Der neue Präsident Scharif wird von vielen als Friedensbote verehrt

Somalias jüngste Hoffnung

Der vor mehr als zwei Jahren von der äthiopischen Armee vertriebene Islamistenführer Sheikh Scharif Sheikh Ahmed ist am Samstag als neuer somalischer Staatspräsident vereidigt worden. Der vierzigjährige Geistliche war im Exil in Eritrea an die Spitze einer anti-äthiopischen "Allianz für die Wiederbefreiung Somalias" getreten. Auf dem neuen Präsidenten ruhen nun alle Hoffnungen für eine Rückkehr zum Frieden.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

Hätte der somalische Islamistenführer Scheich Scharif Ahmed sich in der Vergangenheit in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba blicken lassen, wäre er sofort verhaftet und eingekerkert worden. Scharif galt bislang als Feind Äthiopiens. Doch seit der Nacht zum Samstag ist er frisch gewählter somalischer Präsident. Und als solcher wurde Scharif vom Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Äthiopien mit begeistertem Applaus begrüßt.

«In Somalia gibt es wieder einen Hoffnungsschimmer», freute sich AU-Generalsekretär Jean Ping. «Ich verlasse mich auf Ihre weise und visionäre Führerschaft», gab UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dem studierten Geografielehrer Scharif (42) mit auf den Weg. Ganz so freundlich dürfte der Empfang in der Heimat nicht ausfallen. Scharifs ehemalige Kampfgenossen, die radikalen Islamisten der Schabaab-Miliz, haben bereits Widerstand gegen seinen moderaten Flügel der «Allianz zur Wiederbefreiung Somalias» angekündigt, der nach Friedensgesprächen im Nachbarland Dschibuti jetzt an Parlament und Regierung beteiligt ist.


Gewalt schon angekündigt
«Unser ehemaliger Anführer arbeitet mit unserem Todfeind Äthiopien zusammen, das ist ein Verrat an uns und am ganzen Islam», wetterte der Führer der Schabaab-Miliz in Kismayo, Scheich Hayakalah. «Wir werden Scharif bekämpfen, wo immer es geht.» Doch während am bisherigen Sitz des Parlaments in der Stadt Baidoa, die ebenfalls von Schabaab-Extremisten gehalten wird, Proteste gegen Scharifs Wahl stattfanden, wurde in Mogadischu gefeiert.

«Lang lebe Scheich Scharif», riefen Tausende Demonstranten, die sich in der umkämpften Hauptstadt unter Lebensgefahr versammelten. Viele in Mogadischu haben Scheich Scharif Ahmed als Anführer der «Union islamischer Gerichtshöfe» in guter Erinnerung. Zwischen Mitte und Ende 2006 sorgte Scharifs Regierung zum ersten Mal seit der Flucht des Diktators Siad Barre 1991 für eine Art Stabilität im Land.
Scharif ließ Straßensperren abbauen, verbot die gefürchteten Kleinarmeen der Warlords und stoppte sogar die Piraterie vor Somalias Küste.

Keine glorreiche Vergangenheit
Dass Scharif zeitgleich Diebe zu Tode steinigen ließ, Fernsehen und Tänze verbot, nahmen ihm im Nachhinein nur noch Wenige übel. Denn seit Äthiopiens Truppen Scharif Ende 2006 vertrieben, ging es steil bergab. Mehr als 10.000 Menschen starben bei den Gefechten mit Untergrundkämpfern, Hunderttausende wurden vertrieben, Millionen leiden Hunger.

Berichte aus Zentralsomalia belegen, dass Scharif sich mit seinen ehemaligen Feinden tatsächlich versöhnt hat: Dort hat die äthiopische Armee, die offiziell ihren Rückzug angetreten hat, die strategisch wichtige Stadt Kala Beyr eingenommen. In einem seiner ersten Interviews lobte Scharif zudem Äthiopiens engste Unterstützer in Sachen Somalia: «Die USA sind eine wichtige Macht für den Frieden», sagte Scharif der ägyptischen Tageszeitung «Al Schorouk».

Nach seiner Ankunft in Mogadischu, die in den kommenden Tagen erwartet wird, steht Scharif vor seiner ersten Bewährungsprobe. Er muss seine Regierung benennen, ohne sich bei den zerstrittenen Clans in Somalia neue Feinde zu machen. Zugleich dringen internationale Geberländer auf eine kompetente Mannschaft, die in der Lage ist, mit den Radikalen Frieden zu schließen - ein schwieriger Spagat.