Deutsche Opposition beklagt verheerende Bilanz - Pax Christi im domradio: "Eine einzige Katastrophe"

Fünf Jahre Irak-Krieg

Fünf Jahre nach Beginn des Irak-Krieges im März 2003 zieht die Opposition im Bundestag eine vernichtende Bilanz. FDP, Grüne und Linke verwiesen am Mittwoch zum 5. Jahrestag der ersten Bombenangriffe auf Bagdad auf Zigtausende Tote, Verwundete und Flüchtlinge sowie eine nachhaltige Destabilisierung der Region. "Es ist eine einzige Katastrophe", so Dr. Reinhard Voss, Generalsekretär der Friedensbewegung Pax Christi im domradio-Interview.

Autor/in:
Peter Kosfeld
 (DR)

"Dieser ganze Krieg ist auf Lügen aufgebaut, betont auch Dr. Reinhard Voss. "Weder gab es dort Massenvernichtungswaffen, noch ein Bedürfnis nach einer Demokratie westlichen Zuschnitts", erklärt Voss weiter. "Man hat einen Diktator gestürzt, den die USA zuvor selbst im Krieg des Irak gegen den Iran mit aufgebaut haben." Die aktuelle Lage der Menschen im Irak bezeichnet Voss als "katastrophal". Grund- und Abwassersysteme seien kollabiert, es gebe keine funktionierende Infrastruktur. "In manchen Gegenden gehen bis zu 90 Prozent der Kinder nicht zur Schule. Hinzu kommt das Flüchtlingsproblem und die vielen Toten, die es gegeben hat", sagt Voss. Diese Fakten dürfe man nicht aus den Augen verlieren, wenn man von Erfolgen spreche.

Die deutsche Sektion von Pax Christi hatte angesichts der Entwicklungen im Irak bereits zum "Dialog statt Krieg gegen den Terror" aufgerufen. Das Thema steht im Mittelpunkt der Jubiläumstage der christlichen Friedensbewegung im April.

Opposition: Verheerende Bilanz
Der FDP-Außenexperte Werner Hoyer sagte, die Bilanz sei "unterm Strich verheerend". Selbst wenn man anerkenne, dass einer der schlimmsten Diktatoren beseitigt wurde, blieben Hunderttausende Tote und Millionen Vertriebene seit dem Fall von Saddam Hussein. Der Irak zeigt sich heute als ein Land mit riesigem wirtschaftlichen Potenzial, aber ohne Perspektive auf baldige innere Stabilität. Zudem habe das Völkerrecht durch das Vorgehen der USA dauerhaft Schaden genommen. Hoyer gab zu bedenken, wenn man von heute auf morgen aus dem Irak abzöge, wäre "das Chaos im Land wahrscheinlich morgen wieder größer als heute".

Auch Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin erinnerte an fast 4000 US-Soldaten und Hunderttausende Iraker, die seit Beginn des Krieges ihr Leben verloren hätten. Die Region und die Welt seien "in einem hohen Maße unsicherer geworden", der Terror habe "dramatisch zugenommen". Die staatliche Einheit des Irak sei faktisch zerbrochen, sagte der Grünen-Politiker und verwies auf die "ethnischen Säuberungen" zwischen Sunniten und Schiiten. Trittin betonte, vor diesen Folgen hätten die Grünen und die rot-grüne Bundesregierung gewarnt, während die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel (CDU) die US-Position unterstützt habe.

Auch die Linke sprach von einer erschreckenden Bilanz. Der Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke sagte, Zehntausende Menschen hätten ihr Leben verloren, Hunderttausende seien auf der Flucht. Gehrcke rügte: "Die USA haben die Welt in diesen Krieg hineingelogen. Sie waren mächtig genug, diesen Krieg vom Zaune zu brechen, die Folgen aber beherrschen sie nicht mehr." Der Krieg habe zudem das Kräfteverhältnis im Mittleren Osten grundlegend verändert. Eine Folge sei der Aufstieg Irans zur regionalen Hegemonialmacht. Gehrcke forderte den umgehenden Rückzug der US-Truppen aus dem Irak, ohne den eine neue Nahost-Politik nicht denkbar sei.

Ostermärsche zum Thema Irak
Zu Beginn der diesjährigen Ostermarschaktionen erinnerte das Netzwerk Friedenskooperative an das aus seiner Sicht "fortdauernde Desaster des Irak-Krieges." Der Krieg habe die gesamte Region weiter destabilisiert. Die Ausplünderung des Irak durch US-Ölfirmen und die Verstöße der US-Truppen gegen die Genfer Konvention hätten weiteren Hass auf "den Westen" erzeugt und zur Stärkung der Terrororganisation Al-Qaida beigetragen. Deutsche Friedensorganisationen forderten eine "Exit-Strategie" für den Abzug aller Besatzungstruppen aus dem Irak, hieß es.

Mit US-Luftangriffen auf Ziele in Bagdad hatte am 20. März 2003 der Irak-Krieg begonnen. US-Präsident George W. Bush verteidigte am Mittwoch den Einmarsch in den Irak. Dies habe die Welt sicherer gemacht. Die Iraker seien aus einer Diktatur befreit worden. Bush räumte allerdings mit Blick auf die zahlreichen Anschläge im Irak ein, es habe neben "Triumphen" in den zurückliegenden Jahren auch "Tragödien" gegeben.