Der Welternährungstag greift die Diskussion um Agrarsprit auf

Die Nuss, das Öl, der Hunger

Auf dem aktuellen Welthungerindex belegt Madagaskar einen der hinteren Plätze. Und gehört damit zu den Ländern, die im Fokus des Welternährungstages am Donnerstag stehen. Laut Welternährungsorganisation FAO beteiligen sich daran in diesem Jahr über 150 Staaten rund um den Globus. Ein besonderes Augenmerk der Aktionen liegt auf den Folgen von Klimawandel und dem steigenden Bedarf an Agrartreibstoffen für die weltweite Nahrungsmittelproduktion.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Was als Biodiesel oder -ethanol deklariert die grüne Wende auf dem Energiemarkt bringen sollte, ist mittlerweile heftig umstritten. Viele Experten kritisieren den großflächigen Anbau von «Spritpflanzen», zum Beispiel Soja oder Ölpalmen, in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Brasilien und Indonesien. Kleinbäuerliche Existenzen würden dadurch vernichtet, die Ackerflächen für Reis, Weizen oder Mais systematisch zurückgedrängt. In der Folge seien die Preise für Grundnahrungsmittel explodiert, was letzten Endes auch zu den Hungeraufständen geführt habe, die zu Jahresbeginn viele Teile der Welt erschütterten.

Der Leiter des Tropenzentrums der Universität Hohenheim, Klaus Becker, warnt allerdings vor Verallgemeinerungen. Agrartreibstoffe müssten in der öffentlichen Diskussion allzu oft als Sündenböcke für politische und wirtschaftliche Fehlentscheidungen herhalten.

Das Beispiel Madagaskar
Einst war Madagaskar, die viertgrößte Insel der Welt, für ihren Reichtum an Pflanzen und Tieren bekannt. Doch eine wachsende Bevölkerung und der Raubbau an der Natur veränderten nach und nach das Bild der Landschaft. Der früher üppig wuchernde Regenwald ist heute weitgehend verschwunden. Stattdessen besteht der überwiegende Teil des südostostafrikanischen Inselstaates aus wenig fruchtbaren Steppengebieten.

Allein in Madagaskar gebe es 20 Millionen Hektar «degradiertes Land», das mitunter seit Jahrzehnten schon nicht oder nur wenig bewirtschaftet werde, sagt Becker. Einen Teil dieser Brachflächen möchte der Agrarwissenschaftler nun für den Anbau einer bislang eher unerforschten Ölpflanze nutzen: Jatropha.

Das auch unter dem Namen Purgiernuss bekannte Gewächs gilt als extrem genügsam und ist seit dem 17. Jahrhundert auf Madagaskar heimisch, wo es auch auf den trockenen Böden der Grassavannen wächst. Die für Menschen ungenießbaren, walnussgroßen Früchte des bis zu acht Meter hohen Buschs enthalten rund 40 Prozent Öl, das sich zu Biodiesel verarbeiten lässt. Wie sich der Ertrag der bislang hauptsächlich wildwachsenden Pflanze steigern lässt, erforscht Becker derzeit auf einer 3.000 Hektar großen Versuchsplantage südlich der Hauptstadt Antananarivo.

Das unter anderem vom baden-württembergischen Energieversorger EnBW geförderte Pilotprojekt soll in den kommenden Jahren bis zu 500 Bewohnern der Umgebung Arbeitsplätze bieten. Und darüber hinaus Stoff liefern für gleich fünf Doktorarbeiten. Auch wenn noch viele Fragen offen sind - Becker erhofft sich von der Jatropha-Zucht entscheidende Impulse für die einheimische Wirtschaft. So könnten die Erträge den Bedarf an Rohöl in Madagaskar in absehbarer Zeit abdecken. Hinzu komme, dass die Büsche die Bodenerosion aufhielten und damit den Anbau anderer Nutzpflanzen wieder möglich machten.

Becker verweist auf erfolgreiche Versuche in Indien. Bis 2035 rechnet er mit einem jährlichen weltweiten Zuwachs an Jatropha-Anbauflächen von einer Million Hektar. Die Entwicklung beobachten manche Entwicklungshelfer mit Sorge. Die zuständige Referentin des katholischen Hilfswerks Misereor, Ulrike Bickel, warnt davor, dass ein Großteil der Erträge in den Export gehen könnte und Monokulturen sowie der Einsatz von Pestiziden zu einem Verlust der biologischen Vielfalt führen. Ein Blick auf Madagaskar scheint Bickels Befürchtungen zu bestätigen. Britische und israelische Investoren haben bereits Interesse angemeldet - für Großprojekte auf möglichst ertragreichen Ackerböden, um künftig den internationalen Markt zu beliefern.