Der "Trend" Sozialticket und seine Probleme

Mobil trotz Armut

Günstige Bus- und Bahntickets, um sozial Schwachen Mobilität und damit die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen - in einigen Städten ist das schon jetzt möglich. In immer mehr Gemeinden wird der Ruf nach einem Sozialticket lauter. Nicht überall wird er erhört.

Autor/in:
Rolf Stegemann
 (DR)

Vielerorts haben sich wie in Bochum breite Bündnisse aus Gewerkschaften, Sozialverbänden, Initiativen und Parteien gebildet, um für das Sozialticket zu werben. Auch der Bochumer Superintendent Fred Sobiech gehört zu den Unterstützern.

Sie alle finden: Bei 347 Euro im Monat sind für einen Hartz IV-Bezieher die Fahrpreise im Öffentlichen Nahverkehr nicht mehr zu bezahlen. In Dortmund zum Beispiel kostet das stadtweite Monatsticket im Abo regulär 45,77 Euro. "Umwelt- und klimafreundliches Bus- und Bahnfahren darf kein Luxusgut sein", fordert denn auch die Gewerkschaft ver.di in Gelsenkirchen und verweist auf die Nachbarstadt, wo seit Februar das Sozialticket 15 Euro kostet.

Nicht immer möglich
Doch die wachsende Zahl möglicher Bezieher eines Sozialtickets erweist sich zunehmend als Bremse für den fairen Fahrschein. Vor allem jene Kommunen und Gemeinden, die schon erhebliche Soziallasten schultern müssen, fürchten zusätzliche Kosten. Auch die Bochumer Grünen wissen, dass das Sozialticket "nur kostenneutral eingeführt werden kann". In der Revierstadt haben die Politiker eine Deckungslücke von einer halben Millionen Euro errechnet.

Summen, die auch anderswo die Verantwortlichen zusammenzucken lassen.
Den Spagat zwischen Finanzen und Fahrpreisen fasst der zuständige Leipziger Beigeordnete Thomas Fabian so zusammen: "Auch wenn gute Gründe für die Einführung eines Sozialtickets sprechen, kann eine solche freiwillige Leistung aber nur mit Berücksichtigung der aktuellen Haushaltslage finanziert werden." In Leipzig hätten rund 88.000 Bürger Anspruch auf ein Sozialticket. Kosten für die Stadt: jährlich rund 1,4 Millionen Euro. Das Votum der Verwaltung ist deshalb auch eindeutig: Sozialticket? Nein danke!

Erfolg bei den Betroffenen
Bei den Betroffenen, wo jeder Euro zählt, ist das Sozialticket ein Erfolg. In Dortmund haben innerhalb der ersten zwei Monate rund 15.500 Anspruchsberechtigte den Fahrausweis erhalten. In Zeiten, in denen soziale Wohltaten Mangelware sind, weckt dieser Erfolg auch Begehrlichkeiten bei den Akteuren der Sozialpolitik.

Schnell wird das Sozialticket vor Ort zum politischen Zankapfel. Die LINKE hat es allerorten auf ihre Fahnen geschrieben und geht damit beim Wählervolk hausieren. Sehr zum Missfallen der SPD, die, wie zum Beispiel in Brandenburg, auch mal schnell auf den Zug aufspringt, um nicht den Anschluss zu verpassen.

Berlin ist derweil schon einen Schritt weiter. Der Senat will ab Herbst einen kostenlosen Sozialpass einführen und damit die bereits vorhandenen Ermäßigungen und Vergünstigungen für Freizeit- und Kulturangebote sowie bei den örtlichen Verkehrbetrieben bündeln. In dem sogenannten "Berlin Pass" soll dann auch das vor drei Jahren eingeführte Sozialticket aufgehen.