Sankt Martin in der Kölner Domsingschule

"Den Blick weg von mir auf andere lenken"

Im dunklen November sonst für viele Kinder das Highlight: der Martinszug durch die Straßen mit leuchtenden Laternen und einem großen Martinsfeuer. Coronabedingt gibt es diesmal in vielen Kitas und Schulen aber nur eine abgespeckte Version, immerhin.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Der Kölner Dom ist bei den Domsingschülern ein beliebtes Motiv. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Kölner Dom ist bei den Domsingschülern ein beliebtes Motiv. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Tabeah malt das Pferd hellbraun an. Dann überlegt sie, welcher Rot-Ton aus ihrer Filzstiftsammlung wohl am besten zu dem Umhang des Heiligen Martin passt. Und sie weiß jetzt schon – wenn die mit vielen Farben bunt ausgemalte Pergamenttüte fertig ist – dass sie an ihren Opa gehen soll. "Denn der ist krank", begründet die Sechsjährige. "Meine Tüte ist für meinen Onkel, weil ich ihn gerade nicht besuchen kann", erklärt Anne-Sophie. "Ich will sie bei meiner Tante vor die Tür stellen, weil die ganze Familie in Quarantäne muss", sagt Helene zu der Wahl ihres Adressaten. Und Nicolas: "Für meinen Vater – einfach so."

Während die Erstklässler der Kölner Domsingschule konzentriert bei der Sache sind und die Schwarz-Weiß-Umrisse der Schablonezeichnung auf der kleinen Brottüte, in die später ein Kerzenlicht gestellt werden soll, ausmalen, machen sie sich Gedanken, an wen sie diese Bastelarbeit vorzugsweise verschenken wollen: wer einsam oder traurig ist, wem ein solches Zeichen der Verbundenheit gerade gut tun und Freude machen würde. In den letzten Tagen hat die Klassenlehrerin der 1a, Annette Pütz, mit ihren Schülerinnen und Schülern eingehend die Bibelgeschichte vom barmherzigen Samariter durchgenommen und erläutert, dass er mit dem Herzen auf die Menschen geschaut hat – wie der Heilige Martin – und dass jeder für sich daraus etwas lernen kann: nämlich ebenfalls einem anderen Menschen in diesen dunklen Tagen etwas Gutes zu tun, mit einem kleinen Licht sein Leben hell zu machen und damit zu signalisieren „Ich denke an Dich“.

Gottesdienstfeier zu Sankt Martin im Freien

Auch alle anderen Jahrgänge der Lindenthaler Grundschule in der Clarenbachstraße beteiligen sich an dieser Martinsaktion, die das Prinzip des Teilens veranschaulicht. Denn jedes Kind bekommt zwei Tüten: eine zum Behalten, die zuhause mit einer kleinen Lampe ins Fenster gestellt werden soll, und eine zum Verschenken. Daher haben auch in den zweiten, dritten und vierten Schuljahren die Lehrer mit den Kindern vorher die wichtige Botschaft, die vom Martinsfest ausgeht, erarbeitet. Nämlich selbst zum Lichtblick für andere werden zu können. Denn schließlich soll auch in diesem Jahr, in dem coronabedingt zum ersten Mal keine öffentlichen Martinszüge möglich sind – also keine abendliche Laternenprozession durch die Dunkelheit zusammen mit der ganzen Familie erlaubt ist, zumal die schul- und kita-internen Feiern zu Sankt Martin erheblich abgespeckt wurden – die Bedeutung dieses populären Heiligen nicht untergehen. Vielmehr will die Schulleitung gerade in diesem Jahr einmal mehr bewusst machen, dass es im Zusammenleben vor allem auch darum geht, etwas abzugeben, in Zeiten wie diesen Rücksicht auf andere zu nehmen und jemandem nachzueifern, der das überzeugend vorgelebt hat.

"Trotz Corona wollten wir diese gute Tradition nicht aufgeben und den Martinstag mit einer Andacht feiern – selbst unter strengen Auflagen", argumentiert Annette Riehm. Die stellvertretende Leiterin der Domsingschule betont: "Dieses Fest ist uns wichtig, und es ist den Kindern wichtig." Deshalb hat sich das Kollegenteam gemeinsam mit Schulseelsorger Burkhard Hofmann Gedanken gemacht, wie unter Beachtung aller Hygieneschutz- und Abstandsvorschriften dennoch mit einem Gottesdienst – allerdings im Freien auf dem weitläufigen Außengelände – und einem kleinen Zug in festen Gruppen innerhalb des Schularreals dieses Heiligen gedacht werden kann.

Domtürme mit Richterfenster als Laternenmotiv

"Die Kinder brauchen ein Ziel, auf das sie sich freuen, und eine Perspektive, auf die sie hinarbeiten können", erklärt die Pädagogin. "Und es geht darum, den Blick von mir selbst weg auf andere zu lenken. Der Heilige Martin lehrt uns, unseren Fokus zu weiten", betont Riehm. Schließlich handle die Legende nicht nur von einem netten Mann, der seinen Mantel für einen Bettler teile. "Es geht darum zu erkennen, was der andere gerade braucht und – ein ganz wichtiges Element dabei – Empathie zu empfinden. Das gehört zum christlichen Menschenbild und schließlich zum Profil unserer Schule." Nichts anderes bedeute es, dieses Martinslicht weiterzugeben: "dass ich den anderen in seiner Bedürftigkeit sehe und Zuneigung teile". Für solche Impulse zeigten sich gerade Kinder sehr offen.

Groß ist daher auf allen Seiten die Freude darüber, dass mit etwas Kreativität und viel gutem Willen, sich den aktuell geltenden Bedingungen anzupassen, nicht die gesamte Martinsfeier, die im Jahresplan der Schule immer ihren festen Platz hat und als eines der absoluten Highlights gilt, Corona zum Opfer fällt. Im Wechsel begleitet von der Föten- oder Bläser-AG, singen die Kinder andächtig mit ihren bunten Laternen in der Hand – die Zweitklässler haben eine Darstellung des Martinfeuers gewählt und die dritten Schuljahre als Vorlage die Domtürme mit dem Richterfenster – die typischen Martinslieder. Sorgfältig haben sie sie vorher mit den Musiklehrern und Chorleitern eingeübt. Und so tönt es fröhlich über die Wiese: "Durch die Straßen auf uns nieder" oder "Martin ist ein frommer Mann".

Hofer: Mach es wie Martin – teile und öffne Dein Herz!

Was an diesem Tag im Zentrum steht, hatte schließlich früh am Morgen noch einmal eindringlich Schulseelsorger Hofer in seiner Katechese verdeutlicht. An seine kleinen Zuhörer appellierte er, besonders in diesem Jahr an die guten Taten des Heiligen Martins zu denken, "weil uns sein Handeln ein Beispiel gibt, wie wir gerade in diesen Tagen, in denen wir mit Corona leben müssen, gut miteinander umgehen und aufeinander achten können". Martin sei ein besonderer Mensch gewesen und habe Licht in die dunkle Welt gebracht. Für den Bettler sei er wie ein helles, warmes Licht in der kalten Dunkelheit gewesen, unterstrich Hofer. "Solche hellen Lichter sollen auch wir füreinander sein." Martin habe wie Jesus leben und Gutes tun wollen. "Jesus war sein großes Vorbild."

"Mach es wie Sankt Martin – teile! Sei aufmerksam! Sieh genau hin! Höre genau zu! Öffne Dein Herz! Hilf, wo Du kannst!", rief der Seelsorger den Kindern entgegen. "Dann ist Jesus auch heute unter uns lebendig. Dann bist Du wie ein Licht, das die Dunkelheit hell macht – so wie das Licht Deiner Laterne die Dunkelheit um Dich herum erleuchtet."


Der Kölner Dom - mit Domsingschule im Hintergrund. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Kölner Dom - mit Domsingschule im Hintergrund. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Auf dem gesamten Schulgelände tragen die Kinder einen Mund-Nasen-Schutz. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Auf dem gesamten Schulgelände tragen die Kinder einen Mund-Nasen-Schutz. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Den Martinstag zu feiern - selbst unter Corona-Bedingungen - ist dem Team der Kölner Domsingschule wichtig. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Den Martinstag zu feiern - selbst unter Corona-Bedingungen - ist dem Team der Kölner Domsingschule wichtig. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Schulseelsorger Burkhard Hofer erläutert die Martinsaktion mit den Brottüten, in die ein Licht gestellt werden soll. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Schulseelsorger Burkhard Hofer erläutert die Martinsaktion mit den Brottüten, in die ein Licht gestellt werden soll. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Kinder sprechen die Fürbitten. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Kinder sprechen die Fürbitten. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Martinslieder werden von der Flöten-AG unter der Leitung von Dorothee Holtermann und Uschi Kühling begleitet. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Martinslieder werden von der Flöten-AG unter der Leitung von Dorothee Holtermann und Uschi Kühling begleitet. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Jedes Kind soll sich überlegen, wem es die ausgemalte Tüte mit einem Licht schenkt. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Jedes Kind soll sich überlegen, wem es die ausgemalte Tüte mit einem Licht schenkt. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ganz in die Arbeit vertieft… / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ganz in die Arbeit vertieft… / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR