Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx im SPIEGEL zur Finanzkrise

"Wilde Spekulation ist Sünde"

Ein Kapitalismus ohne ethischen und rechtlichen Orientierungsrahmen ist nach Auffassung des Erzbischofs von München und Freising, Reinhard Marx, "menschenfeindlich". In einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" erklärte Marx: "Das ist die Grundeinsicht dieser Tage, meine Schlussfolgerung aus der Finanz- und Bankenkrise." Außerdem kündigte Marx ein Buch an - auf den Spuren seines Namensvetters Karl Marx.

 (DR)

Die gescheiterten Banker und alle, die gemeint hätten, "ohne Arbeit schnell reich werden zu können, indem man sein Geld irgendwo hochspekulativ einsetzt", rief er zur "Umkehr" auf. "Wilde Spekulation ist Sünde", fügte er hinzu.

"Ein System, das die Kapitalrendite als den einzigen Zweck der Wirtschaft sieht, ist ein falscher Anreiz", betonte Marx, der vor seiner Bischofsweihe Professor für Christliche Gesellschaftslehre in Paderborn war. Viele hätten vergessen, dass die soziale Marktwirtschaft ein "Zivilisationsprodukt" sei und auf der Katholischen Soziallehre aufbaue.

Diese sei insofern kapitalismuskritisch, als sie eine Gestaltung der Wirtschaft nach ethischen Prinzipien fordere, ohne dass der Markt einfach außer Kraft gesetzt werde, so Marx. Dass die Wirtschaft dem Menschen diene oder dass er Arbeit und eine Ausbildung erhalte, sei alles nicht nur über Märkte zu regeln.

Buch "Das Kapital" kommt
Marx will in der nächsten Woche sein neues Buch vorstellen, das in Anknüpfung an seinen berühmten Namensvetter Karl Marx den Titel "Das Kapital" trägt. Die Katholische Soziallehre habe Marx und seine Analyse der Verhältnisse immer sehr ernst genommen, meinte der Erzbischof in dem Interview. Die marxistische Bewegung habe reale Ursachen und viele berechtigte Anfragen. Deshalb sei es auch heute noch sinnvoll, sich an Karl Marx abzuarbeiten. So habe er die Globalisierung schon im Kern als Globalisierung des Kapitals erkannt.

Er habe auch den Warencharakter der Arbeit gut analysiert und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche erkannt. Zugleich wandte sich der Münchner Erzbischof gegen den "totalitären Anspruch" bei Karl Marx und dessen "Klassenvorstellung, in der Menschen gegen Menschen gestellt werden". Auch seien nicht die Eigentumsverhältnisse das Grundproblem, sondern die Ordnung des Eigentums.

"Dass der Mensch durch seine Arbeit Eigentum erwirbt, gehört zur Würde des Menschen dazu. Ein falsches Gleichheitsverständnis zerstört die Freiheit", betonte der Erzbischof.