Der Mexikaner Carlos Slim führt neue "Forbes"-Liste an - viele Landsleute hungern

Der Superreiche unter Armen

Erstmals krönte das US-Magazin "Forbes" einen Bürger eines Schwellenlandes zum reichsten Menschen der Welt, den mexikanischen Unternehmer Carlos Slim. Millionen seiner Mitbürger gehören zu den Ärmsten der Welt, sagt Stefanie Hoppe vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat im domradio.de-Interview.

Autor/in:
Matthias Knecht
 (DR)

Der 70-Jährige soll über 53,5 Milliarden US-Dollar Vermögen verfügen. Nur noch für einen zweiten Platz reichte es diesmal für den bisher reichsten Menschen der Welt, den US-Computerpionier Bill Gates, der auf 53 Milliarden US-Dollar geschätzt wird.

Slim-Sprecher Arturo Elias Ayub wertete den ersten Platz als Zeichen des Vertrauens in Mexiko. Seinen Chef und Schwiegervater bezeichnete Ayub als den "besten Geschäftsmann der Welt".

Slim, Sohn libanesischer Einwanderer mit dem Nachnamen Salim, kam im vergangenen Jahr auf einen beeindruckenden Stundenlohn: Sein Vermögen wuchs um stündlich 2,1 Millionen US-Dollar. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn beträgt in Mexiko rund 40 Eurocent je Stunde. Knapp 40 Prozent der Mexikaner sind nach Abgaben der Vereinten Nationen arm.

Die erste Million mit 18
Slim pflegt solche Vergleiche erbost zurückzuweisen. Noch gut in Erinnerung ist in Mexiko eine Pressekonferenz des vergangenen Jahres, als ein US-Journalist den Magnaten fragte, wie er seinen Reichtum angesichts der verbreiteten Armut im Land rechtfertigen könne. Slim zürnte, die Pressekonferenz endete in einem Eklat.

Seine erste Million machte Slim mit 18 Jahren, dank erfolgreicher Börsengeschäfte. Bis heute pflegt der sechsfache, verwitwete Vater einen bescheidenen Lebensstil. Seine Anzüge kauft er von der Stange.
In Mexiko fördert er Bildungsinitiativen und ein Genforschungsprojekt.

Anders als der US-Milliardär Gates hat Slim seinen Reichtum nicht etwa technologischen Neuerungen zu verdanken. Was Slim auszeichnet, sind seine guten Beziehungen zur Regierung. Den Sprung vom erfolgreichen Unternehmer zum Supermilliardär schaffte Slim im Jahr 1990, als er das damalige staatliche Telefonmonopol Telmex erwarb. Es blieb Monopol, zum Wohle Slims. Unter den 30 Mitgliedsländern der OECD, dem Klub der Industrieländer, hat Mexiko die höchsten Telefontarife.

Die ergiebigste Einnahmequelle Slims, die ihm jetzt den Platz eins in der "Forbes"-Liste einbrachte, ist América Móvil, Lateinamerikas größte Mobiltelefongesellschaft. Sie macht dank fehlender Konkurrenz und schlechter staatlicher Regulierung glänzende Gewinne, vom Rio Grande bis nach Feuerland. Vergangenes Jahr stieg der Wert der Móvil-Aktien um 56 Prozent.

Kehrseite überhöhte Preise und Armut
Die Strategie, in gewinnträchtige Monopole und Oligopole zu investieren, wendete Slim erfolgreich auch auf andere Branchen an - ob Restaurants, Maut-Autobahnen, Baufirmen oder Krankenhäuser. Für gewöhnliche Mexikaner ist es kaum möglich, auch nur einen einzigen Tag zu verbringen, ohne Produkte oder Dienstleistungen aus dem Slim-Imperium zu nutzen. Über die Finanzgruppe Inbursa ist Slim auch in Mexikos Bankengeschäft tätig, einem weiteren Sektor, der im weltweiten Vergleich mit extrem hohen Gebühren und schlechtem Service glänzt.

Die Kehrseite solchen Wirtschaftens bekommen nicht nur Mexikos Verbraucher zu spüren, die überhöhte Preise zahlen müssen. Zu spüren bekommen das auch Arbeitssuchende, die in der von Monopolen und Oligopolen geprägten Wirtschaft keine feste Stelle finden. So stehen in Mexiko 45 Millionen Beschäftigten in Privatwirtschaft und Staat weitere 13 Millionen gegenüber, die sich in der sogenannten informellen Wirtschaft durchschlagen: als Straßenhändler, als Schuhputzer, als Autowäscher, als Verkäufer raubkopierter Filme oder gleich als Drogenhändler.

Die Grenze zwischen informeller Wirtschaft und organisiertem Verbrechen ist in Mexiko fließend. So ist das boomende Geschäft mit gefälschten Markenprodukten fest in der Hand von Mexikos fünf großen Mafiagruppen, derselben Mafia, die Menschenhandel und Drogenschmuggel in die USA kontrolliert.

Folgerichtig tauchen in der aktuellen "Forbes"-Liste nicht nur Slim und sieben weitere mexikanische Unternehmer-Milliardäre auf. Auch ein mexikanischer Milliardär der ganz anderen Art findet sich dort, nämlich Joaquín Guzmán. Der 55-Jährige ist der mächtigste Mafiaboss des Landes.