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Der tote Hase, Beuys und die Kripo, Teil II

Es klingelt an der Türe. Guten Tag, dürfen wir reinkommen, fragen freundliche Menschen von der Kripo.

Hommage an Beuys von seinem Schüler Anatol / © angela krumpen  (ak)
Hommage an Beuys von seinem Schüler Anatol / © angela krumpen ( ak )

Mein Herz rast. Die Kripo? Was ist denn jetzt los? Los ist, dass die Polizisten den Ausdruck einer Internet-Bestellung im Gepäck haben. Mein Mann hatte für ein Kunstprojekt der Ältesten Rohrreiniger bestellt.

Da mein Mann keinen Sanitärbedarf führt, den Rohrreiniger also nicht gewerblich nutzt, hat er sich strafbar gemacht. Aus Säuren könnte man schließlich Bomben bauen. 

Ich bitte die Polizisten hinein. Und fange am Anfang an.

Damit bin ich bei Beuys, dem Künstler. Einhundert Jahre wäre er jetzt geworden. Die Älteste studiert Kunst. Ihre Uni hat ein Seminar über Beuys angesetzt. 

Die Älteste denkt eine Performance weiter, in der Beuys einem toten Hasen seine Kunst erklärt. Sie bettet selbst einen toten Hasen in ein Säurebad aus Rohrreiniger und dokumentiert seine Auflösung.

Entstanden ist ein so kunstvoller wie kluger Film über das Leben und seine Vergänglichkeit, den die Uni mit der Note 1.0 adelt.

All das erzähle ich den Polizisten, zeige ihnen den Film.

Die Polizisten lachen. Was für eine Geschichte, sagt der eine, der mit einer Kunstlehrerin verheiratet ist. Ob er die der Pressestelle erzählen dürfe? Und den Tatort müsse er sehen.

Am Tatort gibt es keinen Hasen mehr, das Säurebad aber schon noch. Das muss ordentlich entsorgt werden. Natürlich. Die Polizisten informieren das Ordnungsamt.

Wieder klingelte es an der Tür. Sieben Männer von Feuerwehr und Ordnungsamt, alle geschützt mit dicken Westen und dicken Stiefeln, stehen vor mir, verschränken die Arme. Ihre Fragen stechen wie ätzende Säure.

Beuys interessiert sie nicht. Nur, warum der Hase nicht ordnungsgemäß entsorgt sei. Die Älteste hat sich sehr bemüht. Aber niemand wollte anorganisch-organisch gemischten Abfall entsorgen.

Das Ordnungsamt ordnet die Entsorgung des Hasen durch eine Fachfirma an. Zwei Wochen später sind wir 200 Euro ärmer und der Hase wird mit einem riesigen Gefahrguttransporter abgeholt.

Mich wundert jetzt gar nichts mehr. Und wenn ich Beuys wäre, würde ich als Nächstes höchstpersönlich selbst an unserer Haustüre klingeln.

An seiner Stelle würde ich mit eigenen Augen sehen wollen, wer da meine Vorstellung von Kunst, in der alle Menschen Künstler sind und ein Kunstwerk nie fertig im Sinne von abgeschlossen ist, so meisterlich umgesetzt hat.

Denn im Fall vom toten Hasen gehören jetzt auch Feuerwehr, Kripo, Ordnungsamt und Gefahrgutentsorger zum Kunstwerk. Und wer weiß, ob das schon alles war?  


Den Filzanzug (1970) von Joseph Beuys schaut sich im Ruhrmuseum eine Fachbesucherin an / © Roland Weihrauch (dpa)
Den Filzanzug (1970) von Joseph Beuys schaut sich im Ruhrmuseum eine Fachbesucherin an / © Roland Weihrauch ( dpa )