Debatte um Kirchenreform wird lebendiger

Zollitsch mahnt die geistliche Dimension an

Die innerkirchliche Debatte um Reformen gewinnt an Dynamik. Zum Kristallisationspunkt ist das Reformpapier "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" von mehr als 250 Theologieprofessoren und -dozenten geworden. Am Wochenende meldete sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erstmals kritisch zu dem Reformpapier zu Wort

Autor/in:
Christoph Arens
Vorsitzender der Bischofskonferenz: Erzbischof Zollitsch (KNA)
Vorsitzender der Bischofskonferenz: Erzbischof Zollitsch / ( KNA )

Die Theologen forderten Anfang Februar mehr Beteiligung der Gläubigen an der Bestellung von Amtsträgern, die Priesterweihe auch von Verheirateten, Weiheämter auch für Frauen, eine bessere kirchliche Rechtskultur und mehr Respekt vor individuellen Lebensentscheidungen.



Unterstützung erhalten sie von der Aktion "Kirchenaufbruch jetzt" mehrerer reformorientierter Gruppen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die bereits mehr als 20.000 Unterschriften gesammelt haben. Konservative Kreise konterten mit einem Gegenaufruf: In der "Petition Pro Ecclesia" werden die Bischöfe aufgefordert, den Zölibat in seiner heutigen Form zu erhalten und Aufweichungstendenzen entschieden entgegenzutreten.



Bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz Mitte März wollen beide Seiten Unterschriftenlisten überreichen. Auch die Bischöfe haben angekündigt, dass sie in Paderborn über Reformimpulse beraten wollen. Dann wird man vermutlich auch mehr darüber erfahren, wie der im Herbst angekündigte Dialogprozess zwischen Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken weitergehen soll.



Kritischer Zollitsch

Am Wochenende meldete sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erstmals mit einem kritischen Kommentar zum Reformpapier zu Wort. In der "Welt am Sonntag" bekräftigte er einerseits die Bereitschaft der Bischöfe zu Dialog und Reformen. Änderungen des kirchlichen Lebens und der Strukturen seien "möglich und sehr wohl nötig". Andererseits hielt er den Theologen vor, sie hätten die zentralen Probleme - dazu zählt er vor allem die Aufgabe, die Frage nach Gott in der Gesellschaft wach zu halten - nicht ausreichend bedacht. "Es ist mehr erforderlich als ein kirchlicher Reparaturbetrieb, der an einigen Stellschrauben dreht", schreibt der Freiburger Erzbischof. Der Dialog müsse zu einem "fundamental geistlichen Geschehen" werden.



Zollitschs deutliche Kritik zeigt, dass der Dialog nun offenbar auf einer theologischen, und nicht auf einer "kirchenpolitischen" oder kirchenrechtlichen Ebene geführt werden soll. Auch andere Bischöfe haben sich zuvor zu Wort gemeldet. Am positivsten der Osnabrücker Oberhirte Franz-Josef Bode: Er bezeichnete das Memorandum als "einen wichtigen Diskussionsbeitrag". Allerdings hätten die Theologen manches "sicher differenzierter" behandeln können. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann fand Ermutigendes: Systeme änderten sich nur, wenn sie gestört würden, sagte er. Insofern sei das Theologen-Memorandum Ausdruck des Vertrauens in die Kirche.



Auch andere kritische Bischöfe

Kritisch war die Reaktion von Münsters Bischof Felix Genn: Das Memorandum erschwere den Dialogprozess, warnte er und hielt den Theologen vor, ihre Kompetenzen zu überschreiten. Zwar wisse er sich mit den Unterzeichnern "verbunden in der Sorge um die Situation der Kirche". Doch sehe er "einen starken Dissens" zwischen seiner Verantwortung als Bischof und der Verantwortung, "die der Bischof von Münster den Lehrenden übertragen hat".



Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen nannte das Reformpapier "allzu plakativ". Es lasse "die Verarbeitung der Grundlagentexte des Zweiten Vatikanischen Konzils vermissen". Und der deutsche Kardinal Walter Kasper zeigte sich "maßlos enttäuscht": Von den Theologen habe er "mehr erwartet", schreibt er und warnt vor einer "lähmenden Dauerdiskussion". Auch er habe vor 40 Jahren für eine Überprüfung des Zölibats plädiert. Sie habe aber bei drei Weltbischofssynoden längst stattgefunden und zu klaren Ergebnissen geführt.



Eher distanziert war auch die Reaktion einiger prominenter reformorientierter Theologieprofessoren. Der Religionssoziologe Franz-Xaver Kaufmann nannte den Aufruf "ziemlich schwach". Notwendig sei eine "eindringlichere Analyse". Der Tübinger Theologe Hans Küng, der nach eigener Darstellung von den Autoren nicht um seine Unterschrift gebeten worden ist, sprach von einem "relativ harmlosen" Papier. Er sei aber froh, "dass sich überhaupt mal wieder Theologen zu Wort gemeldet haben, die mit dem Kurs des gegenwärtigen Papstes nicht einverstanden sind".