Wer war der erste US-Bischof afroamerikanischer Herkunft? James Augustine Healy (1830-1900). Allerdings sah er sich selbst als weiß, wie es auch seine Umwelt tat - eine Tatsache, die seine Karriere überhaupt erst möglich machte. Denn äußerlich kam er stark nach seiner irischen Verwandtschaft. Er starb am 5. August 1900, vor 125 Jahren.
Heute gibt es in den USA rund 77 Millionen Katholiken, die damit die größte einzelne Glaubensgemeinschaft des Landes bilden. Afroamerikanische Katholikinnen und Katholiken stellen etwa 2,5 bis 3 Millionen Gläubige, also etwa 3 bis 4 Prozent.
Lange Geschichte, unerfüllte Hoffnungen
Ihre Geschichte reicht weit zurück: In kolonialen Zeiten missionierten französische und spanische Katholiken auch versklavte Afrikaner. Besonders in Louisiana, Maryland oder Florida entstanden schwarze katholische Gemeinden. Trotz dieser Wurzeln blieb die Kirche für viele Schwarze ein Ort der Diskriminierung.
Noch heute beklagen viele die geringe Zahl schwarzer Bischöfe - sie liegt im unteren zweistelligen Bereich. Für viele Gläubige ist das ein deutliches Zeichen für fortbestehenden strukturellen Rassismus und mangelnde Repräsentation. 2020 ernannte Papst Franziskus mit dem Washingtoner Erzbischof Wilton D. Gregory den ersten schwarzen Kardinal in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
Während Franziskus und auch Papst Johannes Paul II. viele neue Heilige ernannt haben, fehlt bis heute eine offiziell heilig- oder wenigstens seliggesprochene afroamerikanische Person. Dabei gäbe es mehrere Kandidatinnen und Kandidaten, etwa Pierre Toussaint, Henriette Delille oder Thea Bowman. Doch die Verfahren ziehen sich hin. Afroamerikanische Katholiken betrachten das als ein weiteres Indiz für die Vernachlässigung schwarzer Stimmen in der Kirche.
Geboren in Unfreiheit
Geboren 1830 in Georgia, war Healys Lebensgeschichte von Anfang an ein Spiegel der komplexen US-amerikanischen Geschichte. Sein Vater, der irischstämmige Plantagenbesitzer Michael Morris Healy, lebte mit der versklavten Mary Eliza zusammen. Nach den strengen Rassegesetzen jener Zeit war eine Ehe verboten. Dennoch bekamen die beiden zehn Kinder, die aufgrund der Abstammung der Mutter automatisch als "enslaved people" galten und damit im Besitz des Vaters waren.
Nach dem plötzlichen Tod der Eltern 1850 gelang es dem zweitältesten Sohn Hugh, die jüngeren Geschwister unter Lebensgefahr in den freien Norden der USA zu bringen. Die Healy-Geschwister finanzierten ihre Ausbildung mit dem Erlös aus dem Verkauf der väterlichen Plantage und der versklavten Menschen - zu denen sie zuvor rechtlich selbst gehört hatten.
Aufstieg in der Kirche
James Healy trat ins Priesterseminar ein und wurde 1854 als erster Priester mit afroamerikanischem Hintergrund in den USA geweiht. 1875 folgte seine Ernennung zum Bischof von Portland - ein für die damalige Zeit sensationeller Aufstieg. Dafür spielte die soziale Konstruktion von "Rasse" eine entscheidende Rolle: Menschen mit gemischter Abstammung konnten je nach Aussehen und Kontext entweder als schwarz oder als weiß angesehen werden - womit ihr Leben einen dramatisch anderen Verlauf nahm.
Healy sah sich selbst als weiß und wurde so auch von der Gesellschaft eingeordnet. Seine afroamerikanischen Wurzeln verschwieg er bewusst - wie auch seine Brüder - wohl aus Angst, sein Lebenswerk könnte sonst zerstört werden.
Sein jüngerer Patrick Francis Healy (1834-1910) trat bei den Jesuiten ein. 1866 wurde er Professor für Philosophie und später Präsident der bis heute renommierten Georgetown University in Washington, D.C.. Er gilt als erster afroamerikanischer Universitätspräsident in den USA, obwohl er sich öffentlich nicht als schwarz verstand. Der andere jüngere Bruder, Alexander Sherwood Healy (1836-1875), wurde ebenfalls katholischer Priester. Er geriet nach seinem frühen Tod weitgehend in Vergessenheit.
Eine Geschichte voller Widersprüche
Heute spiegelt sich auch an der Spitze der Kirche die komplexe US-Geschichte wider. Familienforscher haben herausgefunden, dass Papst Leo XIV. unter seinen amerikanischen Vorfahren sowohl Schwarze hatte als auch Plantagenbesitzer, die Menschen versklavten. Insgesamt 17 seiner Ahnen in den USA waren Schwarze. Zwölf von ihnen besaßen Versklavte, darunter auch acht, die selbst schwarz waren - eine Praxis, die im Süden der USA im 18. und 19. Jahrhundert tatsächlich vorkam.
125 Jahre nach Healys Tod bleibt die Frage aktuell: Wer gibt afroamerikanischen Katholikinnen und Katholiken eine Stimme? Mehr Repräsentation, mehr Vorbilder, mehr Heilige - das sind Forderungen, die viele afroamerikanische Katholikinnen und Katholiken seit Jahren stellen.