Der Weltkirchenrat tagt zwischen Finanzkrise und internem Zwist

Christliches Mammut sucht neues Profil

In der südkoreanischen Hafenstadt Busan wird heute das größte Kirchentreffen dieses Jahres eröffnet. Bis zum 8. November tagt dort die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), dem rund 500 Millionen Christen angehören.

 (DR)

Dem Ökumenischen Rat der Kirchen gehören 345 Mitgliedskirchen an. An der Mammut-Veranstaltung unter dem Leitwort "Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden" nehmen nach ÖRK-Angaben mehr als 800 Delegierte der Mitgliedskirchen sowie mehr als 575 Vertreter anderer Kirchen und Beobachter, weitere 1.000 Gäste aus aller Welt, 1.000 Mitglieder des koreanischen Gastgeberausschusses und schließlich mehr als 300 ÖRK-Mitarbeiter teil.

21 ökumenische Gespräche

Der Weltkirchenrat hat sich, wie schon aus dieser Auflistung hervorgeht, wieder viel auf einmal vorgenommen. In sieben thematischen Plenarveranstaltungen sollen Themen wie Mission, Einheit der Christen, Gerechtigkeit und Frieden behandelt werden. Es gibt Berichte des Generalsekretärs Olav Fykse Tveit und des Vorsitzenden, des brasilianischen Lutheraners Walter Altmann, sowie der Kommissionen, außerdem Neuwahlen der Spitzengremien. Bei den täglichen Andachten und Bibelarbeiten steht zudem das gemeinsame geistliche Leben und Feiern im Mittelpunkt. Zudem gibt es 21 ökumenische Gespräche zu Einzelthemen.

In das Programm eingebaut ist zudem eine "Ökumenische Pilgerreise für den Frieden mit den koreanischen Kirchen" - wobei auch die Teilung des Gastgeberlandes thematisiert wird. Alle diese Angebote sollen laut ÖRK den Teilnehmern einen umfassenden Austausch ermöglichen, das Gefühl der Gemeinschaft vertiefen, Kenntnisse über die ökumenische Bewegung ausbauen und Raum für den Dialog über wichtige Themen bieten.

Kein klarer Schwerpunkt

Diese Vielfalt mag dazu beitragen, dass diese 10. Vollversammlung des 1948 gegründeten Weltkirchenrats vorab wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Es fehlt ein klarer Schwerpunkt wie etwa 1983 im kanadischen Vancouver, als der "Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" ausgerufen wurde, der in den folgenden Jahren auch Einfluss auf die realpolitische Entwicklung nahm.

Hinzu kommt ein schwindender Rückhalt des ÖRK mit seiner Zentrale in Genf, für den die seit Jahren schwelende Finanzkrise nur ein Ausdruck ist. Letztere resultiert vor allem aus dem Wechselkurs des Schweizer Franken, aber auch aus der mangelnden Zahlungsmoral mancher Mitgliedskirche. Der seit 2010 amtierende Generalsekretär Tveit musste sich bisher vor allem mit der finanziellen und strukturellen Konsolidierung seiner Organisation kümmern - so dauert die jetzige Versammlung in Busan nur halb so lange wie die in Vancouver. Darüber hinaus hat der norwegische Lutheraner noch wenig inhaltliches Profil gewonnen.

Katholische Kirche nicht Mitglied

Die orthodoxen Kirchen - allen voran die russische - sehen die Tätigkeit des ÖRK mit seinen Schwerpunkten Gerechtigkeit und Frieden zunehmend kritisch, ebenso wie auf der anderen Seite des kirchlichen Spektrums die wachsenden evangelikal-charismatischen Bewegung und die Pfingstkirchen, die vor allem in den Ländern des Südens expandieren und im Weltkirchenrat nicht Mitglied sind. Auch die katholische Kirche, mit ihren mehr als 1,2 Milliarden Gläubigen immer noch die größte Kirche, ist nicht Mitglied, arbeitet aber auf verschiedenen Gebieten mit dem ÖRK zusammen, vor allem in der Kommission für "Glauben und Kirchenverfassung" (Faith and order).

In Busan hat der ÖRK auch die Aufgabe, seine Rolle für die nächsten Jahre zu justieren. Welche von den vorgesehenen Themen die Versammlung prägen werden, ist noch nicht abzusehen. In dem Gastland, von dessen Einwohnern nur 30 Prozent Christen - davon ein Drittel Katholiken - sind, dürfte jedenfalls kaum ein Thema aktueller sein als die Frage nach Gemeinschaft und Wiedervereinigung, für die der Koreanische Kirchenrat eintritt. Die politische Brisanz des Treffens zeigt sich auch darin, dass es am Dienstagmittag (Ortszeit) einen Bombenalarm im Tagungszentrum gab. Bereits vorher wurde das Gebäude mit Exkrementen beschmiert, angeblich von evangelikalen Kreisen. Sie wehren sich gegen die ÖRK-Positionen zum Thema Homosexualität.


Ein Mann des Ausgleichs: Olav Fykse Tveit (epd)
Ein Mann des Ausgleichs: Olav Fykse Tveit / ( epd )
Quelle:
KNA