Der Prozess in der "Vatileaks 2"-Affäre beginnt

Der Vatikan klagt an

Im Vatikan beginnt ein spektakuläres Verfahren: Fünf Angeklagte müssen sich vor Gericht verantworten, weil sie vertrauliche Dokumente verbreitet haben sollen. Doch der Prozess dürfte eher symbolische Bedeutung haben.

Autor/in:
Thomas Jansen
Vom Vatikan angeklagt: Die Autoren Gianluigi Nuzzi (l) und Emiliano Fittipaldi / © Georg Hochmuth/Giorgio Onorati (dpa)
Vom Vatikan angeklagt: Die Autoren Gianluigi Nuzzi (l) und Emiliano Fittipaldi / © Georg Hochmuth/Giorgio Onorati ( dpa )

An diesem Dienstag gibt es eine Premiere in der Geschichte des Vatikan: Erstmals müssen sich ein ranghoher Geistlicher und zwei italienische Journalisten vor einem Gericht des päpstlichen Staates wegen "illegaler Verbreitung vertraulicher Informationen und Dokumente" verantworten. Insgesamt sind fünf Personen von der vatikanischen Staatsanwaltschaft angeklagt. Hinzu kommen ein ehemaliger Mitarbeiter des Geistlichen sowie die italienische PR-Fachfrau Francesca Chaouqui.

Unterlagen in Enthüllungbüchern veröffentlicht

In dem Verfahren vor dem Gericht des Vatikanstaates geht es um Unterlagen, die teilweise in jüngst erschienenen Enthüllungsbüchern der Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi über Misswirtschaft, Geldverschwendung und Korruption im Vatikan veröffentlicht wurden. Der Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls, Lucio Angel Vallejo Balda, soll ihnen die Dokumente zugespielt haben. Als Sekretär ist der spanische Priester der zweite Mann in der Hierarchie der Behörde.

Vallejo war auch Sekretär einer päpstlichen Kommission zur Neuordnung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Vatikan (COSEA), die von 2013 bis 2014 arbeitete. Aus ihrem Archiv stammen die veröffentlichten Unterlagen. Chaouqui war ebenfalls Mitglied dieses Gremiums. Die 33-Jährige und der angeklagte Mitarbeiter Vallejos, Nicola Maio, sollen ebenfalls Dokumente illegal weitergegeben haben.

Erinnerungen an "Vatileaks-Affäre"

Die vatikanische Staatsanwaltschaft wirft den dreien zudem die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Diese habe die Verbreitung von Informationen und Dokumenten zum Ziel gehabt, die "fundamentale Interessen des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaates betreffen".

Der Fall erinnert an die sogenannte Vatileaks-Affäre vor drei Jahren. Damals wurde der Kammerdiener von Benedikt XVI., Paolo Gabriele, wegen Unterlagendiebstahls zu einer Haftstrafe verurteilt, kurz darauf jedoch vom Papst begnadigt. Der Journalist Nuzzi spielte schon damals eine Hauptrolle. Als Reaktion darauf wurde 2013 die "illegale Verbreitung vertraulicher Informationen und Dokumente" als eigener Straftatbestand im Strafgesetz des Vatikanstaates aufgenommen.

Details der Ermittlungen wurden bekannt

Unterdessen berichtet die Tageszeitung "Repubblica" über Details der Ermittlungen. Besonders pikant: Ihre angebliche Quelle ist der bislang vertrauliche Bericht der vatikanischen Staatsanwaltschaft.

Die Zeitung veröffentlichte ein Faksimile vom Deckblatt des Dokuments als Beleg. Laut der "Repubblica" soll Vallejo dem Journalisten Nuzzi etwa über WhatsApp einen Brief der COSEA übermittelt haben, das 87 Passwörter für den Zugriff auf die digital gespeicherten Unterlagen des Gremiums enthielt. Adressat des Schreibens war demnach der Papst.

Laut der Zeitung soll Vallejo den Geheimnisverrat begangen haben, weil er sich von den beiden Journalisten und Chaouqui unter Druck gesetzt und bedroht gefühlt habe.

Der spanische Priester sitzt bereits seit Anfang November in Untersuchungshaft. Chaouqui wurde vorübergehend festgenommen, jedoch wegen ihrer Kooperationsbereitschaft und wohl auch wegen ihrer Schwangerschaft wieder freigelassen. Den Angeklagten drohen Haftstrafen zwischen vier und acht Jahren. Unmittelbare Konsequenzen muss jedoch nur Vallejo fürchten, der vatikanischer Staatsbürger ist.

Rechtshilfegesuchen an Italien

Um die italienischen Staatsbürger Nuzzi, Fittipaldi, Chaouqui und Maio juristisch belangen zu können, müsste der Vatikan ein Rechtshilfeersuchen an Italien stellen. Von einem solchen Schritt ist derzeit jedoch nichts bekannt. Bislang hat der Vatikan überhaupt nur einmal, 2013, ein solches Ersuchen an Italien gestellt.

Eine wirksame Unterstützung durch die italienische Justiz wäre ohnehin fraglich. Die Medien des Landes zitieren regelmäßig aus vertraulichen Dokumenten und abgehörten Telefonaten, ohne dass dies rechtliche Folgen hätte. Nuzzi kündigte bereits an, nicht zum Prozessbeginn erscheinen zu wollen. Chaouqui teilte via Facebook ihr Kommen mit. Der Vatikan wies darauf hin, dass über die Angeklagten auch in Abwesenheit geurteilt werde.


Quelle:
KNA