Warum Reisetagebücher auch heute noch sinnvoll sind

Den Urlaub in Erinnerung behalten

Reisetagebücher haben eine sehr lange Tradition. Von den digitalen Medien ausgebremst sind sie heute nur noch eine Randerscheinung. Warum sie dennoch eine Renaissance verdient hätten ...

Autor/in:
Beate Behrendt-Weiß
Wandern und Pilgern in Deutschland / © Claudiu Maxim (shutterstock)
Wandern und Pilgern in Deutschland / © Claudiu Maxim ( shutterstock )

"Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Drum nahm ich meinen Stock und Hut und tat das Reisen wählen". Diese berühmten Zeilen des Dichters Matthias Claudius bringen im 18. Jahrhundert auf den Punkt, was für Reisen seit jeher gilt: Wer sich auf den Weg in ferne Regionen macht, der sammelt ganz besondere Erfahrungen.

Diese Eindrücke und Erlebnisse in festzuhalten ist ein Schatz; für einen selbst, aber möglicherweise auch für andere. So haben große Dichter Reisetagebücher verfasst, die viele Menschen erfreut haben, gerade jene, die die Möglichkeit des Reisens damals nicht hatten.

Auch die Berichte von Forschungs- und Entdeckungsreisen, die Logbücher der Seefahrer oder die Aufzeichnungen von Handelsreisenden gehören im weitesten Sinne dazu. Anders als die klassische Reiseliteratur, die mit Matthäus Merian im 17. Jahrhundert ihren Wegbereiter fand, haben Reisetagebücher immer einen persönlichen Charakter.

Von "Italienische Reise" bis "Ich bin dann mal weg"

Das gilt für Johann Wolfgang von Goethes berühmte "Italienische Reise" aus dem 18. Jahrhundert genauso wie für Theodor Fontanes Reiseberichte aus dem 19. Jahrhundert oder für Hape Kerkelings 2006 erschienenes Buch "Ich bin dann mal weg" über sein Pilgern auf dem Jakobsweg.

Dessen ungeachtet stellt sich die Frage, welcher "normale" Reisende sich heute noch unterwegs hinsetzt, um seine Erlebnisse und Erfahrungen in ein leeres Buch zu schreiben. In Zeiten von Facebook und Instagram ist es doch viel einfacher, mit dem Smartphone Fotos oder Videos hochzuladen und so der Welt oder zumindest dem eigenen Umfeld mitzuteilen, wo man gerade ist und was man erlebt.

Dennoch gibt es offenbar immer noch einen Markt dafür, wie die Auswahl zahlloser Blankobücher allein im Internet zeigt. Anders als die dort florierenden Blogs, die persönliche Reiseerlebnisse in Bild und Text allen Interessierten online zur Verfügung stellen, sind Reisetagebücher etwas zum Anfassen - und dazu etwas, das man auch später jederzeit wieder in die Hand nehmen und in Erinnerungen schwelgen kann.

Haptik statt Hektik

Damit erfüllen sie wohl besser als digitale Notizen und Urlaubsfotos in irgendwelchen Ordnern auf dem Laptop ihren ursprünglichen Zweck. Allein schon durch diese haptische Erfahrung, durch die krakelige Handschrift, weil der Zug so ruckelte, durch manchen Rotwein- oder Kaffeefleck und die eingeklebte getrocknete Blume vom Gipfel eines bezwungenen Berges fühlt man sich wieder in die Atmosphäre der Reise zurückversetzt.

Ob es um die Eindrücke fremder Länder und Kulturen oder um menschliche Begegnungen geht, um die Schönheit der Natur oder um soziale und politische Verhältnisse, um die Reiseroute, genutzte Verkehrsmittel und Sehenswürdigkeiten oder um die Anekdoten am Rande - die persönlichen Betrachtungen und Empfindungen des Reisenden finden hier einen Ort, der sie vor allzu schnellem Verblassen im Alltag bewahren kann.

Erfahrene Reisetagebuch-Schreibende berichten, dass es nicht immer einfach sei, sich die Zeit dafür zu nehmen; sie hätten selbst oftmals mehrere Anläufe gebraucht, um die notwendige Regelmäßigkeit in ihren Reisealltag zu integrieren.

Schreiben als Bereicherung

Aber dann sei das Schreiben eine tolle Erfahrung und Bereicherung, eine besondere Zeit für und mit sich selbst. Angereichert durch Erinnerungsstücke wie Eintrittskarten, Speisekarten oder originelle Bierdeckel dokumentieren diese Unikate auch lange nach der Reise, was für besondere Ausblicke man genossen oder welches Gericht man ausprobiert hat.

Fotos von eindrucksvollen Situationen und bewegenden Begegnungen ergänzen das Erinnerungsbuch. Wer das Reisetagebuch schon unterwegs gestaltet, sollte natürlich Schere, Kleber und Stifte dabeihaben. Ansonsten reicht es auch, die Erinnerungsstücke beispielsweise in einem stabilen Umschlag zu sammeln.

Das funktioniert selbst bei Rucksacktouren. Ob man chronologisch schreibt oder assoziativ, was einem gerade begegnet oder einfällt - die Möglichkeiten, ein Reisetagebuch zu führen und zu gestalten, sind vielfältig. Lohnen tut es sich auf jeden Fall. Selbst wenn man das Buch später nur noch sporadisch aus dem Regal nehmen sollte, hat es einen bleibenden Wert.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
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Quelle:
KNA