Der Theologe Hans Küng wird 85

Mahner und Kritiker

Er gilt als Rebell, Kirchenkritiker, Gegenspieler des Papstes. Aber Hans Küng, noch bis Mitte April Präsident der Stiftung Weltethos, will vor allem Mahner sein: "Ich hasse es, ständig als Kirchenkritiker tituliert zu werden."

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

Der Tübinger Theologe, der am Dienstag 85 Jahre alt wird, sieht das Weltethos als ein "ethisches Koordinatenkreuz". Er spricht von moralischen Standards und verweist auf die goldene Regel "Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem andern zu". Diese Idee vermittelt die Stiftung in Vorträgen und Schulen. Küng bewirbt sie als Dialogpartner bei Staatsmännern und Religionsführern.

Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan ist nur einer seiner internationalen Gesprächspartner, in Deutschland steht er immer noch in Kontakt mit vielen Spitzenpolitikern.

Überraschend war, als die Stiftung im Januar bekanntgab, dass Ex-Bundespräsident Horst Köhler nicht wie im Vorjahr von Küng angekündigt dessen Nachfolge an der Spitze der Einrichtung übernimmt und stattdessen Eberhard Stilz, Präsident des baden-württembergischen Staatsgerichtshofs, das Amt ausfüllen soll. Weder Küng noch Köhler mögen sich näher über die Gründe äußern.

Entzug der Lehrerlaubnis

Mit dem Elan, den Küng seit Jahrzehnten für sein Projekt Weltethos zeigt, streitet er auch in der Theologie. Ein Schweizer bleibt er nicht nur beim Dialekt. Eidgenössischer Stolz prägt sein Naturell, sein Selbstbewusstsein. Manche nennen es Eitelkeit. Diese Prägung mag Ergebnis des "Fall Küng" sein, der eine der größten Erschütterungen bedeutete, die die katholische Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) traf. Es ging um die Unfehlbarkeit des Papstes, aber auch um tatsächliche Grundfragen des Glaubens.

Der Entzug der Lehrerlaubnis durch Rom 1979 stellte den Höhepunkt eines lange schwelenden Konflikts dar. Als Novum in der Universitäts-Geschichte erhielt Küng, seit 1960 Professor für Theologie in Tübingen und dort zeitweise Kollege von Joseph Ratzinger, einen fakultätsunabhängigen Lehrstuhl für Ökumene. Große Wirkung erreichten seine Bücher, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Die Gesamtauflage geht in die Millionen.

Die beiden ersten Bände der Autobiografie, "Erkämpfte Freiheit" und "Umstrittene Freiheit", sind kirchengeschichtliche Detailarbeit. Im zweiten Band finden sich immer wieder Bezüge zu Joseph Ratzinger und, vorausgreifend, Benedikt XVI. Heftige, persönliche Kritik steht neben Dankbarkeit. Küng und Ratzinger zählten während des Vaticanums zu den jüngsten Konzilsberatern.

Küng trifft Benedikt XVI.

Sie sahen sich wieder, 40 Jahre später: Ende September 2005 empfing der frühere Papst Küng zu einem vierstündigen und damit ungewöhnlich langen persönlichen Gespräch. Das war eine Sensation. Das laut vatikanischem Communique "brüderliche Gespräch" war so etwas wie eine gegenseitige Anerkennung. Band zwei der Erinnerungen, in denen Küng von "zwei Formen des katholisch Seins" spricht, schickte er an den Papst. Küng meint damit die so unterschiedlichen Lebenswege der beiden Theologen. "Lieber Herr Küng" beginnt der Brief vom Herbst 2007, mit dem sich Benedikt XVI. für das Buch bedankte. Der Theologe sei, so der Papst, seinen Weg gemäß seinem Gewissen gegangen, "davor habe ich Respekt". Auch er, Ratzinger, sei den Weg des Gewissens gegangen. Küng sieht in den folgenden Ausführungen eine gemeinsame Spiritualität, "die es ermöglichen würde zusammenzuarbeiten".

Nach wie vor sieht sich Küng als «loyaler katholischer Theologe». Ein Konfessionswechsel kam ihm wohl nie in den Sinn. Sein Denken atmet, trotz aller Differenzen, Katholizität. Nach wie vor arbeitet er an seiner Autobiografie. Er hoffe, so endet Band zwei, "noch ein wenig weitergehen zu dürfen" und im abschließenden dritten Band berichten zu können über ein Leben, «das mich in ungeahnte Weiten geführt hat, getragen von der Wirklichkeit dieses ganz Anderen». Eigentlich, erzählt Küng, wollte er nach der Priesterweihe 1954 Jugendseelsorger in der Schweizer Heimat werden. Es kam anders.


Quelle:
KNA