Der evangelische Präses Schneider schließt im domradio Halbierung der Gemeinden im Rheinland aus

"Die Reformation ist nicht am Ende"

In Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist heute frei - der Reformationstag ist dort ein gesetzlicher Feiertag. Für ganz Deutschland wünscht sich dies auch der bayrische Landesbischof, Johannes Friedrich. Am liebsten bis 2017. Zum 500. Mal wird dann des Thesenanschlags Martin Luthers in Wittenberg gedacht.- In der kommenden Woche wollen die Delegierten der EKD auf der Würzburger Synode über die Erneuerung ihrer Kirche debattieren.

 (DR)

In Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist heute frei - der Reformationstag ist dort ein gesetzlicher Feiertag. Für ganz Deutschland wünscht sich dies auch der bayrische Landesbischof, Johannes Friedrich. Am liebsten bis 2017. Zum 500. Mal wird dann des Thesenanschlags Martin Luthers in Wittenberg gedacht.- In der kommenden Woche wollen die Delegierten der EKD auf der Würzburger Synode über die Erneuerung ihrer Kirche debattieren. Hören Sie hierzu und zur Bedeutung des Reformationstags den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, im domradio-Interview.

Auf dem Weg in die Zukunft
"Kirche muss sich aus dem Wort Gottes immer wieder erneuern", so Präses Schneider in dem Interview. "Die Reformation ist nicht am Ende." Sie würde gefeiert in der Hoffnung, auch als Kirchen zusammen zu wachsen.

In den konkreten Reformprozessen, die auch auf der Synode in Würzburg besprochen werden, solle es darum gehen, zu einer "Mentalität zu kommen, die bewusst auf die Menschen zu gehe und sie zum Glaube und der Mitgliedschaft in der Kirche einlade". In einer schrumpfenden Gesellschaft sänken aber auch die Mitgliederzahlen der Kirche, so Schneider. Die Anzahl der Landeskirchen müsse sich deshalb verringern, um weiterhin alle Aufgaben zu leisten. Eine Halbierung der Gemeinden, wie oft berichtet, schließt Präses Schneider für das Rheinland aber aus.

Impulspapier: "Kirche der Freiheit"
Mit dem Impulspapier "Kirche der Freiheit"  hatte der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Juli einen gewaltigen Veränderungsprozess im deutschen Protestantismus angestoßen. In der ersten Novemberwoche will die Synode der EKD auf ihrer Tagung in Würzburg erstmals über die weit reichenden Vorschläge debattieren.

Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber ist zuversichtlich, dass der mit dem Impulspapier entfachte Funke überspringen wird: "Die Synode wird, so hoffe ich, klären, welche Vorschläge sie aufnehmen und sich zu Eigen machen will als Schwerpunkte in einem Reformprozess, der den Zeitraum von 2007 bis zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 bestimmt."

Auch wenn die Zukunftsdebatte von oben in Gang gesetzt wurde, so stellt der Berliner Bischof klar, sollten sich alle kirchlichen Ebenen, Gemeinden, Kirchenkreise, Landeskirchen und EKD mit Konzepten beteiligen und für Dynamik in dem Reformprozess sorgen.

Konzentration auf Glaubensvermittlung
Angesichts des erwarteten Rückgangs der Mitgliederzahlen und einer Verminderung der Finanzkraft wirbt das Impulspapier für einen Mentalitätswandel und zeigt Wege, um die Handlungsfähigkeit der Kirche auf lange Frist zu sichern. Es sei keineswegs ein "Sorgenpapier", so Huber. Zentraler Punkt der empfohlenen Erneuerung ist die Konzentration der Kirche auf ihre Kernkompetenz Glaubensvermittlung, verbunden mit einer stärkeren Hinwendung zu Menschen, die bisher abseits der Kirche stehen.

Das EKD-Papier nennt zwölf Beispiele, wie Wachsen gegen den Trend erreicht werden soll. Formuliert werden dabei ehrgeizige Reformziele: So soll die Zahl der Gottesdienstbesucher von derzeit vier Prozent auf zehn Prozent im Jahr 2030 gesteigert werden, mehr evangelische Taufen, Trauungen und Beerdigungen werden erwartet. 90 Prozent aller Kinder eines Jahrgangs sollen bis zum sechsten Lebensjahr mit biblischen Geschichten und kirchlichen Traditionen in Kontakt kommen.

Der Anteil der örtlichen Kirchengemeinden soll von 80 auf 50 Prozent zurückgehen. Für Ausgleich sollen Profilgemeinden und netzwerkorientierte Angebote mit je 25 Prozent sorgen.

Landeskirchen sollten sich zusammenschließen
In ersten Reaktionen richtete sich die Kritik an dem EKD-Papier gegen den Vorschlag für eine Flurbereinigung unter den 23 evangelischen Landeskirchen. Vor allem die Empfehlung, die historisch entstandenen Kirchengrenzen anzupassen und die Zahl der Landeskirchen zu halbieren, stieß auf breite Ablehnung. Dabei vermeidet das Impulspapier jede konkrete Aussage darüber, wer mit wem fusionieren sollte. "Und das geschieht mit voller Absicht", versichert EKD-Ratsvorsitzender Huber. "Denn das Thema liegt nicht in der Zuständigkeit der EKD, die in solchen Fragen den Landeskirchen gegenüber allenfalls eine dienende Funktion hat."

Auch bei dem Reizwort "Zentralisierung" bemüht sich der oberste EKD-Repräsentant, Besorgnisse der Landeskirchen zu entkräften. Die Konzepte der besonderen kirchliche Orte sowie der so genannten Kompetenz- und Dienstleistungszentren könnten nur in der Verantwortung der Landeskirchen verwirklicht werden. Wenn beispielsweise eine Weiterentwicklung der Frauenkirche in Dresden als hervorgehobener und ausstrahlungsstarker Ort des Protestantismus in Deutschland angeregt werde, dann hat dies nach Hubers Ansicht mit einer Zentralisierung auf der Ebene der EKD überhaupt nichts zu tun.

Gemeinde bleibt Ort der Beheimatung
Befürchtungen, durch neue Gemeindeformen werde die Stellung der Ortsgemeinde angetastet, entgegnet Bischof Huber, als Ort der Beheimatung bleibe die örtliche Kirchengemeinde unentbehrlich.

Daneben müssten aber andere Beteiligungsformen treten, die veränderten Erwartungen von Kirchenmitgliedern entgegenkommen. Gerade bei diesen innovativen Strukturveränderungen zeichnet sich auch eine Schnittmenge mit den Evangelikalen ab.