Der Bau der Mauer belastet manche Berliner Gemeinden bis heute

Geteilte Kirchen

Die Kirche stand im Osten, der Pfarrer wohnte im Westen: Als am 13. August 1961 in Berlin der Bau der Mauer begann, wurden auch Gemeinden zerrissen. Die innerdeutsche Grenze lief zum Teil plötzlich quer durch sie hindurch. Der Bruch ist teilweise sogar noch bis heute zu spüren.

Autor/in:
Corinna Buschow
 (DR)

Nur eine evangelische Gemeinde in Berlin-Mitte überschreitet wieder die einstige Sektorengrenze. Andernorts scheiterten Fusionen oder wird bis heute über Pfarrgrenzen gestritten. Bis zum Mauerbau war die sich schon vorher anbahnende Teilung der Stadt in den Kirchengemeinden noch ohne große Auswirkungen gewesen. "Die Kontakte bestanden weiterhin", erzählt Christian Müller, der Anfang Juni als Pfarrer der evangelischen Kreuzberger St. Thomas-Gemeinde in den Ruhestand verabschiedet wurde. "Die Kollekte wurde eben in Ost- und Westmark aufgeführt."



Als dann die Mauer stand, konnten die Gemeindemitglieder aus dem Osten die Kirche im westlichen Stadtteil Kreuzberg nicht mehr erreichen. Sie wurden der Luisenstadtgemeinde zugeordnet. Gemeindekirchenräte im Ost und West waren sich einig, dass dies "für die Dauer des Notstands" die beste Lösung sei, erzählt Müller.



Das Provisorium dauert allerdings bis heute an - ein Umstand, den die Gemeinde St. Thomas nicht mehr hinnehmen will. Pfarrer Müller ist davon überzeugt, dass das damals verlorene Gemeindegebiet wieder rückübereignet werden sollte. Die Landeskirche lehnte allerdings einen entsprechenden Antrag ab. "Die Kirchenleitung mischt sich nicht in die Rechte einzelner Gemeinden ein", begründet Kirchensprecher Volker Jastrzembski die Entscheidung.



Der Gemeindekirchenrat an der Seite von Pfarrer Müller erwägt nun sogar die Klage vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht. Die Sprecherin der Gemeinde St. Petri-St. Marien, Anna Poeschel, beteuert indes, an einer "gemeinschaftlich-konstruktiven Lösung interessiert" zu sein. Die neue Pfarrerin der Thomasgemeinde, Claudia Mieth, kündigte bereits an, auf dieses Gesprächsangebot zurückzukommen.



"Auf einmal schlug uns Skepsis entgegen"

Ein weiterer Konflikt zwischen Ost und West schwelte nach der Wiedervereinigung wenige Straßenzüge entfernt in der katholischen St. Michael-Gemeinde. Auch sie war durch den Mauerbau zerrissen worden, ihre im Ostteil der Stadt gelegene Kirche war seit dem Krieg eine Ruine. Nach der Grenzschließung wurden die Gemeindeteile in Ost und West zunächst den jeweiligen Nachbargemeinden zugeschlagen. Als die Mauer 1989 fiel, war in der ersten Euphorie geplant, wieder eine neue, vereinte Michaelsgemeinde zu schaffen.



Doch dann kamen die ersten Enttäuschungen der Einheit, erinnert sich der ehemalige Gemeindereferent Reinhard Herbolte. "Auf einmal schlug uns Skepsis entgegen", sagt der 69-Jährige. Zudem hatten sich die Katholiken der Michaelsgemeinde auseinandergelebt. Die Fusion scheiterte schließlich, woanders wurde sie erst gar nicht versucht.



Ein anderer Streitfall ist hingegen aus dem Weg geräumt. 20 Jahre nach dem Mauerfall legten 2009 Bund, Land und die evangelische Sophiengemeinde ihren Grundstücksstreit um ein ehemaliges Friedhofsgelände bei. 1961 hatten DDR-Grenztruppen zunächst die dortige Grundstücksabgrenzung als Grenzmauer missbraucht und dazu Gräber umgebettet. Später wurde die eigentliche Mauer auf dem Friedhof errichtet, zum Teil über die darunter liegenden Gräber hinweg.



Heute ist das Areal Teil der zentralen Gedenkstätte Berliner Mauer. Den mindestens 136 Menschen, die ihre Fluchtpläne mit dem Leben bezahlen mussten, ist ein durchbrochenes Mauerstück als "Fenster der Erinnerung" gewidmet. In die Gedenkstätte integriert ist außerdem die Kapelle der Versöhnung an der Stelle der einst auf SED-Geheiß gesprengten gleichnamigen Kirche.