Die Adventszeit umfasst viele Gedenktage und Brauchtümer

Wenn ein Dogma für Verwirrung sorgt

Propheten, legendäre Heilige und ein Hochfest: Die Adventszeit umfasst besondere Feste und Gedenktage, die nicht immer etwas mit dem Advent und Weihnachten direkt zu tun haben. Das kann zu Missverständnissen führen. Ein Überblick.

Autor/in:
Mathias Peter
Johannes der Täufer weist mit seinem Finger auf Jesus. Detail des Altarbildes Kreuzigung Jesu des Isenheimer Altars am 16. Oktober 2022 im Museum Unterlinden in Colmar in Frankreich / © Harald Oppitz (KNA)
Johannes der Täufer weist mit seinem Finger auf Jesus. Detail des Altarbildes Kreuzigung Jesu des Isenheimer Altars am 16. Oktober 2022 im Museum Unterlinden in Colmar in Frankreich / © Harald Oppitz ( KNA )

Nichtgebotene Gedenktage sind so etwas wie Kreisliga der Heiligenverehrung. Nichtgeboten bedeutet vor allem, dass dem oder der Heiligen in der Messe und dem Stundengebet gedacht werden kann, aber nicht muss. Es gibt also einen Ermessensspielraum – im Gegensatz zu gebotenen Gedenktagen, Festen und Hochfesten. 

Nikolaus fällt oft aus – merkt nur keiner

Dazu verdrängt jedes andere Fest oder der Sonntag die liturgische Feier des oder der Heiligen. Oft trifft dies im Advent ausgerechnet den Heiligen Nikolaus von Myra, der ja in der Volksfrömmigkeit eine große Rolle für Advent und Weihnachten spielt, tatsächlich aber im liturgischen Leben der Kirche überraschend klein gehalten wird. 

Deckengemälde des heiligen Bischofs Nikolaus aus Myra in Frankreich / © Loeaus (KNA)
Deckengemälde des heiligen Bischofs Nikolaus aus Myra in Frankreich / © Loeaus ( KNA )

Der 6. Dezember ist sein nichtgebotener Gedenktag. Der Nikolausabend mit allerlei Brauchtum wie das Stellen der Stiefel vor die Tür wird meistens am Vorabend gefeiert – Hochfeste beginnen ja üblicherweise mit dem Vorabend, Heiligabend ist da ein prominentes Beispiel für Weihnachten, das Hochfest der Geburt des Herrn.

So beliebt der Nikolaus ist und als Geschenkebringer erst im Zuge der Reformation durch das Christkind in den Hintergrund geschoben wurde, so wenig weiß man historisch gesichert über ihn. Das dürfte auch der Grund sein, warum er so kirchlich zurückhaltend gefeiert wird.

Ein Trierer als Mailänder Bischof

Ein anderer Heiliger, der mit einem immerhin gebotenen Gedenktag gottesdienstlich gefeiert wird, ist der Heilige Ambrosius, Kirchenlehrer und Bischof von Mailand. Sein Tag am 7. Dezember hat über einen besonderen "Umweg" einen adventlichen Bezug. 

Mosaik von Ambrosius von Mailand in der Capella Palatina in Palermo, Italien / © steve estvanik (shutterstock)
Mosaik von Ambrosius von Mailand in der Capella Palatina in Palermo, Italien / © steve estvanik ( shutterstock )

Auch er gehört wie der Nikolaus historisch in die Zeit der Spätantike, doch weiß man erheblich mehr über ihn und es haben sich viele Hymnen des Politikers und späteren Bischofs von Mailand erhalten. 

In Trier im Jahr 339 geboren, wurde er durch seine Predigten und Texte berühmt. Auch wenn der berühmte ambrosianische Lobgesang (das "Te deum") wohl doch nicht von ihm stammen soll, gilt er als Schöpfer des adventlichen Hymnus "Veni, redemptor gentium". 

Berühmt ist der heute durch die deutsche Übertragung von Martin Luther als Text des beliebten Adventsliedes "Nun komm der Heiden Heiland", das genau die Erwartung auf die Geburt Jesu durch die Jungfrau Maria thematisiert. 

"Mobbt" das Erzbistum Köln die Heilige Barbara?

Unbedingt zum Brauchtum der Adventszeit gehört der Barbarazweig. In Anlehnung an die Heilige Barbara sollen am 4. Dezember Weiden-, Kirschbaum- oder Forsythienzweige abgeschnitten und in ein Glas mit Wasser gestellt werden. An Weihnachten sollen die dann erblühen und damit das Wunder der Geburt von Jesus Christus symbolisieren. 

Ähnlich wie über Nikolaus gibt es viele Legenden zur griechischen Heiligen aus dem 3./4. Jahrhundert, die eine der 14 Nothelfer, Schutzpatronin der Artillerie, aber auch der Bergleute ist – weil sie sich in einer Bergspalte vor Verfolgung versteckt haben soll. 

Barbarazweige / © Claudia Zeisel (KNA)
Barbarazweige / © Claudia Zeisel ( KNA )

Das Erzbistum Köln feiert die Heilige Barbara allerdings nicht, denn ihr nichtgebotener Gedenktag wird immer durch den gebotenen Gedenktag des Seligen Adolph Kolping verdrängt – seine Grabstätte befindet sich nun mal in der Kölner Minoritenkirche. Barbarazweige "dürfen" natürlich trotzdem abgeschnitten werden.

Lucia, die Lichtbringerin

Die Heilige Lucia wird vor allem in Schweden verehrt, doch tatsächlich stammt sie aus Syrakus auf Sizilien und der Name "Die Leuchtende" in Anlehnung an lateinisch "lux", Licht ist Programm. 

Brauchtum zur Heiligen Lucia / © Sussi Hj (shutterstock)
Brauchtum zur Heiligen Lucia / © Sussi Hj ( shutterstock )

Auch sie ist eine spätantike Heilige, die für ihren Glauben zur Zeit der Christenverfolgung gestorben ist, zuvor aber wie durch ein Wunder zahllose Verletzungen unbeschadet überlebt haben soll. Um anderen Christen helfen zu können, brachte sie Lebensmittel in die Verstecke. Damit beide Hände zum Tragen frei blieben, setzte sie sich einen Lichterkranz auf den Kopf.

In Schweden tragen Mädchen daher am 13. Dezember oft einen Kranz mit brennenden Kerzen. Das Fest erinnerte wohl ursprünglich entweder an die Wintersonnenwende oder an das Ende der vorweihnachtlichen landwirtschaftlichen Mühen in dem skandinavischen Land. Wie Barbara und Nikolaus ist auch ihr Tag lediglich ein nichtgebotener Gedenktag.  

"Jesse" hat nichts mit "Jesse James" zu tun

Ein altes und sehr beliebtes Weihnachtslied ist "Es ist ein Ros' entsprungen", das von einem Jesse spricht ("Von Jesse kam die Art"). Wichtig in den Lesungen in den Gottesdiensten der Adventszeit ist der alttestamentliche Prophet Jesaja. Er wirkte im Südreich Juda im achten Jahrhundert vor Christus und warnte vor dem göttlichen Gericht, versprach aber auch die Ankunft eines Messias. 

Die christliche Tradition interpretiert seine Texte als die Ankündigung der Geburt von Jesus Christus. So heißt es im 11. Kapitel: "Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, / ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht." Mit dem Trieb ist aus christlicher Sicht Jesus gemeint, der aus der Familie des legendären König David hervorgeht. Denn Isai oder anders geschrieben Jesse war der Vater des alttestamentlichen Königs David. Mit dieser Stammbaumbeschreibung wird Jesus legitimiert, ein Prophet Gottes und in der Überzeugung der Christen der Sohn Gottes zu sein.  

Johannes der Täufer  von Leonardo da Vinci / © Gemeinfrei
Johannes der Täufer von Leonardo da Vinci / © Gemeinfrei

Wie Jesaja ruft auch Johannes der Täufer zur Umkehr auf, allerdings wird er im Neuen Testament beschrieben. Er ist ein asketischer Bußprediger, der die Menschen zur Umkehr aufruft und auf das Kommen Jesu hinweist. Auch wenn er Jesus tauft, sieht er sich als dessen Vorläufer. Im Lukasevangelium wird seine Geburtsgeschichte parallel zu der von Jesus Christus geschildert, auch bei Johannes kündigt ein Engel dessen Geburt an. 

Die Mutter von Johannes heißt im Lukasevangelium Elisabeth, zu der Maria nach der Verkündigung des Engels, dass sie Jesus gebären soll, reist. Drei Monate bleibt sie bei ihr, bald wird Johannes geboren. Im dritten Kapitel wird beschrieben, wie Johannes später als Johannes der Täufer das Wirken Jesu ankündigt – indem er den Propheten Jesaja zitiert: "Bereitet dem Herrn den Weg!"

Mariä Empfängnis als häufiges Missverständnis

Natürlich komm der Gottesmutter Maria in der Adventszeit eine besondere Bedeutung zu, erfüllt sich doch in ihr die Verheißung auf das Kommen des Messias. Und doch fällt ausgerechnet in die Adventszeit ein marianisches Hochfest, das nur bedingt einen adventlichen Bezug hat. 

Der Erzengel Gabriel bringt Maria die Frohe Botschaft / © Harald Oppitz (KNA)
Der Erzengel Gabriel bringt Maria die Frohe Botschaft / © Harald Oppitz ( KNA )

Das wird meist verkürzt "Mariä Empfängnis" genannt und sofort ist der Gedanke auf die Jungfrauengeburt und den Heiligen Geist, der über sie kommt, präsent. Tatsächlich geht es beim "Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria" nicht um die wundersame Zeugung durch den Heiligen Geist, sondern um Maria selbst. 

Die Kirche formuliert in dem Hochfest die Glaubensüberzeugung, dass Maria aus Gnaden frei von aller Sünde ist, also auch von der Erbsünde, die ansonsten auf jedem Menschen mit Ausnahme von Jesus liegt. Am 8. Dezember 1854 wurde diese Überzeugung sogar von Papst Pius IX. zum Dogma erhoben. So heißt es dann: "Die seligste Jungfrau Maria wurde im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, rein von jedem Makel der Erbschuld bewahrt."

Empfängnis ist nicht Verkündigung?

Traditionell feiert die Kirche am 8. September den Geburtstag der Maria, auch wenn es keine verlässlichen Quellen zu dem Datum gibt. Damit liegen zwischen dem "unadventlichen" Hochfest und Mariä Geburt genau neun Monate. 

Krippenfigur des Jesuskindes / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Krippenfigur des Jesuskindes / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Besser zu Weihnachten passt dann das Hochfest "Verkündigung des Herrn" am 25. März. Denn es drückt die Glaubensgewissheit aus, dass der Heilige Geist über Maria gekommen ist und sie den Sohn Gottes gebären wird – konsequenterweise ist dann am 25. Dezember das Hochfest der Geburt des Herrn, kurz gesagt: Weihnachten.

Quelle:
DR