Debatte über Gedenkfeier zu Olympia-Attentat 1972 dauert an

"Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen"

Seit Jahrzehnten kämpfen die Hinterbliebenen der Opfer des Olympia-Attentates von 1972 mit den deutschen Behörden. Es geht um Akteneinsicht und mehr Entschädigung. Jetzt steht die Gedenkfeier zum 50. Jahrestag auf der Kippe.

Videoloop erinnert an Olympia-Attentat 1972 / © Felix Hörhager (dpa)
Videoloop erinnert an Olympia-Attentat 1972 / © Felix Hörhager ( dpa )

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle hat eine Absage der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Olympia-Attentats 1972 ins Spiel gebracht. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag): "Man muss ernsthaft prüfen, ob die Gedenkfeier nach der Absage der Hinterbliebenen noch stattfinden kann. Sie darf nicht zur Groteske verkommen."

Ludwig Spaenle (links) mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder / © Peter Kneffel (dpa)
Ludwig Spaenle (links) mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder / © Peter Kneffel ( dpa )

Die Sprecherinnen der Opferfamilien hatten ein Entschädigungsangebot des Bundes als "Beleidigung" zurückgewiesen. Spaenle zeigte sich nicht überrascht über deren Reaktion. "Ich mahne seit vielen Wochen, dass man auf gleicher Augenhöhe mit den Angehörigen spricht und ihre Klagen ernst nimmt", sagte er den Zeitungen. "Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Der Umgang mit den Familien in der Entschädigungsfrage ist beschämend, man kann das nicht anders nennen."

Bedauern von jüdischer Seite

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden / © Michael Kappeler (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden / © Michael Kappeler ( dpa )

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bedauerte die Absage der Hinterbliebenen. "Die Bemühungen der deutschen Seite sind in meinen Augen anzuerkennen. Ich hatte gehofft, dass es zur einer Einigung kommen würde", sagte er dem Redaktionsnetzwerk.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck, sagte dem "Spiegel" (Samstag), die für den 5. September geplante Gedenkveranstaltung in München würde zum "Desaster", wenn sich die Verantwortlichen in der Entschädigungsfrage nicht besännen. "Man kann nur eindringlich bitten, den Angehörigen noch einen annehmbaren Vorschlag zu unterbreiten." Versäumnisse über Jahrzehnte seien "nicht mit ein paar hingeworfenen Geldbündeln wiedergutzumachen"

Bereits ein neues Angebot gemacht

Den Hinterbliebenen gehe es nicht vorrangig um Geld, sondern darum, dass in der Entschädigung auch Respekt zum Ausdruck komme, betonte Beck. "Man sollte darum tunlichst vermeiden, jetzt um Beträge zu feilschen, sondern sich an vergleichbaren Fällen orientieren."

Die Bundesregierung hatte den Angehörigen vor einigen Wochen ein neues Angebot gemacht: insgesamt 10 Millionen Euro, abzüglich der 4,6 Millionen Euro, die die Bundesregierung, der Freistaat Bayern und die Stadt München bereits 2002 zahlten. Die Angehörigen erachten das als zu wenig.

Unzureichende Aufarbeitung

Beck kritisierte zudem eine unzureichende Aufarbeitung des Terroranschlags. Die Angehörigen hätten ihre Verluste kaum verarbeiten und Abschied nehmen können, weil "nie alles auf den Tisch" gekommen sei: "Die offenen Fragen tragen sie bis heute mit sich herum, ebenso das Pflichtgefühl, den Ermordeten zu ihrem Recht und zur Wahrheit über das Attentat verhelfen zu müssen. Das macht den Unwillen auf deutscher Seite besonders grausam."

Bei dem Attentat palästinensischer Terroristen waren in München im September 1972 elf israelische Sportler und Betreuer sowie ein deutscher Polizist ums Leben gekommen.

Quelle:
KNA