Dialogbeauftragter der Bischofskonferenz zu Christenverfolgung

Keine Chance auf Demokratie im Irak?

Jeden Tag sterben im Irak nach UN-Angaben rund 100 Menschen einen gewaltsamen Tod. Vorige Woche ist ein syrisch-orthodoxer Priester in Mosul enthauptet aufgefunden worden. Am gleichen Tag starb ein Geistlicher bei einem Angriff von Islamisten in Bagdad. Ein 14-jähriger Junge wurde in dem christlichen Vorort Albasra gekreuzigt.

 (DR)

Jeden Tag sterben im Irak nach UN-Angaben rund 100 Menschen einen gewaltsamen Tod. Vorige Woche ist ein syrisch-orthodoxer Priester in Mosul enthauptet aufgefunden worden. Am gleichen Tag starb ein Geistlicher bei einem Angriff von Islamisten in Bagdad. Ein 14-jähriger Junge wurde in dem christlichen Vorort Albasra gekreuzigt. Im Irak leben heute nur noch halb so viele Christen wie 2003. Die Radikalisierung des Islam habe in vielen Ländern zu einer Unterdrückung der Christen geführt, so die Sprecherin der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Menschenrechte, Erika Steinbach. Im domradio-Interview äußerte sich nun der Leiter der Arbeitstelle der Deutschen Bischofskonferenz für christlich-muslimische Angelegenheiten, Dr. Peter Hünseler, pessimistisch.

Es gebe keine Chance auf Demokratie im Irak, die Religionen könnten in der derzeitigen Situation dort nur friedlich zusammenleben, wenn es einen Machthaber im Stile des Ex-Diktators Saddam Hussein gebe.

"Einen Weg zur Demokratie halte ich für völlig ausgeschlossen"
Wörtlich sagte Hünseler: „So traurig es ist, aber es scheint im Moment nur eines möglich zu sein: dass sich wieder ein starker Mann aufschwingt, der die Möglichkeit besitzt, mit Gewalt die auseinanderstrebenden Kräfte im Lande zu unterdrücken - wieder Ruhe und Ordnung herzustellen. Also im Prinzip so etwas wie wir es unter Saddam Hussein gehabt haben. Wenn das ein wenig weniger blutig abgeht wie unter ihm, dann können die Iraker wieder zu Ruhe und Ordnung zurückkehren. Eine andere Möglichkeit - etwa einen Weg zur Demokratie - halte ich für völlig ausgeschlossen."

Hünseler äußerte sich in diesem Zusammenhang zu der Christenverfolgung im Irak. Christen seien derzeit Sündenböcke, die für das umstrittene Regensburger Papst-Zitat hinhalten müssen. Entführungen und Anschläge gegen Christen seien deshalb an der Tagesordnung. Viele irakische Christen fliehen mittlerweile nach Jordanien oder in die USA. Unter Saddam Hussein sei das Zusammenleben von Christen, Schiiten und Sunniten gut möglich gewesen. Dort habe die Religion eine untergeordnete Rolle gespielt, da die Ausrichtung primär auf die arabische Identität gerichtet war.

Dauerhaftes Bleiberecht für Christen aus dem Irak gefordert
Ein dauerhaftes Bleiberecht für Christen aus dem Irak hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) von den Innenministern des Bundes und der Länder gefordert. Nach neuen Verbrechen an assyro-chaldäischen Christen sollten auch die Gerichte den rund 20.000 Schutz Suchenden ihren Status als Asylbewerber nicht nehmen, heißt es in einer am Freitag in Göttingen veröffentlichten Erklärung. Der Terror gegen die Betroffenen habe sich dramatisch verschärft.

Vor mehreren deutschen Gerichten laufen derzeit Verfahren über die Anerkennung von Asyl für irakische Christen. Dabei entschied der Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) am 21. Juni, sie hätten derzeit keinen Anspruch auf Asyl mehr. Die Betroffenen seien demnach zwar mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Bagdad oder in den Süden des Irak einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt. In den kurdisch regierten Landesteilen im Norden des Landes gebe es aber hinreichenden Schutz vor der Verfolgung.
(dr,rv,kna)