Der Jesuit Felix Körner über das christlich-islamische Verhältnis

"Dialog lebt von Unterschieden"

Der deutsche Jesuit Felix Körner einer der besten katholischen Islamkenner. Lange lebte er in der Türkei. Er lehrt am "Institut für interdisziplinäre Studien der Religionen und Kulturen" der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Ein Interview über den Austausch beider Religionen und den Beitrag des Papstes.

Autor/in:
Christoph Schmidt
 (DR)

KNA: Pater Körner, warum wollen viele Christen und Muslime "interreligiösen Dialog"? Reicht nicht ein "friedliches Miteinander" ohne Streben nach religiösem Austausch?
Körner: Zunächst einmal ist es immer spannend und bereichernd, wenn religiös verwurzelte Menschen miteinander über ihren Glauben diskutieren. Gerade bei offenen Menschen mit festen inneren Überzeugungen wächst das Interesse an anderen Positionen. Außerdem basiert gute Nachbarschaft immer auch auf der Kenntnis des anderen. Misstrauen können wir nur durch wissenschaftliche und praktische Auseinandersetzung miteinander abbauen. Vor allem aber versteht sich die christliche Theologie als bedeutsam für alle Menschen. Deshalb kann sie sich nicht einfach mit der Parallelität und einem Desinteresse anderer Religionen abfinden.

KNA: Damit sprechen Sie das schwierige Thema Mission an.
Körner: Die katholische Kirche unternimmt keinerlei aggressive Bekehrungsversuche. Sie hat gegenüber dem Islam einen angenehm gelassenen Ton gefunden. Wir sind mit unserer weltweiten karitativen Präsenz vor allem dienendes Zeugnis. Der soziale Dienst hat einen Selbstwert und soll nicht für die Mission ausgenutzt werden. Aber die Hoffnung, dass andere Christus erkennen und sich taufen lassen, die Hoffnung haben wir natürlich. In den meisten islamischen Ländern gibt es auch gut organisierte und mutige freikirchliche Missionare, die nicht nur mit der Hoffnung, sondern mit dem Ziel der Bekehrung arbeiten.

KNA: Wie sollte der Islam damit umgehen?
Körner: Gegen deren Tätigkeit dürfen die islamischen Verantwortlichen ihre Mitgläubigen nicht zu Überreaktionen verleiten. Sie müssen vielmehr zu einem entspannten und selbstbewussten Umgang ermutigen; genauso wie wir islamische "Einladungen" zum Übertritt als Anregung verstehen müssen, die Grundlagen unseres Glaubens deutlich zu formulieren.

KNA: Stoßen Christen dabei nicht schnell an die geistigen Grenzlinien zwischen beiden Religionen?
Körner: So soll es ja auch sein. Es kann nicht darum gehen, eine gemeinsame Glaubensbasis mit Muslimen zu finden. Wer den Sinn des Christentums erkannt hat, versteht in der Begegnung mit anderen seinen eigenen Glauben immer besser, aber oft im Unterschied. Ein Christ aber, der auch den Koran als Offenbarungsschrift anerkennt, kann nicht mehr an Jesus als Gottes Sohn glauben. Das islamische Pochen auf Gemeinsamkeiten - etwa die Verehrung, die der Koran Jesus entgegenbringt - zielt im Kern auf eine Bestreitung des Christentums. Denn der Koran will das bereinigte, eigentliche Evangelium bringen. An den Grenzen wird unser Glaube lebendig, nämlich das Zeugnis, dass sich Gott ein Mal als Mensch geschenkt hat und wir deshalb Gotteskinder werden können.

KNA: Andererseits gibt es doch wirklich Gemeinsamkeiten wie den Monotheismus und gleiche ethische Überzeugungen. Sind Islam und Christentum nicht auch Verbündete gegen den Atheismus?
Körner: Natürlich existieren Überschneidungen in der Ethik, die auch wichtige Voraussetzungen für den Dialog schaffen. Und mit Blick auf den gemeinsamen Monotheismus hatte Papst Benedikt XVI. in Ankara
gesagt: Wir glauben an den gleichen Gott, nur auf verschiedene Weise. Ein "Bündnis" zwischen beiden Religionen gegen wachsenden Unglauben würde der kirchlichen Aufgabe aber nicht gerecht und wäre sogar unchristlich. Denn die Kirche schließt keine Allianzen gegen andere, sondern repräsentiert schon jetzt die erhoffte Einheit der Menschen.

KNA: Hat sich unter Papst Benedikt XVI. seit der Regensburger Rede 2006, die nach dem Gewaltverständnis des Islam fragte, das Verhältnis zwischen beiden Religionen nicht eher abgekühlt?
Körner: Im Gegenteil, wir sind in eine neue Phase des Dialogs eingetreten. Unter Johannes Paul II. ging es zunächst darum, wohlwollendes Interesse zu zeigen und Beziehungen zu knüpfen. Mit Benedikt XVI. konnte nun ein neuer Akzent gesetzt werden: die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den andern Religionen und der Frage, was sie für unsere Theologie bedeuten. Dabei wird mehr Wert auf Haltbarkeit und Gehalt unserer theologischen Formulierungen gelegt. Das hohe inhaltliche Niveau beim 2008 geschaffenen Katholisch-Muslimischen Forum, dessen erstes Seminar im Vatikan stattfand, wurde möglich, weil die Muslime den Reiz spürten, so reflektiert wie Benedikt über theologische und rationale Fragen zu diskutieren. Viele muslimische Intellektuelle respektieren den Papst gerade wegen seiner herausfordernden Beiträge.

KNA: Was tut das "Institut für interdisziplinäre Studien der Religionen und Kulturen"?
Körner: Wir bilden innerhalb der Gregoriana theologische Experten für die Begegnung der Religionen aus. Man kann sich auf Islam, die Religionen Asiens oder, am Kardinal-Bea-Zentrum, auf Judentum spezialisieren. Und es kommen auch Nicht-Christen; sie spezialisieren sich dann auf das Christentum. Alle unsere Studenten haben bereits einen akademischen Grad in ihrer eigenen Theologie erworben. Am Institut werden sie zu Brückenbauern der Verständigung ausgebildet, gerade weil sie es nicht darauf anlegen, eine Einheitsreligion zu erfinden; vielmehr lernen sie, in der Verschiedenheit Reichtum und Tiefe zu entdecken.

KNA: Was bewirkt das?
Körner: Die Studenten kehren mit Sympathie, mit Kenntnis und mit Kontakten zur Weltkirche in ihre Heimat zurück. Dieses Rüstzeug macht sie in ihren eigenen Gemeinschaften zu Multiplikatoren. Sie können jetzt beispielsweise dafür sorgen, dass im Schulunterricht und in Predigten fair über das Christentum gesprochen wird; das hilft gegen Vorurteile und Missverständnisse.