Der Juristentag befasst sich mit dem Staatskirchenrecht

Der lange Weg der Integration

Die Frage der Integration des Islam hat auch den Deutschen Juristentag erreicht. «Neue Religionskonflikte und staatliche Neutralität - Erfordern weltanschauliche und religiöse Entwicklungen Antworten des Staates?», lautete das Thema der 68. Veranstaltung dieser Art, die an diesem Donnerstag zuende ging.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Erstmals seit Jahrzehnten stand damit das Staatskirchenrecht auf der Agenda des Juristentages. Doch trotz aller Umwälzungen der religiösen Landschaft in Deutschland waren sich die Experten in einer Frage einig: Das verfassungsrechtliche Konzept einer fördernden Neutralität im Verhältnis von Staat und Religion, mithin das Staatskirchenrecht, hat sich bewährt.



Muss aber der Gesetzgeber nicht dennoch dem Islam entgegenkommen, zumal dieser keine Verfasstheit wie die Kirchen kennt? Oder sollten sich umgekehrt die Muslime stärker nach den Angeboten des Staates ausrichten? Der Staat verlangt dringend nach einem institutionellen Ansprechpartner von muslimischer Seite, etwa für die Erteilung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, die Ausbildung von Religionslehrern oder die Einrichtung theologischer Lehrstühle.



Bislang gibt es nur Modellversuche, Provisorien oder Einzellösungen, etwa durch Runde Tische oder Einzelvereinbarungen mit Moscheegemeinden. Eine flächendeckende Lösung steht aus. Zwar erheben die muslimischen Verbände den Anspruch, authentischer Ansprechpartner zu sein. Allerdings erfüllen sie nicht die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft, der darin besteht, den Glaubensvollzug in dem Mittelpunkt ihrer Tätigkeit zu stellen.



Eine "Zwischenform"

Der Bonner Staatsrechtler Christian Waldhoff, der zum Juristentag ein umfangreiches Gutachten vorgelegt hatte, plädierte für eine neue religionsspezifische Form der Rechtspersönlichkeit als "Zwischenform" unterhalb der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Allerdings stieß er damit auf dem Juristentag weitgehend auf Skepsis. Sein Vorschlag wurde schließlich mit großer Mehrheit abgelehnt. Kritiker bemängelten, dass damit weder die Grundfragen der Mitgliedschaft noch der Religionsgemeinschaft gelöst würden.



Ganz grundsätzlich erinnerte der ehemalige Berliner Bischof Wolfgang Huber daran, dass das Staatskirchenrecht bei seiner Verabschiedung den Kirchen keineswegs auf den Leib zugeschnitten worden sei. Auch sie hätten eine enorme Anpassungsleistung erbringen müssen. Die Frage stelle sich, inwieweit Muslime in Deutschland willens oder überhaupt in der Lage ebenfalls eine solche Anpassung zu leisten.



Der Islam ist noch nicht so weit

Die in Hannover lebende iranische Juristin und muslimische Theologin Hamideh Mohagheghi mahnte zu Geduld. Der Islam müsse erst einmal theologische Lehrinhalte klären. Zunächst sei vor allem universitäre Forschung nötig. "Innerislamisch sind noch viele Fragen offen", so Mohagheghi. Nach ihrer Einschätzung könnte der Klärungsprozess noch 20 bis 30 Jahre dauern. Eindringlich warnte sie vor jeder verfrühten rechtlichen Festlegung. Der ernüchternden Einschätzung und nachdrücklichen Mahnung schlossen sich weitere Islamwissenschaftler an.



Was aber soll in der Zwischenzeit mit den Hunderttausenden muslimischen Schülern geschehen, die nach Religionsunterricht verlangen? Nicht nur Waldhoff konstatierte hier ein Dilemma, das sich aus der "Ungleichzeitigkeit" der institutionellen und theologischen Entwicklung des Islam und den Forderungen nach Integration ergeben. Die meisten Experten optierten für Übergangslösungen, wie sie derzeit teilweise bereits bestehen. Allerdings müssten diese bis zur endgültigen Klärung auch als solche gekennzeichnet sein.



Der Juristentag wies den Muslimen somit letztlich den Weg in die bislang bewährten Pfade des Verfassungsrechts. Dieser so schien es, könnte aber länger dauern als bislang gedacht. Zugleich warnte nicht nur Möllers vor der Illusion, das Recht könne Konflikte bewältigen, die eigentlich die Gesellschaft zu lösen habe.