Die Abschiebung von Irakern nach Griechenland stößt auf Protest

"Akute Lebensgefahr"

Es sind harte Worte, die der Vorsitzende des Missionsärztlichen Instituts in Würzburg wählt. "Ich kann nicht glauben, dass jemand so unbarmherzig entscheiden kann." August Stich meint konkret eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg. Es hatte einen Flüchtling aus dem Irak, der über Griechenland nach Deutschland kam, wieder in das Mittelmeerland zurückgeschickt. Obwohl das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen bereits im April 2008 offen vor solchen Schritten gewarnt hat. "Walid ist kein Einzelschicksal", sagt Stich.

Autor/in:
Christian Wölfel
 (DR)

"Ich leide unter der schlimmen Situation: Hier in Griechenland gelten die Menschenrechte nicht, die Griechen verweigern uns jede Hilfe", berichtet Walid Mohsin Aziz aus dem Mittelmeerstaat. Es gebe weder ein Asylheim, medizinische Hilfe, noch ein reguläres Asylverfahren. Am 11. Dezember 2008 wurde der 26-jährige Kurde abgeschoben. Viele Irak-Flüchtlinge kommen über Griechenland. Werden sie dort bei der Flucht registriert, können sie auch dorthin wieder zurückgebracht werden. Dies sieht das europäische Flüchtlingsrecht mit der sogenannten Drittstaatenregelung vor.

Nun fürchten etliche weitere Flüchtlinge in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft, dass es ihnen wie Walid ergeht. Das möchten die MI-Mitarbeiter verhindern. Am Main wollte der Iraker nach seiner Flucht im Sommer 2008 ein neues Leben anfangen. Er nahm an Gesundheitskursen der Missionsärztlichen Klinik teil, wie Krankenschwester Christine Steinheim berichtet. Er wähnte sich in Sicherheit. In seinem Heimatland habe er in der Armee gedient, sei als Kurde von den herrschenden Sunniten angefeindet worden, heißt es. Al Qaida habe ihn bedroht, ebenso andere Terroristen.

Leben in Garagen oder auf der Straße
In Griechenland lebt Walid in Garagen oder auf der Straße. Das Land sei mit den Flüchtlingszahlen hoffnungslos überfordert, berichtet das UNHCR. Für Zehntausende von Menschen gebe es nur gut 700 Plätze in regulären Unterkünften, die Flüchtlinge würden fast zu 100 Prozent weiter in den Irak abgeschoben. Nicht nur andere Staaten wie etwa Norwegen hätten auf die Warnung des UNHCR reagiert und die Rückführung nach Griechenland gestoppt. Auch einige Verwaltungsgerichte sind laut Joachim Schürkens, Anwalt des Bayerischen Flüchtlingsrates, der Empfehlung gefolgt, etwa Gießen, Oldenburg, Weimar und sogar Ansbach.

Die Richter in Mittelfranken schrieben, es sei glaubhaft, dass Flüchtlinge in Griechenland "keinen Zugang zu einem geordneten Asylverfahren erhalten, in menschenrechtswidriger Weise behandelt werden und sich in der konkreten Gefahr einer Kettenabschiebung über die Türkei in den Irak befinden". Jeder Richter entscheidet aber individuell; und das gilt auch für Würzburg. Der Cousin Walids, mit ihm auf demselben Fluchtweg nach Deutschland gekommen, hatte es mit einem anderen Juristen zu tun. Er wird im Moment nicht nach Griechenland zurückgeschickt.

Hoffen auf die Verwaltungsgerichte
Bisher sei nicht in Sicht, dass das Bundesinnenministerium der Empfehlung des UNHCR folge, kritisiert Schürkens. Dabei haben sich erst Ende November die EU-Innenminister darauf geeinigt, bis zu 10.000 Irak-Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland verpflichtete sich, 2.500 unterzubringen. Dabei geht es nicht nur um verfolgte Christen, sondern entsprechend der Vereinbarung auf EU-Ebene auch um traumatisierte Personen, Folteropfer und alleinstehende Frauen mit Kindern.

Dies alles greife jedoch nicht, wenn es um die Rückführung nach Griechenland gehe, so Schürkens. Deshalb sei es wichtig, dass möglichst viele Verwaltungsgerichte entsprechend der UNHCR-Einschätzung entschieden. Nur so könne die Politik zu einer einheitlichen Lösung bewegt werden, meint der Anwalt. "Wir fordern, dass die Iraker nicht nach Griechenland abgeschoben werden, weil sie dort in akuter Lebensgefahr sind", sagt Stich. Das gebiete schon die Humanität. Und Walid selbst solle wieder per Richterbeschluss nach Würzburg zurückkehren dürfen.