Deutschland übernimmt die EU-Präsidentschaft - Kirchen erneuern ihre Forderung nach Gottesbezug in der Verfassung

Welche Werte braucht die EU heute?

Am 1. Januar hat Deutschland turnusgemäß die EU-Präsidentschaft übernommen. Doch die damit verbundenen Herausforderungen sind alles andere als reine Routine: Zum einen wegen der heiklen Erweiterungsfragen (Türkei-Beitritt etc.), zum anderen wegen der notwendigen Vertiefung der Gemeinschaft, allen voran durch die sehr umstrittene Verfassung (z.B. Gottesbezug). Hier melden sich jetzt die Kirchen in der EU wieder stärker zu Wort.

 (DR)

Unter anderem wollen sie im Vorfeld des 50-jährigen Bestehens der römischen Verträge im März 2007 eine neue Wertedebatte anstoßen.

Einige Fragen, die die Kirchen beschäftigen, lauten: Welche Werte braucht die EU heute? Und wie können diese Werte die EU aus der aktuellen Krise führen und für mehr inneren Zusammenhalt sorgen - auch angesichts ganz neuer Herausforderungen heute, wie z.B. Bioethik und Globalisierung?

Die katholische und evangelische Kirche betonen, dass „für den christlichen Glauben die Menschenwürde unbedingten Charakter habe." Sie leite sich nicht aus Leistungen ab, sondern sei jedem Menschen von Gott zuerkannt worden. Sie gelte universell und beziehe sich auch auf die, „die sich nicht artikulieren können: Ungeborene, Behinderte, Sterbende", so heißt es in einer Erklärung.

Forderung nach Gottesbezug wird nicht aufgegeben
Die Kirchen treten unverändert dafür ein, dass in den europäischen Verfassungsvertrag ein ausdrücklicher Bezug auf die Verantwortung vor Gott und auf die Bedeutung der jüdisch-christlichen Tradition aufgenommen wird. Der Europäischen Verfassungsvertrag und die Grundrechtecharta sei ein wichtige Ansatz dafür, das Eintreten für Grundrechte und Demokratie als gemeinsame Verpflichtung wahrzunehmen. Die europäische Politik müsse am Maßstab der Menschenwürde und eines ihr entsprechenden Menschenbildes ausgerichtet werden. So dürfe Bildung nicht allein auf den Erwerb von beruflichen Kompetenzen reduziert werden, sondern umfassend und über die Einsetzbarkeit von Menschen hinausgehend organisiert werden.

Eine „faire, effektive und transparente Zuwanderungspolitik" wird ebenso gefordert wie der Einsatz für die Menschenrechte auch in den Nachbarstaaten der EU. Als weitere Beispiele werden die globale Armutsbekämpfung und eine verantwortliche Energiepolitik verbunden mit einem aktiven Klimaschutz genannt.

Menschenwürde auf dem Boden des Evangeliums
Der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick hat die Bundesregierung aufgerufen, sich in der Zeit der deutschen EU-Präsidentschaft für die Verabschiedung der EU-Verfassung und einen Gottesbezug einzusetzen. Das Dokument sollte einen Gottesbezug enthalten und auf die christlichen Wurzeln Europas hinweisen, erklärte Schick, Vorsitzender der Weltkirchenkommission der Deutschen Bischofskonferenz, am Dienstag in Nürnberg.

Erst auf dem Boden des Evangeliums werde die EU zu einer Gemeinschaft, in der die Würde des Menschen ganz oben stehe, betonte Schick. Dadurch könnten die Menschenrechte gewahrt sowie für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung weltweit eingestanden werden. Die Europäische Union müsse aber auch die Rolle der Vereinten Nationen in der Welt stärken. Konkret schlug der Erzbischof vor, Waffenlieferungen aus EU-Staaten in andere Länder einzuschränken und mehr zu kontrollieren. Besonders gelte das für die Krisenregionen der Erde. Die Entwicklungshilfe der europäischen Staaten dürfe außerdem nicht gekürzt, sondern sollte vielmehr erhöht werden als "Beitrag zum Frieden".

Die wichtigsten Termine der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

1. Januar 2007: Deutschland übernimmt die Ratspräsidentschaft.

17. Januar: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt vor dem
Europaparlament in Straßburg ihr Präsidentschaftsprogramm vor.

8. und 9. März: Ein EU-Gipfel in Brüssel zur wirtschaftlichen und
sozialen Zukunft Europas soll einen Aktionsplan für eine
EU-Energiepolitik verabschieden.

25. März: Bürgerfeste in 50 deutschen Städten und ein Informeller
EU-Gipfel in Berlin zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der
"Römischen Verträge". Eine "Berliner Erklärung" soll die Werte und
Ziele der EU bekräftigen, um damit dem Verfassungsprozess eine neue
Grundlage zu geben.

21. und 22. Juni: Deutschland will auf einem EU-Gipfel in Brüssel
einen Fahrplan für den in die Krise geratenen EU-Verfassungsprozess
vorlegen.

30. Juni: Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Am 1. Juli
übernimmt Portugal den Vorsitz.