Patriarchalvikar zur Religionslandschaft Zyperns vor Papstbesuch

"Dialog liegt in unserer Tradition"

Zypern steht in der anhaltenden politischen Teilung, aber auch wegen der hohen Zahl von Flüchtlingen vor Herausforderungen. "Religion wird in diesem politischen Konflikt benutzt", sagt der Patriarchalvikar von Zypern, Franziskaner Jerzy Kraj.

Jerzy Kraj, lateinischer Patriarchalvikar von Zypern und Co-Koordinator des bevorstehenden Papstbesuchs / © Andrea Krogmann (KNA)
Jerzy Kraj, lateinischer Patriarchalvikar von Zypern und Co-Koordinator des bevorstehenden Papstbesuchs / © Andrea Krogmann ( KNA )

KNA: Wie sieht die religiöse Landschaft aus, die Papst Franziskus auf Zypern vorfinden wird?

Franziskaner Jerzy Kraj (Lateinischer Patriarchalvikar von Zypern und Mitkoordinator des bevorstehenden Besuchs von Papst Franziskus): 80 Prozent der Christen gehören der autokephalen [= selbstständigen] griechisch-orthodoxen Kirche von Zypern an. Dazu kommen armenisch-orthodoxe Christen, Maroniten und lateinische Christen. Alle drei Minderheitengemeinden sind offiziell anerkannt und im Parlament der Republik Zypern vertreten.

KNA: Und Ihre Gemeinde

Kraj: Laut der jüngten Regierungsstatistik von 2011 leben 25.000 lateinische Christen auf Zypern, darunter 2.500 Zyprioten. Die Mehrheit der Lateiner setzt sich aus Arbeitsmigranten von den Philippinen, aus Indien und Sri Lanka, aber auch aus Europäern zusammen. Wir decken die ganze Insel ab: In Südzypern haben wir Gemeinden in Nikosia, Larnaka, Limassol und Paphos sowie drei Kapellen. Im Norden Zyperns haben wir eine Kapelle in Kyrenia sowie eine Studierendengruppe in Famagusta und Nord-Nikosia. Die Maroniten sind in ähnlicher Weise vertreten; sie haben vier maronitische Dörfer in Nordzypern, von denen zwei zugänglich und weiter bewohnt sind. Sie sind ein wichtiges historisches Symbol.

KNA: Was bedeutet der Papstbesuch für die Christen in Zypern?

Kraj: Es ist für uns ein großes Ereignis. Niemand hat elf Jahre nach der Visite Benedikts XVI. mit einem erneuten Papstbesuch gerechnet. Als Titel haben wir "Einander im Glauben trösten" gewählt, in Erinnerung an den Apostel Barnabas, der von Zypern stammte und als erster Evangelisation betrieb. Es ist sehr wichtig, dass wir nicht nur darauf warten, von anderen ermutigt zu werden. Wir müssen als Gemeinschaft gemeinsam voranschreiten, auch wenn wir in keinem einfachen Umfeld leben.

KNA: Inwiefern?

Kraj: Die Säkularisierung ist auch hier angekommen. Es gibt weiter viele Taufen, aber eine niedrige Beteiligung am gottesdienstlichen und kirchlichen Leben. Das wollen wir erneut entflammen.

KNA: Was ist der Fokus des Papstbesuchs?

Kraj: Er wird zwei Schwerpunkte haben: Ökumene sowie kirchliche Unterstützung für die Gesellschaft, die - etwa durch die Flüchtlinge - vor großen Herausforderungen steht.

KNA: Wie steht es um die Ökumene auf Zypern?

Kraj: Es gibt in der griechisch-orthodoxen Kirche einige Hardlinern die sich etwa gegen konfessionsverschiedene Ehen aussprechen und von Nichtorthodoxen eine erneute Taufe in die orthodoxe Kirche fordern, aber das ist eine Minderheit und ein innerorthodoxes Problem. Der Dialog liegt in unserer Tradition. Wir sind in gutem Kontakt miteinander.

Vier unserer Gottesdiensträume werden uns von der griechisch-orthodoxen Kirche zur Verfügung gestellt; ein sehr seltenes Phänomen, das historische Gründe hat, aber auch Aufgeschlossenheit zeigt. Gleichzeitig ist die Ökumene hier weniger theologisch orientiert als karitativ. Die Caritas zum Beispiel hat eine orthodoxe Direktorin und arbeitet für alle. Es ist uns egal, wem wir helfen; das Ziel ist die Hilfe.

KNA: Einschließlich der Migranten.

Kraj: Zypern steht in Europa an erster Stelle, wenn es um die Zahl von Migranten pro Einwohner geht. Viele kommen illegal, vor allem vom Norden der Insel. Gegenwärtig haben wir einen schwierigen Fall: zwei Männer und eine Frau aus Kamerun, die sich in der Pufferzone befinden; keine Seite will sie aufnehmen. Wir bemühen uns um eine Lösung und helfen gleichzeitig mit Lebensmitteln. Die große Zahl von Migranten und Flüchtlingen ist eine Herausforderung für die Insel.

KNA: Verbinden Sie konkrete Hoffnungen mit dem Papstbesuch?

Kraj: Ermutigung und Unterstützung auf internationaler Ebene. Wir hoffen, dass unsere Situation gesehen wird. Seit 1974 leben wir in einer politischen Teilung, die eine Wunde ist. Es wird immer schwieriger, einen Versöhnungsprozess zu sehen. In den acht Jahren, seit ich hier bin, gab es Momente der Hoffnung - aber leider wurden sie nicht erfüllt. Heute gibt es keine direkten Gespräche mehr, keinen Dialog.

KNA: Die Franziskaner auf Zypern gehören zur Kustodie des Heiligen Landes. Sehen sie politische Parallelen zwischen dem israelisch-palästinensischen und dem Zypern-Konflikt?

Kraj: Nein. In Palästina haben wir einen direkten Konflikt, der etwa mit einer starken Einschränkung der Bewegungsfreiheit einhergeht. Hier herrscht eher eine Art Status quo, mit einer komfortablen Situation für beide Seiten. Keiner hat etwa Interesse daran, die Präsenz der Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern (UNFICYP) aufzugeben, weil beide Seiten dann direkt miteinander konfrontiert wären. Niemand bemüht sich um eine künftige Lösung. Mit Griechenland und der Türkei stehen  sichj aber auch zwei große Unterstützerländer gegenüber, so dass Zypern nicht vollkommen frei agieren kann. Es ist schon seltsam, dass die Republik Zypern auch 60 Jahre nach ihrer Unabhängigkeit keine eigenen Nationalhymne hat.

KNA: Welche Rolle spielt Religion in diesem Konflikt?

Kraj: Dies ist ein rein politischer Konflikt, kein religiöser. Zwar zeigen die Führer der Religionsgruppen von beiden Teilen der Insel, Christen und Muslime, dass Dialog möglich ist. Aber natürlich wird Religion in diesem Konflikt benutzt. Die Spaltung bedeutet, dass es schwierig ist, einander zu treffen und kennenzulernen. Vor allem in der jüngeren Generation ist das ein Problem. Die Älteren haben vor der Teilung als Nachbarn zusammengelebt. Ein weiteres Problem sind die Festlandtürken, die auf Zypern leben. Anders als die türkischen Zyprioten sind sie nicht als Teil der zypriotischen Gesellschaft anerkannt und können den Süden der Insel nicht besuchen.