In Deutschland gibt es immer weniger Schifferseelsorger

Pönitz geht von Bord

Fast ein Vierteljahrhundert lang hat sich Heino Pönitz um eine schwimmende Gemeinde auf dem Rhein zwischen Kehl und Speyer gekümmert. Nun geht er von Bord. Das Aus für die Seelsorge der pfälzischen Landeskirche an den Rheinschiffern. Die Sorgen seiner Gemeinde sind groß.

Autor/in:
Alexander Lang
 (DR)

"Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, muss die Kirche zu den Menschen gehen", schrieb einst der Diakoniebegründer Johann Hinrich Wichern. Das sollte auch für die Schifferseelsorge auf den deutschen Flüssen und an den Küsten gelten. Der "Centralausschuss für die Innere Mission" gab 1877 einen Aufruf zur kirchlichen Fürsorge für die Flussschiffer und ihre Familien heraus.

1886 wurde in Brandenburg der erste Flussschiffermissionar eingesetzt. Er sollte Gottesdienste halten, wichtige Informationen verbreiten, in den großen Städten Kontaktstellen und Volksbibliotheken einrichten und sich um Kleinkinderschulen bemühen.

Die Schifferseelsorge hat sich seit Wicherns Zeiten stark verändert. Immer weniger Kapitäne sind Eigner ihrer Kolosse, die Ladezeiten sind kurz, die Aufenthalte im Hafen dauern nur noch wenige Stunden.

Davon kann auch Schiffspfarrer Heino Pönitz ein Lied singen. Fast ein Vierteljahrhundert lang, seit 1985, hat sich der gebürtige Kasseler um seine schwimmende Gemeinde auf dem Rhein zwischen Kehl und Speyer gekümmert. Mit der "Wichern" ist er zu rund 1.000 Schiffern und ihren Familien hingetuckert oder hat sie an Land besucht.

Nun geht Pönitz im Alter von 65 Jahren von Bord. Sein Ausscheiden bedeutet auch das Ende für die Seelsorge der pfälzischen Landeskirche an den Rheinschiffern. Das Arbeitsfeld wird aufgegeben. Pönitz macht dafür den Spardruck verantwortlich. Für die Binnenschiffer war der zwischen den Häfen Karlsruhe, Kehl und Straßburg mit seinem Kirchenschiff kreuzende Pfarrer ein wichtiger Ansprechpartner.

Die Sorgen seiner Gemeinde sind groß, erzählt Pönitz. Der Konkurrenzkampf wird größer. Niederländer, Belgier und Luxemburger bauten ihre Rheinflotten mit modernen Schiffen aus. Deshalb befürchteten viele deutsche Rheinschiffer unterzugehen. Schwierig ist auch die Einkommenssituation vieler Binnenschiffer. Ein geordnetes Familienleben zu führen, ist fast nicht möglich, wenn man immer unterwegs ist.

Deshalb seien viele Binnenschiffer froh, einen Ansprechpartner zu haben, "der zuhört und mit dem man nicht nur über Wasserstände, das Wetter oder Frachtraten reden kann", sagt der Pfarrer. In Deutschland gibt es noch rund zwei Dutzend Einrichtungen der evangelischen Schifferseelsorge mit Stützpunkten in Berlin, Datteln, Minden, Duisburg, Mannheim und an den Küsten. Sie werden von der Deutschen Seemannsmission in Hamburg geleitet, die als selbstständige diakonische Einrichtung darüber hinaus 17 Seemannsstationen im Ausland betreut.

Wie auch seine Kollegen an Land hat Pönitz Kinder getauft, Ehen geschlossen, Gottesdienste in den Rheinhäfen gehalten, aber nur wenige Schiffer beerdigt. "Dafür sind in der Regel die Ortspfarrer zuständig", sagt Pönitz, der als Werkzeugmacher arbeitete, auf dem zweiten Bildungsweg zum Pfarrerberuf kam und Gemeindepfarrer der pfälzischen Landeskirche in Zweibrücken-Ernstweiler war.

Stolz ist er vor allem, dass er an Orten entlang des Rheins eine "Kette von Kindergärten" organisiert hat, die Kinder von Binnenschiffern zeitweise aufnehmen. So richtig will sich der scheidende Binnenschiffer-Pfarrer von seiner schwimmenden Kirche nicht zurückziehen: Mit der wieder flott gemachten 12,30 Meter langen "Wichern", die ihm die Landeskirche schenken oder zu einem symbolischen Preis übereignen will, plant er sozialpädagogische und heilpädagogische Fahrten mit Kindern und Jugendlichen.