Deutscher Presserat zu Seehofers Androhung einer Klage

 (DR)

Der Deutsche Presserat kritisiert die Drohung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), eine Autorin der "taz" wegen eines polizeikritischen Textes anzuzeigen. "Der Weg über das Strafrecht ist immer mit Einschüchterung verbunden", sagte Presserat-Geschäftsführer Roman Portack der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwoch). "Eine Folge dieses Falls könnte daher sein, dass Journalisten möglicherweise später einmal zögern, bevor sie etwas veröffentlichen. Wir wollen aber keine Schere im Kopf." Bei einem Meinungsbeitrag in der Presse solle man nicht gleich zum schärfsten Schwert des Rechtsstaates greifen.

Einen Angriff auf die Pressefreiheit sehe er in der angekündigten Strafanzeige indes nicht, so Portack. "Es stünde aber einem Bundesminister des Inneren besser zu Gesicht, den Fall von der Selbstkontrolle der Presse, dem Deutschen Presserat, klären zu lassen." Portack ergänzte: "Natürlich hat Seehofer als oberster Dienstherr der Bundespolizei auch eine Fürsorgepflicht für seine Beamten - dazu kann auch das Erstatten von Anzeigen gehören."

Dem Deutschen Presserat lagen am Dienstagvormittag laut dem Bericht 318 Beschwerden wegen der "taz"-Kolumne vor. Portack sagte dazu: "Solche Massenbeschwerden haben wir immer wieder, dieser Fall ist also nichts Ungewöhnliches für uns." Das Gremium werde voraussichtlich in dieser Woche über die Einleitung eines Verfahrens gegen die "taz" entscheiden.

In der Kolumne vom 15. Juni stellte Hengameh Yaghoobifarah die Frage, wo Polizisten arbeiten könnten, sollte die Polizei aufgelöst werden. Ihre Antwort: "Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."

Kurz danach erstatteten die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Strafanzeige. "taz"-Chefredakteurin Barbara Junge erklärte am Samstag: "Eine Kolumne, so satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist daneben gegangen. Das tut mir leid." Andere Medienvertreter, etwa der Moderator Jan Böhmermann, verteidigten den Text als Satire. (KNA/Stand: 23.06.2020)