Der 9. November: Freude und Leid

Schicksalstag der Deutschen

 (DR)

Der 9. November wird als "Schicksalstag der Deutschen" bezeichnet, da mehrere hoch bedeutsame Ereignisse auf diesen Tag fallen: das Scheitern der Märzrevolution 1848, die Novemberrevolution 1918, der Hitler-Ludendorff-Putsch 1923, die Novemberpogrome 1938 und natürlich der der Fall der Berliner Mauer 1989: Unter dem Druck der tausendfachen Ausreise von DDR-Bürgern über Ungarn und der vor allem in Leipzig stattfindenden Montagsdemonstrationen zerfiel das SED-Regime in der DDR. Am Abend des 9. November verkündete Politbüromitglied Günter Schabowski überraschend die sofortige Öffnung der Mauer, die Berliner Bevölkerung strömte auf, über und durch die Berliner Mauer. Der Weg zur deutschen Wiedervereinigung war frei.

November 1989: Friedliche Revolution
Erste Vorboten der Friedlichen Revolution in der DDR gab es bereits Anfang 1989. Am 15. Januar demonstrierten etwa 500 Bürger auf dem Marktplatz in Leipzig für Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Es war die erste, nichtgenehmigte Demonstration der 1980er Jahre und der Beginn für die späteren Montagsdemonstrationen. In den folgenden Monaten kamen immer mehr Menschen zu den Friedensgebeten, die montags in der Nikolaikirche stattfanden.

Gleichzeitig verliehen viele DDR-Bürgerinnen und -Bürger ihrer Kritik über die Lebensverhältnisse in der DDR Ausdruck, indem sie Ausreiseanträge stellten. Im ersten Halbjahr 1989 waren es mehr als Einhunderttausend, die von der DDR in die Bundesrepublik übersiedeln wollten. Vor dem Hintergrund des zerfallenden Ostblocks zeigten sich Anfang Mai erste Löcher im "Eisernen Vorhang". Ungarn begann ab dem 2. Mai 1989 mit dem Abbau der Sperranlagen an der Grenze zu Österreich. Die Folge war eine Fluchtwelle von DDR-Bürgern über Ungarn. Andere hofften über die bundesdeutschen Botschaften in Budapest und in Prag in den Westen zu gelangen. Bald waren es Zehntausende, die so die DDR zu verlassen suchten.

Anfang Oktober entwickelten sich die Demonstrationen in Leipzig zu einer Massenbewegung. Die SED drohte den Demonstranten vor der Kundgebung am 9. Oktober 1989, zwei Tage nach dem 40. Jahrestag der DDR in der "Leipziger Volkszeitung": "Wir sind bereit und willens, das von uns mit unserer Hände Arbeit Geschaffene wirksam zu schützen, um diese konterrevolutionären Aktionen endgültig und wirksam zu unterbinden. Wenn es sein muss, mit der Waffe in der Hand!" Dennoch protestierten am 9. Oktober mindestens 70.000 Menschen in Leipzig mit dem Ruf "Wir sind das Volk" gegen das Regime und für Reformen. Die Sicherheitskräfte schritten nicht ein. Der 9. Oktober wurde zum Tag der Entscheidung. Die Proteste breiteten sich in der ganzen DDR aus. Und die SED-Führung wusste sich nicht anders zu helfen, als ein neues Reisegesetz zu erlassen, das am 9. November - früher als beabsichtigt - von Günter Schabowski verkündet und in Kraft gesetzt wurde. Die Mauer fiel über Nacht.

9. November 1938: Reichspogromnacht
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzten die Nationalsozialisten viele Synagogen in Deutschland in Brand, verwüsteten jüdische Geschäfte und Wohnhäuser und ermordeten oder misshandelten tausende Juden. 26.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Mit dem von den Nazis zynisch verharmlosend als "Reichskristallnacht" bezeichneten Pogrom begann eine neue Phase der Verfolgung und Diskriminierung, die im Holocaust - der Deportation und Vernichtung von mehr als sechs Millionen Juden in Konzentrationslagern - endete.

In Folge des Pogroms wurde den Juden eine "Sühneleistung" von 1 Milliarde Reichsmark aufgebürdet. Weiter wurde ihre Ausschaltung aus dem deutschen Wirtschaftsleben, die Schließung aller jüdischen Geschäfts- und Handwerksbetriebe und der Ausschluss der jüdischen Kinder von öffentlichen Schulen in die Wege geleitet.

Der Besuch von Theatern, Konzerten und Kinos wurde Juden verboten. Außerdem verabschiedeten Partei und Regierung Verordnungen über die Einschränkung der öffentlichen Fürsorge, des Wohnrechts und der Bewegungsfreiheit, den Einzug der Führerscheine, den Zwangsverkauf jüdischen Eigentums sowie die Beschränkung der Verfügungsrechte über Wertpapiere, Kunst- und weitere Wertgegenstände.

Die NSDAP deklarierte den Pogrom als spontanen Akt des Volkszorns; er war aber von der Parteiführung genau geplant und organisiert worden. Die Ermordung des Diplomaten Ernst vom Rath durch den 17-jährigen Juden Herschel Grünspan wurde propagandistisch als Anlass für den nationalsozialistischen Terror ausgeschlachtet. Reichspropagandaminister Jospeh Goebbels bereitete mit einer Hetzrede den Boden für die Ausschreitungen gegen Juden und jüdische Einrichtungen. Die Bevölkerung beteiligte sich durch Plünderungen an den Zerstörungen oder als passive Zuschauer.

Die Kirche schwieg weitgehend zu den nächtlichen Ausschreitungen. Eine Ausnahme bildete etwa der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg. Der 1996 von Papst Johannes Paul II. selig Gesprochene lud am Tag nach der Pogromnacht zu einem Gottesdienst "für die verfolgten nicht-arischen Christen und für die Juden" ein.

Symbolträchtig: Einweihung der Synagoge in München
Bundesweit finden in diesen Tagen an den Standorten zerstörter Synagogen Gedenkveranstaltungen statt. In München wird am Donnerstag das neue Jüdische Gemeindezentrum und die neue Hauptsynagoge Ohel Jakob eingeweiht. Es handelt sich um eines der größten jüdischen Neubauprojekte in Europa.

Weitere historische Ereignisse am 9. November
Scheitern der Märzrevolution 1848: Am 9. November 1848 wurde der Abgeordnete der Nationalversammlung Robert Blum in Wien von den Truppen der Gegenrevolution erschossen. Das Ereignis gilt als Anfang vom Ende der Märzrevolution in den Staaten des Deutschen Bundes.

Novemberrevolution 1918: Am 9. November 1918 dankte Kaiser Wilhelm der II. ab, der stellvertretende SPD-Vorsitzende Philipp Scheidemann rief darauhfhin von einem Balkon des Berliner Reichstags die erste deutsche Republik aus.

Hitler-Ludendorff-Putsch 1923: Am 8. und 9. November 1923 versuchten Adolf Hitler, Erich Ludendorff und weitere Nationalsozialisten, in München die Regierungsmacht an sich zu reißen.