegese hat man den Eindruck gehabt, dass es darum geht, dass die christlichen Konfessionen enger zusammenstehen müssen. Der Papst hat das Gebet ausgelegt, das allen christlichen Konfessionen heilig ist. Das kam, glaube ich auch so an. Die Ansprache des Papstes wurde dreimal von Applaus unterbrochen. Das zeigt, dass die Menschen verstanden haben, was er sagen wollte.

DOMRADIO.DE: Das ist die Stimmung, die bei den Veranstaltungen mit Papst Franziskus herrscht. Wie sieht es denn auf den Straßen aus?

Strack: Es gibt ja Papstreisen, bei denen der Papst zum Teil durch menschenleere Straßen fährt. Hier ist es ganz anders: In allen Straßen, auf denen der Papst fährt, hängen europäische, vatikanische und rumänische Fahnen. Fast überall stehen die Menschen in Zweier- oder Dreierreihen. Auf dem Weg von der Kathedrale der Orthodoxie zur katholischen Hauptkirche standen die Menschen dicht gedrängt. Der Papst fuhr die komplette Strecke im Papamobil, also in einem Auto aus dem er winken kann, das anhalten kann, bei dem die Menschen sich näher dran fühlen können.

Man merkt es: Heute ist Feiertag in Rumänien. Heute ist Feiertag in Bukarest. Die Menschen sind nicht aus der Stadt geflohen, weil der Papst da ist, sondern sie wollen ihn sehen. Ich habe mit Menschen am Straßenrand gesprochen, die nicht alle Katholiken waren. Sie sagen: "Das ist ein historischer Tag für unser Land." Man merkt den Menschen an, dass sie diesen Papst sehen wollen. Sie wissen, dass es ein Privileg ist, dass er ihr Land besucht und dass es von Bedeutung ist, was er zu diesem Land sagt.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR