Der Generalsekretär des Kirchenrates über seinen Papstbesuch

"Ein offenes und freundliches Gespräch"

Olav Fykse Tveit, seit Januar Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, hat Papst Benedikt XVI. am Samstag einen Antrittsbesuch abgestattet. Im Interview spricht der lutherische Pfarrer aus Norwegen über das Treffen, den Stand der Ökumene und einen Papstbesuch in Genf.

 (DR)

KNA: Worüber haben Sie mit dem Papst gesprochen?

Tveit: Wir hatten ein sehr offenes und freundliches Gespräch. Der Papst hat die Bedeutung des Ökumenischen Rates der Kirchen hervorgehoben und sein Interesse an unseren Bemühungen um die Einheit der Christen bekundet. Unsere Arbeit kennt er aus eigener Erfahrung als früheres Mitglied in der "Kommission für Glauben und Kirchenverfassung" des ÖRK. Ein weiteres Thema war die Lage der Christen im Nahen Osten. Wir haben darüber gesprochen, was wir tun können, um ihnen zu helfen.



KNA: Bisweilen heißt es, das Interesse an der Ökumene lasse nach. Stimmt das?

Tveit: Manche sprechen von einem "ökumenischer Winter". Als Norweger, der diese Jahreszeit gewohnt ist, frage ich dann stets: "Was ist denn am Winter so schlimm?" Wir wissen, dass es auch im Winter schön sein kann. Er ist eine Zeit zum Nachdenken und Überlegen. Und schließlich folgen ihm Frühling und Sommer. Wir müssen im ökumenischen Gespräch in die Zukunft blicken und dürfen uns nicht auf das beschränken, was nicht so gut ist wie es war. Wir stellen gegenwärtig eine Tendenz fest, dass das ökumenische Bewusstsein, bisweilen nicht mehr so stark ausgeprägt ist wie früher. Es gibt jedoch auch ermutigende Entwicklungen. Insbesondere unter evangelikalen Christen und in den Pfingstkirchen hat sich das Interesse an der Ökumene verstärkt. Auch für die junge Generation ist das Gespräch zwischen den Kirchen selbstverständlicher geworden.



KNA: Die katholische Kirche ist nicht Mitglied im ÖRK. Wie schätzen sie die Zusammenarbeit zwischen ÖRK und katholischer Kirche ein? Ist ein Beitritt der katholischen Kirche vorstellbar?

Tveit: Die bisherige Zusammenarbeit ist sehr gut, offen, ehrlich und konstruktiv. Die Frage, wie diese Beziehungen künftig noch vertieft werden könnten, sollte nicht allein auf eine formale Mitgliedschaft der katholischen Kirche im ÖRK reduziert werden. Dies ist nicht unbedingt das entscheidende Thema. Wichtig ist zunächst vor allem, dass wir die schon bestehende Kooperation etwa auf der Ebene von gemeinsamen Kommissionen verstärken und ausbauen.



KNA: Der vatikanische Ökumeneminister Kardinal Kurt Koch hat jüngst gesagt, dass sich einige protestantische Kirchen vom Ziel einer vollständigen sichtbaren Gemeinschaft aller Christen entfernt hätten zugunsten einer Einheit in Vielfalt. Was bedeutet dies für das ökumenische Gespräch?

Tveit: Man kann diese Aussage unterschiedlich interpretieren. Es gibt Signale, die in diese Richtung deuten, es gibt jedoch auch Signale für verstärkte Bemühungen um eine Einheit der Christen, insbesondere auch im westlichen Protestantismus, vor allem unter Evangelikalen und Pfingstkirchen. Ich möchte jedoch hervorheben, dass der ÖRK nicht mit dem europäischen Protestantismus gleichgesetzt werden darf. Dies habe ich auch gegenüber Benedikt XVI. betont. Wir sind eine globale Organisation und vertreten nicht nur die evangelischen Kirchen, sondern auch die orthodoxen Kirchen.



KNA: Haben sie den Papst eingeladen, den Sitz des ÖRK in Genf zu besuchen?

Tveit: Eine solche Einladung hat schon mein Vorgänger ausgesprochen. Ich hoffe, es findet sich eine Möglichkeit für einen Papstbesuch in der Schweiz und in Genf. Dies wäre ein großer Segen und eine Anerkennung für das Land und die internationale Arbeit, die in Genf für Frieden, Gerechtigkeit in der Welt und Menschenrechte geleistet wird. Ich habe mit Kardinal Koch vereinbart, die Möglichkeit eines Papstbesuches weiterhin zu prüfen.



Das Gespräch führte Thomas Jansen.