Der Dalai Lama besucht Frankreich und wird nicht vom Präsidenten empfangen

Auf den Wegen der Diplomatie

Während alle Augen auf die Olympischen Spiele in Peking gerichtet sind, besucht der Dalai Lama Frankreich. Von Montag bis Samstag trifft er Politiker, weiht einen buddhistischen Tempel ein und geht auf den Wegen wohlkalkulierter Diplomatie.

Autor/in:
Martina Zimmermann
 (DR)

So kündigte er an, "unter den gebotenen Umständen", keine Audienz bei Präsident Nicolas Sarkozy zu wünschen. Der will den höchsten buddhistischen Würdenträger lieber zu einem "geeigneteren Zeitpunkt" treffen. Ein solcher wird indes schwer zu finden sein: Im Oktober findet der Europa-Asien-Gipfel in China statt, im Dezember ein europäisch-chinesischer Gipfel in Frankreich. Frankreich hat in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Der chinesische Botschafter hatte Anfang Juli vor den "schlimmen Folgen" für die französisch-chinesischen Beziehungen im Falle eines Treffens mit dem Dalai-Lama gewarnt. "China bestimmt nicht meinen Terminkalender", hatte Sarkozy damals trocken geantwortet. Dennoch wird nun nur Gattin Carla Bruni den Dalai Lama mit ihrer Anwesenheit beehren, wenn er am Freitag in Roqueredonde in Südfrankreich einen bedeutenden buddhistischen Tempel einweiht.

Am Mittwoch wird er von 189 Parlamentariern und 63 Senatoren im Pariser Senat empfangen. Nach Angaben der Union Bouddhiste de France zählt Frankreich 600.000 Buddhisten. Einige davon werden ins westfranzösische Nantes pilgern, wo der 73-Jährige eine Konferenz über den Buddhismus geben wird.

Trotz heftiger Kritik flog Sarkozy zur Eröffnung der Olympischen Spiele nach Peking und lobte die "Freundschaft zwischen Frankreich und China" als "grundsätzliche Achse der französischen Außenpolitik".
Über Tibet wurde bei einer Begegnung mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao allerdings offiziell nicht geredet.

Gleichzeitig bat der Franzose aber um die Freilassung politischer Gefangener und überreichte zwei Listen mit Namen: eine im Auftrag der Europäischen Union, die zweite verfasst vom Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit. Der hatte wie die gesamte französische Opposition den Besuch des Präsidenten in Peking scharf abgelehnt. Der Dalai Lama wünsche den Erfolg der Olympischen Spiele, konterte Sarkozy. "Wir sollten nicht Dalai Lamaer sein als der Dalai Lama."

Mit seiner Rücksichtnahme auf China gehöre Sarkozy zur "Koalition der Feigen", erklärte Robert Ménard, Generalsekretär von "Reporter ohne Grenzen". Er stelle Wirtschaftsinteressen vor die Menschenrechte.
Amnesty International verschickte Prospekte in die französischen Haushalte, die von schweren Menschenrechtsverletzungen in China berichten: Todesstrafen für 68 Delikte, über 8.000 Exekutionen im Jahr, Folter und Zensur dank 30.000 Internetpolizisten. Die konservative Partei UMP hingegen gratulierte Sarkozy zu seiner Diplomatie.

Denn die gewaltsame Niederschlagung der tibetischen Proteste im März hatte für Spannungen zwischen Frankreich und China gesorgt. Die Olympische Flamme konnte nur von einem großen Polizeiaufgebot eskortiert durch Paris getragen werden. Bunte Tibet-Fahnen wehten auf dem Platz der Menschenrechte gegenüber dem Eiffelturm und entlang des gesamten Parcours der Flamme bis zum Pariser Rathaus. Damals hatte Sarkozy seine Teilnahme an der Eröffnung der Olympischen Spiele von den Fortschritten in der chinesischen Tibet-Politik abhängig gemacht.

Die offizielle chinesische Presse äußerte sich daraufhin enttäuscht über die französische "Arroganz". Hatte nicht Sarkozy bei seiner Staatsvisite nach China im November 2007 "Geschenke" in Form von Verträgen in Höhe von 20 Milliarden Euro erhalten, darunter die Bestellung von 160 Airbus-Flugzeugen? Im April und Mai wurden die französischen Carrefour-Supermärkte in China boykottiert, Pekinger Reisebüros strichen Frankreich vorübergehend aus ihrem Angebot.

Anfang Juli gab Nicolas Sarkozy Präsident Hu Jintao seine Zusage zur Eröffnungszeremonie. Nach dem Besuch des französischen Präsidenten in Peking nun wurde der Kooperationsvertrag zur friedlichen Nutzung der Atomenergie erneuert.