Der Bundesfreiwilligendienst beginnt

Optimismus trotz Fehlstart

Zum Start des Bundesfreiwilligendienstes haben sich erst wenige Ehrenamtliche verpflichtet: Rund 3.000 Interessenten gibt es laut Familienministerium. Als Zielgröße plant der Bund jedoch mit 35.000 Freiwilligen pro Jahr. Dennoch sind alle Beteiligten zuversichtlich.

Autor/in:
Kerstin Kotterba
 (DR)

Der Systemwechsel bleibe eine große Herausforderung, sagte der Präsident des Deutschen Caritasverbandes (DCV), Peter Neher, kurz vor dem Startschuss. Er hoffe, "dass es auch mit diesem neuen Dienst gelingt, Menschen für soziale Berufe zu begeistern." Es brauche jedoch noch mehr Zeit und eine offensive Informationspolitik, um den Bundesfreiwilligendienst in der Bevölkerung bekannter zu machen.



Zum ersten Juli gibt es nach Angaben des Familienministeriums rund 17.300 Freiwillige. Darin eingeschlossen sind 14.300 Zivildienstleistende, die freiwillig ihren Dienst verlängert haben. Für den Bundesfreiwilligendienst wurden rund 3.000 neue Verträge geschlossen.



Zwischen sechs und 24 Monate lang

Als "Ersatz" für den Zivildienst können sich nun Frauen und Männern aller Altersklassen für das Allgemeinwohl engagieren - zwischen sechs und 24 Monate lang. Die Bundesregierung hatte den Zivildienst infolge der Bundeswehrreform abgeschafft. Jeder Dienstleistende erhält künftig ein Taschengeld von bis zu 330 Euro, plus Sozialversicherung. Der Bundesfreiwilligendienst wird mit 350 Millionen Euro jährlich gefördert. Das von den Ländern geförderte Freiwillige Soziale und Freiwillige Ökologische Jahr bleibt bestehen.



Immer deutlicher klagen die Verbände über fehlende Bewerber für den Freiwilligendienst. Als "eine Riesen-Katastrophe" für den eigenen Verband bezeichnet der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), Leonhard Stärk, die Auswirkungen des Zivi-Wegfalls für den Sozialbereich. Das BRK benötige nun bis Ende des Jahres 600 neue Mitarbeiter, die Aufgaben der ehemaligen Zivis übernehmen.



Und die Gründe?

Auch bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) hinterlassen die Zivildienstleistenden eine große Lücke. Denn sie hatten Zeit für etwas, was sonst oft zu kurz kommt: das menschliche Miteinander, sagt der Bundesvorsitzende Wolfgang Stadtler. Der Deutsche Caritasverband bleibt optimistisch, auch wenn sich für die 3.300 Stellen bundesweit erst 400 Freiwillige gemeldet haben. "Wir müssen dem neuen Dienst Zeit geben", sagte Pressesprecherin Claudia Beck. Mit dem Stichtag müssten nicht alle Stellen besetzt sein.



Für die 7.500 Stellen bei der Diakonie gibt erst wenige hundert Bewerbungen, optimal wären nach Aussagen von Pressesprecherin Ute Burbach-Tasso 3.000 Dienstleistende. "Wir erwarten aber noch eine große Welle nach Ende des Schuljahres", sagt sie. An den Paritätischen Wohlfahrtsverband haben sich inzwischen 650 Interessierte gewandt. "Damit sind wir eigentlich ganz zufrieden", sagte Pressesprecherin Gwendolyn Stilling. Langfristig hofft der Verband auf 6.000 Freiwillige - womit etwa die Hälfte der Zivildienststellen wiederbesetzt werden könnte. Die Auswirkungen seien beispielsweise in den Kindertagesstätten deutlich zu spüren, "wenn kein Zivi mehr da ist, der helfen kann, 30 Kindern das Jäckchen anzuziehen".



Über die Gründe für das geringe Interesse darf gerätselt werden: So scheinen die Werbemaßnahmen für den Freiwilligendienst nicht weit genug zu greifen: Eine Umfrage im Auftrag des WDR unter 15- bis 30-Jährigen ergab, dass gerade einmal 58 Prozent der Jugendlichen von dem Dienst wissen. Knapp ein Drittel kann sich vorstellen, einen Dienst in sozialen, kulturellen, sportlichen Einrichtungen oder für den Naturschutz zu leisten. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisiert eine mangelhafte Werbung im Vorfeld. Da sei viel zu wenig geschehen, um den Dienst attraktiv zu gestalten. Sie befürchtet jetzt, dass Engpässe in den sozialen Einrichtungen die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen schmälern.



Bundesfamilienministerium reicht Verantwortung weiter

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte stärkere Anreizstrukturen, die den jungen Leuten einen echten Gewinn bieten. Nach Ansicht des jugendpolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion, Kai Gehring, ist die "junge Generation eher verunsichert als informiert". Lange nicht geklärt war beispielsweise, dass für die jugendlichen Freiwilligen ein Anspruch auf Kindergeld besteht.



Das Bundesfamilienministerium will von der Kritik nichts hören. Seit der Informationskampagne des Ministeriums im Mai hätten im Schnitt 250 Freiwillige pro Woche einen Vertrag unterschrieben. Der Parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues (CDU) sagte: "Dass Bewerber ausbleiben, ist schlicht eine Fehlermeldung, die sich hartnäckig hält." Es sei jetzt an den Trägern, sich um Freiwillige zu bemühen.