Der Auftritt Chinas bei der Frankfurter Buchmesse fand ein geteiltes Echo

Kontrovers bis zum Schluss

Der Eklat blieb aus, die Kontroverse dauert an. Der Auftritt des diesjährigen Ehrengasts China auf der Frankfurter Buchmesse fand bis zum Schluss am Sonntag ein geteiltes Echo. Die Kritiker sahen Politik und Literatur eine unheilvolle Verbindung eingehen, damit ein undemokratisches Regime sich als großes Kulturland präsentieren konnte.

Autor/in:
Elvira Treffinger
 (DR)

Die Befürworter lobten dagegen die Vielfalt der Diskussionen und die große Aufmerksamkeit für China-Themen.

Buchmesse-Direktor Juergen Boos blieb auch zum Messe-Ende bei seiner Haltung: "Es war richtig und gut, China eingeladen zu haben." Er lobte den Zugang zur Kultur und Literatur des Gastlandes, die vielen Übersetzungen. Und dass sich China der Diskussion und damit der Kritik stellte. Genau gezählt, gab es nach seiner Schätzung mehr China-kritische als China-offizielle Veranstaltungen. Als Erfolg wertete die betreuende Agentur WBCO: "China ist als ein wichtiger Geschäftspartner für die Verlagsindustrie präsentiert worden."

"Diese Fremdheit wird nicht in fünf Tagen weggehen"
Der Dialog war oft schwierig. Da stritt der Leiter des chinesischen Organisationskomitees, Zhang Fuhai, schon mal schlichtweg ab, dass es in China Zensur gibt, obwohl er als Generaldirektor genau in der Behörde für Presse und Publikation (GAPP) arbeitet, die über Kultur und Zensur entscheidet. Auch wenn die Entscheidungen und das wirtschaftliche Risiko zunehmend auf die bisher noch staatlichen Verlage verlagert wird.

Buchmesse-Direktor Boos sieht noch eine große Kluft zwischen China und dem Westen: "Diese Fremdheit wird nicht in fünf Tagen weggehen." Auch wies er die Hoffnung als naiv zurück, dass offizielle Vertreter Chinas sich in Frankfurt mit Regimekritikern auseinandersetzen wollten. "Da prallen Welten aufeinander." Aber es gebe wichtige inoffizielle Kontakte.

Mancher China-Kenner fand die Diskussionen oberflächlich und banal. "Im Ausland sind die Chinesen besonders vorsichtig, wollen Harmonie demonstrieren", hieß es. Da wurden dann lediglich das salzigere Essen und die weicheren Kissen in Deutschland als Beispiele für kulturelle Unterschiede zitiert.

"Die Buchmesse hat ihren guten Ruf verspielt"
Die schärfste Kritik übte die Gesellschaft für bedrohte Völker. "Die Buchmesse hat ihren guten Ruf verspielt", sagte der Asienreferent der Menschenrechtsorganisation, Ulrich Delius. So sei die Exil-Uigurin Rebiya Kadeer bei einem Rundgang durch die China-Halle bespitzelt worden.

Für viele Chinesen auf der Buchmesse muss Kadeers Auftauchen in der Tat ein Schock gewesen sein: Die Präsidentin des Weltkongresses der muslimischen Minderheit der Uiguren gilt in China als "Staatsfeindin Nr. 1". Die chinesische Führung macht sie persönlich für die Unruhen in Westchina im Juli verantwortlich.

Delius schien es auch, dass jeder Tibeter in der China-Halle einen Aufpasser neben sich hatte. Er sprach von Einschüchterung, wie man es aus China kenne. Die Buchmesse habe zudem mit schönen Bildbänden "ein Zerrbild von China" gezeichnet, das nicht der bitteren Realität entspreche.

Parallele Welten
Es waren parallele Welten: Hier diskutierten die China-Kritiker, dort traten die Kulturdiplomaten aus Peking auf - und mussten schon auch einmal tibetische Fahnen und Transparente ertragen. Die Schriftsteller schienen dabei manchmal ins Hintertreffen zu geraten. So äußerte sich Li Er, der Autor von "Der Granatapfelbaum, der Kirschen trägt", enttäuscht darüber, dass es zu keiner Begegnung mit deutschen Autoren kam.

Wegen schlechter Organisation fiel zudem seine Lesung am Sonntag sehr kurz aus. In der Polarisierung auf der Messe zwischen Staat und Staatskritikern wurden Zwischentöne von Intellektuellen, die in China selbst eine unabhängige Positionen einzunehmen versuchen, leicht überhört. Hinzu kamen die Sprachprobleme.

Der Generalsekretär des deutschen P.E.N.-Zentrums, Herbert Wiesner, mag aber nicht nur das Negative sehen: China einzuladen, bei aller Kritik - "das war es schon wert", lautet sein Resümee. Immerhin sei es die Buchmesse aller Chinesen gewesen, ob sie nun in China, freiwillig im Ausland oder im Exil lebten. Wiesner freute sich über "die Bücher, die in Freiheit geschrieben wurden". Aber er hält der Buchmesse einen großen Fehle vor: Der Partner für den Ehrengast-Auftritt hätte nicht das Kulturamt sein dürfen, dem auch die Zensur untersteht.