Deutsche Bischöfe senden Hoffnungsbotschaften ins neue Jahr

"Dennoch"-Mentalität, Gebet und Veränderungsmut

Deutschlands Bischöfe senden hoffnungsfrohe Neujahrsbotschaften. Bischof Georg Bätzing will kirchlichen Wandel. Bischof Dieser erklärt den Trost des Gebets. Bischof Genn warnt vor Krieg. Bischof Ackermann lädt zum Haltungswechsel ein.

Deutsche Bischöfe / © Julia Steinbrecht (KNA)
Deutsche Bischöfe / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Mut zur Veränderung und zum Aufbrechen verkrusteter Strukturen erhofft sich der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vom neuen Jahr. Flucht, Vertreibung, Krieg, Terror oder auch die Klimakrise hätten das Jahr 2023 geprägt, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing im Festgottesdienst am Silvestertag in Frankfurt. 

"Die ungezählten Menschen, die leben wollten wie wir, aber sinnlos aus dem Leben gerissen wurden, legen eine Wolke von Trauer, tiefer Enttäuschung und Fragwürdigkeit auf das Ende dieses Jahres", so der Bischof. 

Dennoch könne die Botschaft des Evangeliums, nach der Gott zu seinen Verheißungen und zum Menschen stehe, Mut und Zuversicht geben.

Bischof Bätzing fordert von Kirche Mut zur Veränderung

Mut zur Veränderung braucht nach den Worten des Bischofs auch die katholische Kirche. Hunderttausende hätten ihr in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt. 

"Es tut mir leid um jede und jeden Einzelnen", sagte Bätzing mit Blick auf die im November veröffentlichte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. 

Bischof Bätzing (dpa)
Bischof Bätzing / ( dpa )

Danach gehören nur noch 48 Prozent der Bevölkerung einer der beiden großen Kirchen an. Nur noch vier Prozent der katholischen und sechs Prozent der evangelischen Gläubigen gaben an, ihrer Kirche eng verbunden zu sein.

Religiöse Überzeugungen für Lebensführung kaum mehr relevant

Für die Lebensführung hätten religiöse Überzeugungen so gut wie keine Bedeutung mehr, räumte Bätzing ein. "Solche Entwicklungen zu verdrängen oder zu verharmlosen, das wäre fatal." Es gelinge schon lange nicht mehr, den Glauben und die Verbundenheit zur Kirche von Generation zu Generation weiterzugeben.

Der Limburger Bischof warnte zugleich vor Resignation. Die Untersuchung zeige auch Chancen auf: "Diejenigen, die bleiben, erwarten von der Kirche den Einsatz gegen Armut und für Gerechtigkeit." 

Das gelte auch für die überwiegende Mehrheit der Konfessionslosen. Der Einsatz für Geflüchtete, für den Klimaschutz und gegen Armut sei offenbar auch in der Außenwirkung weiterhin ein Glaubwürdigkeitskriterium für die Kirche.

Helfen Reformen der Kirchen in eine Zukunft?

Außerdem zeige die Studie, dass sich die Kirche verändern müsse, wenn sie eine Zukunft haben wolle. Dazu gehörten ein positiver Umgang mit Homosexualität, mehr echte Mitbestimmung von Laien, die freie Wahl von Ehe oder Ehelosigkeit für die Priester und eine stärkere ökumenische Zusammenarbeit. 

"Reformen lösen gewiss nicht alle Probleme der katholischen Kirche, aber diese verschärfen sich, wenn Reformen ausbleiben", so Bätzing. Die Kirche sei nicht am Ende. Aber eine ganz bestimmte soziale Form von Kirche neige sich dem Ende zu, die in den vergangenen 150 Jahren prägend gewesen sei.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat dazu aufgerufen, sich von negativen Nachrichten nicht überfluten zu lassen. "An den hard facts kann ich unmittelbar nichts ändern, wohl aber daran, was sie mit mir machen", sagte Dieser am Silvesterabend in der Jahresschlussandacht im Aachener Dom laut Predigttext. 

Das Gebet als Quelle des Trosts und der Hoffnung

Der durch zahlreiche Kriege und Krisen bedrohte Weltfrieden, der Klimawandel, weltweite Fluchtbewegungen oder wachsender Antisemitismus machten vielen Menschen Angst. 

Zu den negativen Nachrichten zählten auch innerkirchliche Konflikte, die hohe Zahl an Kirchenaustritten und der Bedeutungsverlust der Kirchen und des christlichen Glaubens in der Gesellschaft.

Diesen harten Fakten stehe der Trost Gottes gegenüber, der in Christus in die Welt gekommen sei, sagte der Bischof. Die erste Quelle dieses Trostes sei das Gebet. 

"Gebet ist eine Quelle des Trostes und der Hoffnung: Es verhindert, dass wir ohnmächtig und depressiv werden", betonte Dieser. Im Gebet könnten Gläubige Gott die leidenden Menschen ans Herz legen und um Weisheit und Mut für die Regierenden bitten. 

Kardinal Marx ruft zum Einsatz für Demokratie auf 

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat in seiner Silvesterpredigt zum Einsatz für die Demokratie aufgerufen. Er gehe "mit großer Sorge in das kommende Jahr", sagte er am Sonntagabend im Liebfrauendom. 

Kardinal Reinhard Marx / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kardinal Reinhard Marx / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Da seien die Kriege "vor unserer Haustüre", aber auch die Gefahr, die von autoritärem Denken, Populismus und Verschwörungstheorien für die Demokratie ausgehe. 

Um sich den Herausforderungen mit Zuversicht zu stellen, bräuchten Christinnen und Christen die Stärke aus dem Glauben, fügte Marx hinzu. "Ich bin überzeugt, dass gerade die Kraft des Gebets von außerordentlicher Bedeutung ist." Im Gebet "öffnet sich ein neuer Horizont".

Bischof Dieser warnt vor Extremismus und Lagerdenken

"Wir rufen seine Vorsehung an, dass er den so brandgefährlichen Bestrebungen der Gewalt- und Hasspolitik wehrt und allen die Macht nimmt, die sie missbrauchen und die Menschen belügen und verführen", erläuterte Dieser. "Wir flehen um Versöhnung zwischen den verfeindeten Lagern und Blockbildungen."

Helmut Dieser (m.), Bischof von Aachen, predigt im Dom in Aachen / © Harald Oppitz (KNA)
Helmut Dieser (m.), Bischof von Aachen, predigt im Dom in Aachen / © Harald Oppitz ( KNA )

Das Gebet mache auch Mut, selber zu handeln, auf Menschen zuzugehen, Leidenden beizustehen 

oder sich ehrenamtlich zu engagieren, sagte der Aachener Bischof. 

Es ermutige dazu, vom Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen und "nicht zu schweigen zu dem, was unerträglich ist", sich politisch gegen Radikalisierungen, gegen Extremisten und Populisten zu positionieren.

Die Mentalität und Spiritualität des "Dennoch"

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat zu einer "dennoch"-Haltung aufgerufen, um schwierigen Situationen im Leben zu begegnen. Eine solche Mentalität könne helfen, "den langen Atem zu behalten, den es in Veränderungsprozessen des Lebens braucht", sagte der katholische Bischof in seiner Silvesterpredigt am Sonntag im Trierer Dom.

Bischof Stephan Ackermann / © Nicolas Ottersbach (DR)
Bischof Stephan Ackermann / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Ackermann verwies dabei etwa auf den Propheten Habakuk, der gewusst habe, "dass Gott die Macht hat, die aussichtslosesten Situationen ins Positive zu wenden". 

Auch der Bochumer Theologen Matthias Sellmann habe eine "dennoch-Mentalität" und "dennoch-Spiritualität" angeregt, um die Motivation zum Glauben und zur Zugehörigkeit zur Kirche nicht zu verlieren.

Bischof Ackermann erinnert an die tiefere Schicht der Wirklichkeit

Ackermann sagte, Menschen mit einer "dennoch-Haltung" ließen sich von der Bibel an die vielen Situationen erinnern, in denen Gott gegen jede Wahrscheinlichkeit Rettung gebracht habe. 

In Abgrenzung zum "trotzdem" sei die Haltung des "dennoch" gelassener und konstruktiver. "Sie glaubt an eine Schicht der Wirklichkeit, die tiefer liegt als das, was sich äußerlich sehen, was sich zählen und messen und rechnerisch beweisen lässt", sagte Ackermann.

Der Münsteraner Bischof Felix Genn hat davor gewarnt, sich durch Kriege in der Welt abstumpfen zu lassen. "Wir dürfen hier nicht nachlassen, darauf hinzuweisen, dass jeder Krieg Unrecht ist und Leben zerstört", sagte der katholische Bischof am Sonntag in seiner Silvesterpredigt in der Sankt-Lamberti-Kirche in Münster. 

Warnung vor Aufhebung des Abtreibungs-Kompromisses

Genn sprach sich gegen eine Neuordnung des Strafrechts-Paragrafen 218 zum Schwangerschaftsabbruch aus. Abtreibungen sind durch die Regelung zwar grundsätzlich illegal, werden aber nach vorheriger Beratung bis zur 12. Schwangerschaftswoche nicht bestraft. 

Die Bundesregierung hat eine Kommission beauftragt, eine mögliche Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts zu prüfen. 

Der Bischof betonte, der in dem Paragrafen festgesetzte Kompromiss bringe die Rechte von schwangeren Frauen und ungeborenem Leben seiner Ansicht nach in einen guten Einklang und dürfe deshalb nicht aufgehoben werden.

Bischof Genn warnt vor Gewöhnung der Menschen an Krieg

Die Menschen dürften sich nicht an Kriege wie in der Ukraine oder im Heiligen Land gewöhnen. Christinnen und Christen müssten sich zudem jeglichem Antisemitismus entgegentreten, mahnte Genn.

Bischof Felix Genn / © Lars Berg (KNA)
Bischof Felix Genn / © Lars Berg ( KNA )

Die Kriege und das Töten vieler Menschen hätten "Abgründe der menschlichen Seele" offenbart, sagte der Bischof. Zudem habe sich die "Verbohrtheit von Politikern" gezeigt, "die letzten Endes davon ausgehen, dass es eine ungleiche Wertigkeit unter einzelnen Völkern gibt, und dass einzelne Völker überhaupt kein Recht auf eine Existenz haben."

Frieden ist harte Arbeit 

Auch im benachbarten Österreich war der Friede Thema einer Silvesteransprache. So erinnerte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn daran, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Österreich habe in seiner Geschichte noch nie eine so lange Zeit des Friedens erlebt, sagte er am Sonntagabend in seiner Silvesteransprache im ORF-Fernsehen. 

"Wenn man so lange in Frieden leben durfte, dann besteht die Gefahr, dass man sich daran gewöhnt" und vergesse, dass Friede auch "harte Arbeit" sei und erfordere, dass man sich immer wieder um ihn bemüht, betonte der Wiener Erzbischof.

"Wir haben in unseren Nachrichten vor allem mit Konflikten zu tun, mit Katastrophen", so Schönborn, "über den Frieden wird wenig geredet, weil er für selbstverständlich gehalten wird". Man müsse sich die Frage stellen, was Frieden tatsächlich ausmache: "Friede ist harte Arbeit, Friede ist anstrengend." 

Das gelte es insbesondere im kommenden Jahr unter anderem mit der Europawahl, aber auch angesichts großer Herausforderungen wie Klimawandel, Inflation oder Krisen in der Weltpolitik im Blick zu behalten, betonte der Kardinal.

 © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
© Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Um den Frieden zu erhalten, ob in der Familie oder in Politik und Wirtschaft, bedürfe es gewisser Tugenden; etwa, "den anderen nicht runterzumachen, sondern wertzuschätzen, auch wenn man verschiedener Ansicht ist. Das Gespräch suchen, das Gemeinsame über das Trennende stellen", so der 78-Jährige. All diese Dinge seien nicht selbstverständlich.

Der Wiener Erzbischof rief dazu auf, "in uns selber die Trägheit zu überwinden", die den Frieden so schwer mache. Das heiße, über den eigenen Egoismus und die eigenen Interessen hinaus zu handeln. Damit das gelinge, seien drei kleine Worte entscheidend: "Danke, Bitte, Verzeih", so Schönborn 

"Wenn wir alle diese Worte oft genug und ehrlich gebrauchen, dann tragen wir auch im kleinen Rahmen unseres Alltags sehr viel dazu bei, dass der Frieden erhalten bleibt", erklärte der Kardinal. "Das wünsche ich Ihnen, das wünsche ich uns allen. Das wünsche ich auch der ganzen Welt."

Miteinander der Generationen 

Der Diözesanadministrator des Erzbistums Paderborn, Michael Bredeck, hat zu einem Miteinander der Generationen aufgerufen. In der Begegnung von Jung und Alt, im Miteinander von Altem, Bewährtem sowie Jungem und Neuem stecke "viel Segen", sagte Bredeck am Silvesterabend im Hohen Dom zu Paderborn. Ziel solle sein, das Beste vom Alten mitzunehmen in eine neue Zeit und dem Neuen zu trauen. "Dass sich die Alten von den Jungen inspirieren lassen und umgekehrt", betonte der kommissarische Leiter des Erzbistums.

Michael Bredeck / © Julia Steinbrecht (KNA)
Michael Bredeck / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Begegnungen würden dabei helfen, dass die menschliche Hoffnung und Sehnsucht nicht schwächer werde und sterbe, führte Bredeck weiter aus. Es komme darauf an, einander zu erinnern, "für wen wir gehen". Gespräche miteinander - zwischen Alt und Jung, Frauen und Männern, Kranken und Gesunden oder Zweiflern und Glaubenden - würden dazu beitragen, "dass wir gemeinsam der Wahrheit näherkommen und nicht selbstgerecht und dumm werden", betonte der Diözesanadministrator. 

Er rief dazu auf, "der Sehnsucht unseres Herzens weiterhin auf der Spur zu bleiben". Aus der Perspektive eines Glaubenden gehe es bei der menschlichen Sehnsucht nach Glück um Jesus, so Bredeck. Jesus sei für Christinnen und Christen die Antwort auf die Hoffnung und Sehnsucht eines Menschen. Es komme darauf an, dass Jesus auch im Neuen Jahr "die treibende Kraft und wichtigste Orientierung sein kann".

Westfälischer Präses-Vize appelliert: Raus aus dem Krisenmodus

Der Theologische Vizepräsident der westfälischen Kirche, Ulf Schlüter, hat zum Jahreswechsel vor
Resignation und Rückzug gewarnt. "Es galt in 2023 und gilt in 2024: Katastrophen und Krisen können, sollen, dürfen uns um Himmels willen nicht lähmen und in Erstarrung bannen", sagte Schlüter am
Sonntagabend im Silvstergottesdienst in St. Reinoldi in Dortmund. Dazu gehören seiner Ansicht nach, den Blick vor allem auf die besseren Nachrichten des zu Ende gegangenen Jahres zu werfen, aber auch die Zuversicht in Gott: "Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand. Wie immer du durchs Leben balancierst. Gott fängt dich auf."

"Wir lassen uns nicht irre machen, auch nicht zur Krisenmodus-Zeit", wandte sich Schlüter gegen "fatalistische Endzeit-Stimmung" und "Prophetie des Untergangs". Dagegen sollten die
Menschen dem neuen Jahr mit "heilsamer Nüchternheit" begegnen: "Zu sehen, zu wissen, was von mir gefordert ist. Und was meine Kraft und Grenzen übersteigt. Zu unterscheiden, was ich aus meinem Leben und aus dieser Zeit machen kann. Und was jenseits meiner Grenzen liegt, was immer ich tue und denke."

Auch die Kirche müsse sich grundlegenden Veränderungen stellen, sagte Schlüter weiter, der nach dem Rücktritt von Präses Annette Kurschus die Aufgaben des leitenden Theologen der Evangelischen Kirche von Westfalen übernommen hat. So stellten Christinnen und Christen nur noch eine Minderheit in Deutschland. "Und wer dazugehört, sucht seine Gründe, entscheidet sich frei", erklärte Schlüter. Er rief die Kirche zu mehr Demut auf. Sie sollten Hoffnung bieten, dabei aber dem eigenen Anspruch gerecht werden und authentisch sein.

Deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz ist der Zusammenschluss der katholischen Bischöfe in Deutschland. Sie leiten als Ortsbischöfe eines der 27 Bistümer oder unterstützen als Weihbischöfe. Insgesamt gehören ihr derzeit 67 Mitglieder an.

Ebenfalls zur Konferenz gehören - auch wenn sie nicht Bischöfe sind - Diözesanadministratoren, die ein Bistum nach Rücktritt oder Tod eines Ortsbischofs übergangsweise verwalten.

Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
epd , KNA