Der Tanz der Akelei

Fromm und frei

Etwas oberhalb des Blumenbeetes, fast schon in luftiger Höhe, ist die Akelei zu Hause. Es ist die „gemeine Akelei“, gemein vielleicht deshalb, weil sie sich so gar nicht nach den Plänen des Gärtners richtet, sondern wächst wo sie will. Aber trotz dieser kleinen Widerborstigkeit: sie ist eine schwebende Schönheit.

Akelei / © St.Q.
Akelei / © St.Q.

Üblicherweise machen ja die Gärtner den Plan. Sie sind es, die jeder Pflanze ihren Platz zuweisen. Sie sind es, die sich genau vorstellen, wie alles hübsch aussehen soll. Doch es gibt auch Pflanzen, die gar nicht daran denken, sich nach den Plänen des Gärtners zu richten. Man kann diese Pflanzen einladen in den Garten. Doch ihre Lieblingsplätze bestimmen sie selbst. Als „Vagabunden, Wanderer zwischen den Welten“ hat sie Karl Foerster einmal bezeichnet. Die Akelei, die gerade in vielen Gärten blüht, ist eine von ihnen.

Behutsam wippen sie auf schlanken Stängeln,
als klänge eine Glockenmelodie,
zu der sie sich aus tausend Ritzen drängeln,
..ein wenig keck, ein wenig schüchtern. Sieh!

schreibt ein Parlevio im Internet auf „gedichte.com“.
Durch den ergiebigen Regen sind die Akeleien dieses Jahr besonders in die Höhe geschossen. Mit Blütenkleidern in den verschiedensten Farben und Formen tanzen sie durch unsere Gärten, schweben sie über den Beeten- immer auf der Suche nach einem neuen Landeplatz. Denn nicht nur bei der Platzwahl probiert diese Pflanze gern mal etwas Neues.

Im ersten Jahr blühte alles in dezentem Altrosa. Im nächsten Jahr schon erscheinen die ersten Blüten in Blau. Purpurfarbene oder fast schwarze Blüten folgen. Der lange Sporn ist plötzlich gestaucht. Manche Blüte sind gefüllt oder zweifarbig. Sogar gelbe und orange Akeleien gibt es.

Reiche Symbolik

Die spontanen Kreuzungen entstehen bei der Selbstaussaat. Kein Wunder, dass die Akelei im Volksmund so viele Namen hat: Zigeunerglocke, Narrenkappe, Taubenblume, Elfenhandschuh oder auch Venuswagen. Letzterer spielt darauf an, dass man der Akelei im Mittelalter eine große liebesfördernde Wirkung zuschrieb. Und geliebt wurde die zarte Pflanze mit der einzigartigen Blütenform schon vor 500 Jahren.

In der Buchmalerei erscheint sie bereits ab dem 14. Jahrhundert häufig. Esther Gallwitz bezeichnet die Akelei als die „gotische“ Pflanze. Der besondere Aufbau der Blüte sowie die dreigeteilten Blätter gaben viel Raum für Zahlenmystik, symbolische Interpretation und graphische Abstraktion. Die symbolische Bedeutung der Akelei in der christlichen Religion bezieht sich auf die drei geteilten Blätter der Blume. Sie wird als Dreifaltigkeitssymbol interpretiert. In den sieben Blüten der Akelei symbolisieren sich die sieben Gaben des Heiligen Geistes.

In Köln, im Wallraff-Richartz-Museum, hängt ein Triptychon, „Die Anbetung der Könige“, auf deren Mitteltafel ein Strauß mit sieben Akelei-Blüten auftaucht. Der unbekannte mittelalterliche Maler hat die Blüten in die Nähe des weiter links befindlichen Taubensymbols gerückt, die sieben Blüten symbolisieren damit auch die „sieben Gaben des Heiligen Geistes“. Häufig steht die Akelei auch für Demut und Bescheidenheit Marias. Tatsächlich ist die Pflanze sehr genügsam.

Ein lichtblaues Meer

Zur Not siedelt die Akelei auch in mageren Fugen und Mauerritzen. Die Luxusvariante: Ein Standort im lichten Halbschatten. Doch im Schutz höherer Stauden wächst sie auch gern an vollsonnigen Standorten. Wer die Akelei fördern möchte, mulcht mit Humus, Kompost oder Laubmulch. Wo sie unerwünscht ist, sollte man nicht zu lange zögern, sie zu entfernen. Denn so zart die Blüten auch wirken, der Wurzelstock entwickelt sich recht schnell und massiv.

Ein kurzzeitiges, aber umwerfend schönes Gartenbild entsteht durch eine großzügige Unterpflanzung mit Vergissmeinnicht. Ein lichtblaues Meer über dem die Akeleiblüten wie Elfen schweben. Andererseits: Während hoch oben die Blüten schwerelos leuchten, passt zu ihren Füßen in aller Ruhe das imposante Blattwerk einer spät austreibenden Funkie. Aber das ist das schon wieder ein ausgeklügelter Plan, an den sich die Akelei nicht halten wird – wer weiß wo sie im kommenden Jahr im Garten tanzen wird. (Claudia Vogelsang / St.Q.)