Christoph Peters erzählt vom Streit um das AKW-Kalkar

Der Beginn der christlichen Öko-Bewegung

Das Thema Umwelt und Schöpfung als christliches Thema gab es schon in den 70er Jahren. Christoph Peters ist in Kalkar aufgewachsen. In "Dorfroman" erzählt er vom Streit um den Schnellen Brüter und wie das AKW die katholische Welt am Niederrhein spaltete.

Protest gegen Atomwaffen und Atomkraftwerke / © Caroline Seidel (dpa)
Protest gegen Atomwaffen und Atomkraftwerke / © Caroline Seidel ( dpa )

Vorbei ist es mit der beschaulichen Ruhe in Kalkar. Dort soll das Kernkraftwerk „Der Schnelle Brüter“ gebaut werden. Der Streit um den „Schnellen Brüter“ bringt das streng katholische Milieu ins Wanken. Konservative Bauern, treue CDU-Wähler, werden zu Atomkraftgegnern und legen sich mit der Kirche an. Der Bischof von Münster setzt den renitenten Kirchenvorstand kurzerhand ab, um dann das Kirchenland an die Betreiber des Atomkraftwerks zu verkaufen.

Das AKW in Kalkar bringt die katholische Welt ins Wanken

Der Schriftsteller Christoph Peters ist in Kalkar geboren. Er hat hautnah miterlebt, wie der geplante Bau des Atomkraftwerks die katholische Dorfgemeinschaft aufwühlt. Der Streit um die Kernenergie wird auch zum Bruchpunkt in seiner Biographie. Als Kind ist er ganz auf der Linie seiner Eltern, die das Atomkraftwerk befürworteten. Doch dann wendet er sich den AKW-Gegnern zu.

“Vieles von dem, was damals präsent war, ist jetzt auf einmal mit Fridays for Future und mit dem sich  dramatisch abzeichnenden Klimawandel plötzlich wieder in aller Munde”, sagt der Autor im DOMRADIO.DE Interview. “Das fand ich beim Schreiben sehr überraschend”.Christoph Peters erzählt in seinem “Dorfroman” wie unter einer Lupe in Kalkar die großen Umweltthemen, die uns heute beschäftigen, schon in den 70er Jahren sichtbar werden.

“Das alles war eigentlich in meiner Jugend für mich schon total präsent”, sagt er. Für die Recherche zu seinem Roman habe er die ganzen Bücher aus seinem Jugendbücher- Schrank wieder hervorgeholt. "Da gibt es dann so Sachen wie “Rettet die Vögel, wir brauchen Sie”. Und in den späteen 70er Jahren “Rettet den Wald”. Das Waldsterben war damals schon ein ganz, ganz großes Thema. Oder das Aussterben der Insekten durch die industrielle Landwirtschaft”, erzählt Peters.

Empörung gegen den Bischof

In seinem Roman erzählt Peters, wie das katholische Millieu erodiert. Ursprünglich konservative katholische Bauern und CDU-Wähler seien durch den Bau des Schnellen Brüters ins andere Lager gespült worden. “Insofern hat natürlich dieser gesamte Bau auch in diesem homogenen katholischen Dorf am Niederrhein, und ich vermute über das Dorf hinaus, fast zu einer Art Mini-Reformation geführt.

Plötzlich merkten die Leute, die 400 Jahre nicht am Wort des Bischofs gezweifelt haben, dass das, was die Kirche da in diesem ganzen Prozess des  Landverkaufs an die Atomkraft-Betreibergesellschaft organisiert, nicht mit unserer Vorstellung von Christentum vereinbar ist”, sagt Peters. Als der Bischof von Münster dann kurzerhand den ganzen Kirchenvorstand absetzt, ist die Empörung groß. Das Demokratieverständnis der Bürger prallt auf die autoritären Strukturen der Kirche.

Bruchpunkte einer katholischen Biographie

Peters erzählt von dieser aufwühlenden Zeit aus der Perspektivem eines pubertierenden Jungen, der, streng katholisch erzogen, auf einmal die Welt seines Elternhauses infrage stellt. “Einer der Bruchpunkte auch meiner Biograpgie war tatsächlich, dass ich als sehr frommer Junge dann plötzlich mit 13, 14 Jahren das Evangelium ernster und wörtlich genommen habe als die ritualisierten Formen des Katholizismus”, erzählt Peters.

“Ein Bruchpunkt war zum Beispiel, dass eine Kindergärtnerin aus dem Dienst entlassen wurde – und es gab nur diesen einen katholischen Kindergarten -, weil sie mit einem verheirateten Mann zusammen war. Mein Vater war der festen Meinung, dass das richtig sei, weil sie die Regeln der Kirche verletzt habe. Und ich habe gesagt, richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet, also wie es in der Bibel steht”.

Im Roman verliebt sich der 15-jährige Ich-Erzähler auch noch in eine Aktivistin der Atomkraftgegner. Seine alte katholische Welt bricht zusammen. Er überwirft sich mit seinen Eltern.

Blut ist dicker als Weihwasser

Christoph Peters lebt schon lange nicht mehr im Dorf seiner Kindheit. Er ist nach Berlin gezogen. Im Roman kommt der Ich-Erzähler Jahrzehnte später zurück und erlebt seine Eltern versöhnlich. "Auch meine Eltern haben einen Wandluingsprozess durchlaufen", erzählt der Autor. “Sie haben festgestellt, dass auch evangelische Menschen nette Leute sein können. Sie haben vielleicht inzwischen sogar Mischehen, wie man das damals nannte, gesehen, die glücklich waren und keine zutiefst unglücklichen und verwirrten Kinder auf die Schulen brachten. Sie haben gesehen, dass dieser moralische Transformationsprozess auch bei Kindern und Enkeln stattgefunden hat, dass Scheidungen, außerehelicher Sex, dass es das alles gibt. Und dann gibt es den Punkt, wo man sich als Eltern entscheidet. Mache ich jetzt einen Bruch mit meinen Kindern oder sage ich, Blut ist dicker als Wasser, und Blut ist dicker als Weihwasser?”

In seinem "Dorfroman" erzählt der Autor hellsichtig und spannend, wie sich die Zeiten ändern, wie das strenge Wertesystem der alten katholischen Kirche an Bedeutung verliert und wie Menschen, für die dieses Wertesystem das ganze Leben bestimmt hat, damit umgehen. “Das habe ich meinen Eltern immer sehr hoch angerechnet", sagt Peters. "Sie haben in harten Kämpfen - und sie haben auch nicht alles an Idealen aufgegeben, was sie einmal hatten - aber sie haben es doch soweit modifiziert, dass ein weiteres friedliches Zusammenleben mit all ihren Kindern stattfinden konnte. Und das ist, finde ich, eine beachtliche Lebensleistung”.


Christoph Peters / © Peter von Felbert (Luchterhand)
Christoph Peters / © Peter von Felbert ( Luchterhand )

Jugendliche demonstrieren für Klimaschutz / © MikeDotta (shutterstock)
Jugendliche demonstrieren für Klimaschutz / © MikeDotta ( shutterstock )
Quelle:
DR